Zum Inhalt springen

Das ist der erste Koalitionsvertrag seit 1998 mit mehr Wollen als Werden

Konrad Lischka
Konrad Lischka
2 minuten gelesen
Das ist der erste Koalitionsvertrag seit 1998 mit mehr Wollen als Werden

Wie fest sind die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag von Union und SPD gemeint? Um diese Frage geht es in vielen Diskussionen. Ein oft zu hörender Kritikpunkt ist dieser: Im Vertrag stehen zwar eine Menge Ziele, doch bei vielen bleibt der Umsetzungswille doch arg vage. Stimmt das?

Es gibt da sprachlich zumindest eine recht klare Unterscheidung: Entweder steht in so einem Vertrag »wir werden« – das ist eine ziemlich feste Absichtserklärung. Fester jedenfalls als die schwächere Formulierung »wir wollen«. So etwas kann man auszählen. Wie oft steht wollen, wie oft werden im Text?

Ich habe auf die Schnelle einen Werden- und einen Wollen-Index für alle Koalitionsverträge seit 1998 ausgerechnet. Die Methode in drei Schritten:

  1. Alle Worte im Vertrag auszählen.
  2. Werden-Index ausrechnen: Alle Formulierung »wir werden«, »werden wir« und »Bundesregierung wird« auszählen und addieren. Diese Summe der Werden-Formulierungen durch die Gesamtwortzahl dividieren. Das Ergebnis mit 100 multiplizieren, damit eine Zahl um 1 herum herauskommt.
  3. Wollen-Index ausrechnen: Alle Formulierung »wir wollen«, »wollen wir« und »Bundesregierung will« auszählen und addieren. Diese Summe der Wollen-Formulierungen durch die Gesamtwortzahl dividieren. Das Ergebnis mit 100 multiplizieren, damit eine Zahl um 1 herum herauskommt.

Interaktive Grafik und Daten bei Datawrapper

(Interaktive Grafik und Daten bei Datawrapper)

Die wesentlichen Erkenntnisse für mich aus dieser Rechnung:

  • Der jetzt diskutierte Koalitionsvertrag von 2018 zwischen Union und SPD ist der erste seit 1998, indem mehr Wollen als Werden steckt. Der Wollen-Index ist mit 1,15 zum ersten Mal höher als der Werden-Index (0,82).
  • Der Wollen-Index ist so hoch wie nie. Das heißt: In Relation zum Vertragsumfang steht da häufiger als je zuvor seit 1998 das schwächere »wollen«.
  • Der Werden-Index war 1998 im Koalitionsvertrag für Rot-Grün am höchsten (1,21), gefolgt vom zweiten rot-grünen Vertrag 2002 (1,08) und der Unions-FDP-Vereinbarung von 2009 (1,05).
  • Im Vergleich zum Vertrag zur großen Koalition von 2013 sind im aktuellen Text anteilsmäßig nur etwas weniger starke Werden-Vereinbarungen enthalten, aber deutlich mehr schwache Wollens-Bekundungen (0,69 in 2013, 1,15 in 2018)

Was sagt uns das? Anteilsmäßig stehen im aktuell diskutierten Vertragstext mehr schwache als starke Vereinbarungen. Was dieses bloße Auszählen natürlich nicht verrät: Sind die inhaltlich relevanten Absprachen stark oder schwach formuliert? Darüber kann man diskutieren. Über mehr Wollen als Werden nicht.

Hier liegen bei Google-Docs die Quellen und Berechnungen als Tabelle.

Blog

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
Immer gut: Newsletter abonnieren


auch interessant

Wenn Gott geht, bleibt das Geld

These: Die verbreitete und emotionale Ablehnung von Erbschaftssteuern hängt damit zusammen, dass es a) das Tabuthema Endlichkeit und Tod trifft und b) in der Makroperspektive mangels Glauben und Religiosität für viele eine befriedigende Antwort auf das danach fehlt.  Deshalb ist das Vererben der Weg zur Unsterblichkeit. Wer keinen Bezug zu

Wenn Gott geht, bleibt das Geld

Fun Facts: Vermeer, Jira, Rubens

Vermeer verkaufte die meisten Bilder an seine Nachbarn Klar, das Mädchen mit dem Perlenohrring! Hier etwas unnützes, weniger verbreitetes Wissen: Johannes Vermeer hat zeitlebens vielleicht 50 Bilder gemalt, 37 davon sind bis heute erhalten und 21 Gemälde hat er an seine Nachbarn in Delft verkauft, an Maria Simonsdr de Knuijt

Fun Facts: Vermeer, Jira, Rubens

ChatGPT sagt Unternehmensgewinne besser voraus als Analysten

Drei Forscher der University of Chicago haben mit eigenen Prompts GPT4-Turbo die Bilanzen und Erfolgsrechnungen von 15,401 US-Unternehmen zwischen 1968 und 2021 analysiert. Die Daten waren ... * pseudonymisiert (keine Firmennamen) * standardisiert (die Bilanzdaten liegen für jedes Unternehmen im gleichen Standardformat vor) * und um Jahreszahlen bereinigt (aus 2021 wird z.B.

ChatGPT sagt Unternehmensgewinne besser voraus als Analysten