Der Untergang der Spiele-Komiker von LucasArts
“Maniac Mansion” und “Monkey Island”: Mit Adventures prägte LucasArts ein Spielgenre. Das von George Lucas gegründete Studio setzte auch mit Online- und Action-Titeln Maßstäbe, doch die letzten Titel waren nur Durchschnitt. Nun macht Neueigentümer Disney LucasArts dicht. Der Nachruf.
Es ist keine fünf Jahre her, da sagte George Lucas seinem legendären Spielstudio LucasArts eine großartige Zukunft voraus. Im Buch zum 25-jährigen Firmenjubiläum schrieb der Regisseur: “Wir können heute Dinge tun, die unmöglich schienen, als LucasArts vor 25 Jahren gegründet wurde. Und das ist nur der Anfang.” Lucas war 2008 sichtlich stolz, dass seine Firma ein Vierteljahrhundert lang Erfolg hatte, während viele Filmstudios ihre Versuche in der Spielbranche schnell wieder aufgaben, weil sie “die Unbeständigkeit der Branche nicht ertrugen”, so der Regisseur.
Nun hat es LucasArts doch erwischt, knapp 31 Jahre nach der Firmengründung im Mai 1982 wird das Studio geschlossen, 200 Mitarbeiter verlieren ihre Jobs. Die Firma gehört gerade mal seit einem halben Jahr zum Disney-Konzern. Der Unterhaltungsriese tut, was George Lucas beim Firmenjubiläum kritisierte: Disney-Lucasfilm zieht sich wegen der Unbeständigkeit aus der Eigenentwicklung zurück, man wolle in Zukunft Lizenzen für “Star Wars”-Titel an externe Entwickler vergeben, so solle das Risiko der Firma minimiert werden, heißt es in einer Mitteilung von Lucasfilm.
LucasArts hat die Branche zwei Jahrzehnte lang mit bahnbrechenden Titeln geprägt, in ganz unterschiedlichen Genres vom Grafik-Adventure bis zur Flugsimulationen. Die Entwickler bei LucasArts wollten von Anfang an innovative, überraschende, bessere Spiele machen. In einem der Gründungsdokumente der Firma zählt Manager David Fox im September 1982 detailliert die Schwächen der damals existierenden Spiele auf: zu wenig Humor, zu schlechte Grafik, flache Charaktere, simple Geschichten. Der Schlüsselsatz in Fox’ Analyse von 1982:
“Viele Spiele sprechen heute allein die Geschicklichkeit der Spieler an, sie belohnen nicht Intuition, kreatives Denken, das Entwickeln von Strategien oder das Ausprobieren außergewöhnlicher Lösungen.”
Der Satz ist heute noch so gültig wie damals. Aber auch LucasArts hatte in den vergangenen Jahren längst nicht mehr auf Witz und Kreativität gesetzt, sondern primär auf seine zugkräftige Lizenz.
Das erste LucasArts-Adventure “Labyrinth” krempelte 1986 die Bedienung von Spielen dieses Genres um. Damals tippte man in Text-Adventures wie “Zork” seine Aktionen per Tastatur ein. So bedient man “Labyrinth” nur am Anfang. Man muss in der Spielwelt ins Kino gehen, um Jim Hensons Film “Labyrinth” zu sehen, dann verschwindet das Text-Interface und man spielt ein Grafik-Adventure: Den größten Teil des Bildschirms nehmen Bilder ein, durch die man sich bewegt. Darunter ist ein kleines Steuerfeld, auf dem man vorgegebene Verben und Nomen kombiniert. Man kann so Türen öffnen (open + door) oder Gegenstände aufheben (take + crystal ball).
Diese Steuerung perfektionierte LucasArts in legendären Grafik-Adventures wie “Maniac Mansion”, in denen man aus einem Menü mögliche Aktionen per Maus oder Joystick auswählt. “Maniac Mansion” war auch inhaltlich stilprägend: Der Humor dieses Spiels war ungewöhnlich für die damalige Zeit (der Titel erschien 1987). Die Designer hatten ein lustiges Horrorspiel im Sinn, in dem ein Teenager seine Freundin aus dem Geisterhaus eines verrückten Wissenschaftlers retten muss. “Maniac Mansion” persiflierte B-Movies, Horrorfilme und Genreklischees. Der Publisher Electronic Arts lehnte den Titel mit der Begründung ab, lustige, ironische Horrorspiele würden sich nicht verkaufen. Also übernahm LucasArts den Vertrieb selbst – mit Erfolg.
Wo ist Diskette 22?
Respektloser Humor zeichnete auch spätere LucasArts-Spiele wie “Zak McKracken” und “Monkey Island” aus. Legendär sind selbstironische Gags wie dieser in “Monkey Island”: Wenn Spieler an einer Stelle im Wald einen Baumstumpf untersuchen, fordert das Spiel auf, Diskette 22 einzulegen – das Spiel aber lagerte, je nach Version, auf nur 4 bis 7 Disketten. Der Kundendienst von LucasArts bekam Anfragen besorgter Spieler.
Obwohl LucasArts heute vor allem für diese Grafik-Adventures berühmt ist, hat die Firma auch in anderen Genres Meilensteine gesetzt. Lawrence Hollands Flugsimulation “Battlehawks 1942” (1988) wurde hoch gelobt, 1993 erschien Hollands Weltraum-Shooter “X-Wing” – das bestverkaufte US-Spiel des Jahres. Das zunächst für den C64 entwickelte “Habitat” (1986) war eines der ersten grafischen Online-Rollenspiele, wenn man so will eine Art Frühform der virtuellen Welten von heute. Das 1993 veröffentlichte “Rebel Aussault” war einer der ersten Action-Titel für das damals junge Medium CD-Rom. Viele Spieler kauften sich eigens für “Rebel Aussault” ein externes Laufwerk für ihren PC. George Lucas gratulierte dem Entwickler-Team in einem Dankesschreiben mit großen Worten: “Ihr habt meine Ideen in ein neues Unterhaltungsformat übertragen und einen Standard gesetzt, was dieses neue Medium schaffen kann.”
Das gelang LucasArts zuletzt nicht mit den eigenen Werken. Die letzten bahnbrechenden “Star Wars”-Spiele wurden von externen Studios entwickelt, das hochgelobte Rollenspiel “Knights of the Old Republic” zum Beispiel vom kanadischen Studio Bioware.
Zuletzt arbeiteten die Entwickler bei LucasArts an dem vielversprechenden Third-Person-Shooter “Star Wars 1313”: Der Spieler sollte sich in den düsteren Etagen unter der Oberfläche des Stadtplaneten Coruscant durchschlagen, wo Schmuggler, Kopfgeldjäger und andere zwielichtige Gestalten Geschäfte machen. Die Vorab-Präsentationen dieses Titels sahen vielversprechend aus: Großartige Grafik und eine düstere Welt, weit ab von dem Schwarzweiß der letzten “Star Wars”-Spiele. Mit “Star Wars 1313” hätte LucasArts wieder Maßstäbe setzten können – derzeit ist unklar, ob dieser Titel je veröffentlicht wird.