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gelesen & gelernt: CO2-Preis, China, Schaltjahr im 56. Jahrhundert

Konrad Lischka
Konrad Lischka
4 minuten gelesen
gelesen & gelernt: CO2-Preis, China, Schaltjahr im 56. Jahrhundert

Inhaltsverzeichnis

Reality Check: Das EU-Emissionshandelssystem im Schweinezyklus

Reality Check des Mantras, CO2-Preis über Emissionszertifikate sei per se das smarte Instrument: Binnen eines Jahres hat sich der Preis in der EU auf 52 € / Tonne halbiert. Weil die Industrieproduktion fällt. Und weil der CO2-Preis 2022 so hoch war und Fertigung gestrichen wurde.

Was jetzt passiert: Eine Art Schweinezyklus. Der Tonnenpreis ist so niedrig, dass sich bestimmte Investitionen in Reduktion auf dem Papier nicht rechnen. Zum Beispiel CO2-Abscheidung erst ab einem CO2-Preis von 100 € je Tonne.

Was wird passieren? Der Preis wird irgendwann wieder nach oben schießen, wenn Industrieproduktion hoffentlich steigt und 2030 die EU die Zertfikatsmengen verringert. Nur sind Investitionen nicht so schnell umgesetzt wie diese Preisentwicklung. Verlässliche Grundlage für Investitionsentscheidungen und mittel- und langfristige Planbarkeit ist so ein Preis und so ein Markt nicht. "Market mytopia" und "too cluncky to delivered the requiered impetus to decarbonisation" ist das Fazit der Financial Times bringt in dieser lesenswerten (kostenpflichtigen) Analyse.

Die geplante Verknappung von Zertifikaten soll ja Preise verlässlich steigen lassen. Der Mechanismus (gute Einführung hier beim MDR) spielt für meinen Geschmack zu sehr über Bande angesichts der Dringlichkeit und Wichtigkeit. Keiner weiß, was die Zertifikate 2025 kosten werden auf dem Markt. Das ist ein toller Markt fürs Spekulieren und Wetten. Aber eigentlich soll er ja Investitionen anregen. Und dafür bringt der Mechanismus nicht die nötige Verlässlichkeit. Warum nicht vom Ende her denken: Was brauchen Unternehmen für Investitionsentscheidungen? Sicherheit über Preise in 5, 10, 15 Jahren - oder zumindest eine Rechenbasis. Also: Klarer Preispfad und Einfuhrzölle, damit die Produktion nicht abwandert (mit CBAM ist das beschlossen).

Europe’s carbon price crash looks like serious market myopia
The emissions trading system is too clunky to deliver the required impetus to decarbonisation

China entfernt sich weiter vom Status als Hochlohnland

China war 2023 weiter entfernt vom Status als Hochlohnland nach Weltbankdefinition als 2021. Die Schwelle: $13,846 Bruttonationaleinkommen je Einwohner. China lag 2021 1% unter der damaligen Schwelle. 2023 sind es 9% unter der Schwelle. Die Abwertung des Yuan gegenüber dem Dollar spielt da rein, ist aber nicht der einzige und nicht der entscheidende Faktor. Auch: Arbeitslosigkeit, stagnierende Einkommen und Gewinne (Quelle).

Hintergrund:

  • Die Daten und Infos zur Methode hier bei der Weltbank.
  • Wikipedia hat eine anschaulichere Gliederung als die Weltbank der Staaten in den vier Kategorien.
  • Wichtig zu wissen: Bruttoinlandseinkommen umfasst mehr als ds Bruttoinlandsprodukt, nämlich auch den Wert von Waren und Dienstleistungen, die mit Produktionsfaktoren im Besitz von Inländern im Ausland geschaffen wurden (Details).

Warum es im 56. Jahrhundert ein Extra-Schaltjahr braucht

In einem Satz verstehen, warum es den 29.2.2024 braucht: Während die Erde sich einmal um die Sonne dreht, dreht sie sich etwa 365,2421897 mal um sich selbst. Wir haben also ein paar Nachkommastellen mehr Tag in einem Jahr als es braucht. Wenn man das zu lange schleifen lässt, hat man ein Problem. Die BBC beschreibt, wie die Menschheit über Jahrhunderte versucht hat, das Problem zu lösen und ein paar Jahrhunderte lang daneben lag. Caesar hat sich daran versucht und erstmal ein Korrektur-Jahr mit 445 Tagen eingeführt und dann einen Schalttag alle vier Jahre. Sein Kalender hat im Durschnitt 365,25 Tage im Jahr. Weitere Korrekturen: Kaiser Augustus und dann Papst Gregor XIII. Der Papst hat es hingekriegt, sein Jahr hat im durchschnitt 365,2425 Tage. Der Trick: Säkularjahre (also 1800, 1900, 2000) sind nur Schaltjahre, wenn sie glatt durch 400 teilbar sind. 2000 war deshalb ein Schaltjahr, 1900 nicht. So ganz geht das System nicht auf, aber die Resttage addieren sich erst im 56. Jahrhundert zu einem echten Problem, bzw. zusätzlichen Tag.

Why Julius Caesar’s Year of Confusion was the longest year in history
To tame a hopelessly disorganised Roman calendar, Julius Caesar added months, took them away, and invented the leap year.

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Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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