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Das Nachfrageproblem des Lokaljournalismus im Netz in einer Statistik

Konrad Lischka
Konrad Lischka
3 minuten gelesen
Das Nachfrageproblem des Lokaljournalismus im Netz in einer Statistik

Was ist das Problem des Lokaljournalismus als Geschäftsmodell? Klar, die Auflagen sinken und die Werbeeinnahmen auch. Die Gründe dafür könnten neue Nutzungsgewohnheiten (digital statt gedruckt) und Werbemöglichkeiten sein. Die Aufmerksamkeit verschiebt sich auf Smartphones und ins Netz, die Geschäftsmodelle für Lokaljournalismus da sind noch nicht so weit. Ist das so, gibt es berechtigte Hoffnung: Wo genug Aufmerksamkeit ist, werden irgendwann Geschäftsmodelle folgen.
Allerdings ist auch eine pessimistische Erklärung für die Entwicklung im Lokaljournalismus denkbar: Das Interesse an digitalem Lokaljournalismus ist geringer als an gedruckten Lokalmedien.

Das ist eine Vermutung, Empirie kenne ich dazu nicht. Aber ich habe in den Nutzungsstatistiken einen Hinweis darauf gefunden, dass regionaler Journalismus in digitalen Medien weit weniger Aufmerksamkeit bindet als gedruckt.

Die Daten zur Nachfrage Lokaljournalismus Print vs. digital

Das Interesse von Menschen an Journalismus messen Verlage in allgemein anerkannten Statistiken für die Werbekunden. Für Printmedien sind das die Auflagenzahlen der IVW. Für Digitalmedien sind es die Nutzungsdaten der AGOF. Ich habe mir die aktuellen Zahlen aus beiden Statistiken genauer angeschaut: Wie verteilt sich die Aufmerksamkeit auf regionale und überregionale Medien, die Journalismus zum allgemeinen Zeitgeschehen bieten?

Das Ergebnis: Von der verkauften Gesamtauflage der 50 reichweitenstärksten Medien in der IVW fürs dritte Quartals entfällt knapp die Hälfte auf regionale Medien wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung, die Rheinische Post und andere.

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Bei digitalen Medien sieht das anders aus. Von der Summe der eindeutigen Besucher der 50 reichweitenstärksten journalistischen Angebote zum allgemeinen Zeitgeschehen in der AGOF-Statistik entfällt weniger als ein Drittel auf Regionalmedien (29 Prozent).

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Fazit: Ein Nachfrageproblem

Mein Fazit: Die Nutzungsstatistiken deuten darauf hin, dass digitaler Lokaljournalismus im Vergleich weit weniger Aufmerksamkeit bindet als lokale Printprodukte. Das dürfte die Hoffnung dämpfen, dass die digitalen Geschäftsmodelle für Lokaljournalismus folgen und funktionieren werden, weil genug Interesse an den Inhalten vorhanden ist.
Nicht beantwortet ist die Frage: Woran liegt das? Vielleicht fehlt den existierenden digitalen Lokalmedien etwas. Vielleicht würden Angebote mit einem anderen Ansatz anteilsmäßig so viel Aufmerksamkeit binden wie im Printgeschäft. Vielleicht ist auch das Interesse an lokalem Zeitgeschehen einfach geringer. Vielleicht ist das Interesse auch nur in bestimmten Altersgruppen geringer.

Wie auch immer: Es sieht so aus, dass die Herausforderungen beim digitalen Lokaljournalismus nicht nur der Vertrieb und das Geschäftsmodell sind, sondern auch der Inhalt.

Zur Methodik

Als Erstes habe ich die IVW-Auflagenzahlen für das dritte Quartals 2015 für Tageszeitungen, Wochenzeitungen und Publikumszeitschriften heruntergeladen. Dann habe ich der Einfachheit halber die Titel anhand der Verkaufszahlen (da sind auch sonstige Verkäufe eingerechnet) gerankt. Ich habe alle Einträge zu Medien gestrichen, die nicht allgemeinen Journalismus zum Zeitgeschehen bieten. Gestrichen habe ich also zum Beispiel Fernsehmagazine wie „nur TV“ und Mitgliederzeitschriften wie „DAV Panorama“ oder „Vorwärts“. Zudem habe ich Anzeigengemeinschaften von Titeln gestrichen, die auch einzeln geführt werden. Ich habe also zum Beispiel den Titel „BusinessKombi“ gestrichen, da hier die Auflagen von auch einzeln geführten Medien wie Zeit, Handelsblatt und Tagesspiegel noch einmal gebündelt sind.
Aus der AGOF Digital Facts für den September 2015 habe ich die Unique User. Diese Daten sind mit den Auflagen von Printmedien vergleichbar: Ein Nutzer kann mehrfach vorkommen, ausgezählt wird nur die Intensität des Interesses (allerdings bei Printmedien an Abos und Kioskverkäufen, bei Digitalmedien an Aussagen in repräsentativen Umfragen und Nutzungsdaten). Bei all diesen Unterschieden halte ich die Daten für vergleichbar genug: Sie zeigen die Reichweite und damit das Interesse und bei beiden lässt sich der relative Erfolg eines Mediums in der Gruppe angeben – wie hoch ist der Anteil am gesamten Kuchen der 50 reichweitenstärksten Print- beziehungsweise Digitalmedien. Die AGOF-Daten habe ich um alle Titel bereinigt, die nicht journalistisch über das allgemeine Zeitgeschehen informieren.

Daten

Hier die Daten zum Herunterladen, hier als Tabelle bei Google Docs.

Nachfrage-Lokaljournalismus

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Beitragsbild: aus “Living London; its work and its play, its humour and and its pathos, its sights and its scenes“, 1902, gemeinfrei

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Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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