Poffallion-Lehre: Medien brauchen transparente Qualitäts-Versprechen
Natürlich kann man sich als Journalist ärgern, dass Menschen Medien misstrauen und selbst auf eine Mediensatire der Postillion hereinfallen. Aber es wäre falsch und gefährlich, wenn Journalisten das Medienmisstrauen in dem Fall als Problem von ein paar leichtgläubigen Kritikern sehen und nicht als ein Imageproblem journalistischer Produkte. Denn das zeigt die Reaktion einiger Kritiker zweifelsohne: Sie vertrauen eher eine Satireseite und Tweets als Massenmedien.
Das ist beunruhigend.
Natürlich, man kann das nicht verallgemeinern, man kann es nicht quantifizieren. Kein Medienmacher hat eine verlässliche Marktforschung dazu, wie sehr die Kunden eigentlich dem journalistischen Produkt vertrauen. Eigentlich haben Journalisten überhaupt keine gesicherten Erkenntnisse, warum Menschen ihre Produkte nutzen. Die Aufmerksamkeitsintensität wird quantifiziert, warum sie steigt oder fällt aber nicht. Was ist den Lesern wichtig? Was schätzen sie? Aus diesem Zustand kann man aber nicht ableiten: Die Mehrheit ist mit allem überaus zufrieden, auf Twitter äußern sich nur ein paar extreme Meinungen. Das könnte sein, aber statistische Belege dafür gibt es nicht.
Ich weiß nur aus viele Gesprächen mit Leuten, die nicht in der Medienbranche sind, aber täglich Zeitungen und Nachrichtenseiten lesen: Viele vertrauen insgesamt der Qualität, äußern aber zugleich das vage Gefühl, dass viel übertrieben oder einseitig beschrieben wird. Wenn ich genauer nachfrage, merke ich, dass die meisten Kunden nichts darüber wissen, wie Journalisten arbeiten, was sie für Qualitätsmaßstäbe und Regeln haben. Trennung von Anzeigenabteilung und Redaktion? Nicht von Firmen einladen lassen? Keine Aktien von Firmen besitzen, über die man schreibt? Zwei Quellen? Nachrichtenagenturen nur als Rohstoff? Unterschied zwischen Nachrichtenagentur und Autorentext? Konfrontation der Gegenseite in jedem Fall? Vier-Augen-Prinzip? Kontextualisierung? Immer Transparent korrigieren? Nicht auf Hörensagen verlassen? Quellenschutz? Wenn ich auf pauschale Kritik reagiere, indem ich konkret beschreibe, wie ich entscheide, was ich nicht mache, was ich anzweifle und so weiter, wird die Unterhaltung immer sachlicher. Ach so machst du das! Ich habe nur gedacht, so ganz allgemein….
Zurück zur Poffallion-Lehre: Ja, Journalismus hat sicher in Fällen auch ein Qualitätsproblem. Aber es gibt viel großartige, saubere Arbeit. Ein Problem sehe ich darin, dass die Qualitätskriterien, nach denen diese Arbeit gemacht wird, nicht transparent sind.
Es gibt kein transparentes Qualitätsversprechen a la: So arbeiten wir, messt uns daran liebe Kunden!
Ich denke: Deshalb ist die Medienkritik oft so pauschal, das Misstrauen so diffus gegen alle und alles gerichtet. Gäbe es Qualitätsversprechen, würde die Kritik konkreter, die Kritiker könnten die Berichterstattung an etwas messen.
Kaum ein Leser weiß, was Agenturen, was das Vier-Augen- und das Zwei-Quellen-Prinzip ist, warum manchmal nur Kreise zitiert werden, wie Journalisten verhindern, da instrumentalisiert werden, was Konfrontation bedeutet, was wir uns alles nicht bezahlen lassen, wie wir transparent korrigieren usw.
Das ist kein Versäumnis der Leser, sondern eins der Medien.
Was tun? Journalisten müssen damit werben, was im Detail die Qualität ihrer Arbeit ausmacht:
- Es muss klare Kriterien geben, an denen die Kunden das Produkt messen können. Ein erster Schritt wären öffentliche Ethikstandards, wie sie zum Beispiel The Verge den Lesern präsentiert.
- Unter jedem Text von einer Presseveranstaltung muss stehen: Die Reise haben wir selbst bezahlt, wir nehmen keine Geschenke an.
- Quellen klar benennen, verlinken, Recherchen transparent machen und wenn es mehrere Versionen einer Geschichte und mehrere mögliche Erklärungen für eine Entwicklung gibt, klar hinschreiben: Ich weiß es nicht genau. Aber ich halte aus diesen und jenen Gründen X für plausibel, problematisch und so weiter.
- Wenn man Quellen nicht namentlich zitieren kann, hinschreiben warum das nicht geht.
- Fehler transparent korrigieren.
Das kann man redaktionelles Marketing, Transparenz oder Qualitätsjournalismus nennen. Oder: Den Kontext schaffen, von dem Thomas Knüwer schreibt.