Zum Inhalt springen

Gewaltverherrlichendes Kriegsspiel anno 1992

Konrad Lischka
Konrad Lischka
2 minuten gelesen

Ich weiß nicht, ob gewaltverherrlichende Brettspiele 1992 wirklich ein massives Problem waren. Kann schon sein, aber ich tendiere eher zu der Annahme, dass ich mich gerade völlig zurecht über diese Aussagen aus einem vor 20 Jahren in der SZ erschienen Artikel totlache. Es geht darin um diesen angeblichen (zu erkennen an der weder quatifizierten noch qualifizierten Formulierung “immer mehr”) Trend:

Immer mehr führende deutsche Spielehersteller bauen auf Schlacht und Abenteuer, unterstützt von massiven Fernsehkampagnen.

Um welche Spiele geht es?

Zum einen Risiko. Risiko! Kritik: “Bei ‘Risiko’ beispielsweise, einem Weltkrieg mit Armeen auf dem Spielbrett, heißt das Erobern eines Landes im Réglement ‘Befreien’.” Und zum anderen um Das Schwarze Auge. Kritik: “Im Spiel ‘Das Schwarze Auge’ heißen die mit dem Zauberschwert hingemordeten Opfer übrigens ‘Gefangene’.”

In dem Artikel kommt ein Experte zu Wort, Professor Rainer Korte. Seine  “Kritik müßte hellhörig machen”, heißt es in dem Artikel, denn “er ist Pädagogikprofessor an der Fachhochschule Dortmund. Dort leitet er im Fachbereich Sozialpädagogik eine bundesweit einzigartige Arbeitsstelle für Spielforschung und Spielberatung, die regelmäßig ein Jahrbuch empfehlenswerter Spieleneuheiten herausgibt. Fantasy-Titel findet man darin nicht.” (Risiko ein Fantasy-Spiel?).

Und hier die Highlights der Kritik:

  • Es sei “manche nur scheinheilig entschärfte Grausamkeit in den Spielen zu finden”.
  • “Korte weiß, daß manch jugendlicher Spieler bei Fantasy-Spielen von martialischen Emotionen übermannt wird. Auch nach dem Schließen des Spielkartons bleibe er bisweilen der realen Welt entrückt.“
  • “Korte hat beobachtet, daß Jugendliche die Rolle des schwertschwingenden Barbaren oder dunklen Priesters finsterer Mächte auch nach Spielende nachäffen und dem durch kriegerische Kleidung Ausdruck verleihen.”
  • “Nach fünf bis sechs Stunden Mord und Totschlag hört für den Pädagogen aber der Spaß auf. ‘Das sind keine Themen, mit denen man spielerisch umgehen kann’, sagt er.”
  • „Und wenn vierzigjährige Erwachsene mit Würfeln meucheln, dann ist seiner Meinung nach eine ‘infantile Phase der Regression‘ erreicht.“

Und dann kommt noch ein Experte zu Wort, die Pressesprecherin eines Spieleverlags, der eben nicht das erfolgreichste deutsche Pen&Paper-Rollenspiel veröffentlicht hatte. Die Sprecherin sagt zu DSA, “pädagogischer Anspruch” könne “dahinter jedenfalls nicht stecken”. Dann wird ihr Verlag noch im Artikelschluss gelobt: “Der Branchenriese kontrolliert unter Verzicht auf ‘gewaltverherrlichendes Kriegsspiel‘ 30 Prozent des deutschen Spielemarktes.”

Ein Meuchelmord mit Würfeln, in: Süddeutsche Zeitung, 10.04.1992

Blog

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
Immer gut: Newsletter abonnieren


auch interessant

Kreisschlüssel und NUTS-3-Codes für alle deutschen Landkreise und kreisfreien Städte

Der Gleichwertigkeitsbericht der Bundesregierung 2024 ist ein echter Datenschatz: Indikatoren für alle 400 Kreise und Städte in Deutschland und dazu noch repräsentative Umfrageergebnisse ebenfalls kreisscharf aufgeschlüsselt. Leider ist die grafische Aufarbeitung auf Grafiken in einem PDF beschränkt. Da sind die Kommunen deutschlandweit so klein aufgelöst, dass man wenig vergleichen und

Kreisschlüssel und NUTS-3-Codes für alle deutschen Landkreise und kreisfreien Städte

Wenn Gott geht, bleibt das Geld

These: Die verbreitete und emotionale Ablehnung von Erbschaftssteuern hängt damit zusammen, dass es a) das Tabuthema Endlichkeit und Tod trifft und b) in der Makroperspektive mangels Glauben und Religiosität für viele eine befriedigende Antwort auf das danach fehlt.  Deshalb ist das Vererben der Weg zur Unsterblichkeit. Wer keinen Bezug zu

Wenn Gott geht, bleibt das Geld

Fun Facts: Vermeer, Jira, Rubens

Vermeer verkaufte die meisten Bilder an seine Nachbarn Klar, das Mädchen mit dem Perlenohrring! Hier etwas unnützes, weniger verbreitetes Wissen: Johannes Vermeer hat zeitlebens vielleicht 50 Bilder gemalt, 37 davon sind bis heute erhalten und 21 Gemälde hat er an seine Nachbarn in Delft verkauft, an Maria Simonsdr de Knuijt

Fun Facts: Vermeer, Jira, Rubens