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Warum mich der Begriff Steuersünder stört

Konrad Lischka
Konrad Lischka
1 minuten gelesen
Warum mich der Begriff Steuersünder stört

Steuersünder, Steuerbeichte – ich habe seit Wochen ein schlechtes Gefühl, wenn ich solche Begriffe lese. Sünde und Beichte sind religiöse Begriffe, sie sind moralisch aufgeladen. Warum stört mich das in der Debatte über Steuerdelikte so sehr? Ein Kollege hat mich heute darauf gebracht: Er ist verstört über den moralischen Rigorismus in der Debatte. Ein Mensch, der Steuern hinterzieht, ist für alle ein schlechter Mensch, absolut schlecht, absolut verdammenswert, schlimmschlimmschlimm, böseböseböse. Der Kollege zog diesen Vergleich: In den 50ern war ein solche Verdammung Drogenkonsumenten oder von der sexuellen Norm abweichenden Menschen sicher, heute gibt es solche eindeutige, einhellige Empörung eben bei Steuerdelikten. 

Das ist schlecht. Ich finde es auch schlecht, wenn Menschen steuern hinterziehen, aber ich glaube, dass ein Verdammen der Sache nicht dienlich ist. Das geschieht aus einem Affekt heraus, ähnlich wie das Geschimpfe über den Staat, angeblich überbezahlte faule  Beamte und so weiter. Ich bin mir sicher, dass dieselben Menschen, die voller Wut über Steuerhinterzieher schimpfen ein paar Minuten später über Staatsdiener herziehen.

Diese Emotionen schaden der Sache. Dieser Sache: Es ist sinnvoll, dass alle Menschen Steuern zahlen, aus ganz rationalen Gründen. Nur so können wir für alle Bürger die größtmögliche Freiheit erreichen. Ich zahle gerne Steuern, denn die Dienste, die ich damit finanziere, sind mir eine Menge wert. Ich muss in Deutschland auf dem Amt niemanden schmieren, ich kann mich auf Gerichte verlassen, ich habe einen funktionierenden ÖPVN und gute Umwelt-Regulierung. Diese Güter kann nur eine Gemeinschaft zahlen, durch kollektive Abgabe. So ein funktionierendes Gemeinwesen kann man nicht durch Einzelzahlung für Dienstleistungen allein finanzieren. Dann hätten wir letztlich Kaufjustiz.

Deshalb regt mich es auf, wenn Leute diese Infrastruktur nutzen, sie aber schwächen und auch noch über DEN STAAT schimpfen. Das ist dumm und unterkomplex. Ich bin für größtmögliche Freiheit für jeden Einzelnen, aber die gibt es auf einem bestimmten Niveau paradoxerweise eben nur, wenn es Zwangsabgaben für alle gibt. In Nigeria oder Russland ist die persönliche Freiheit vieler Menschen weit geringer, allerdings die einiger weniger weit höher. So eine Gesellschaft will ich nicht, die Mehrheit will sie nicht und deshalb ist es rational, Steuern zu zahlen. Kategorien wie Sünde haben damit nichts zu tun.

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Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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