Das Dilemma beim bezahlbaren Wohnraum: 2,5 Mrd. Subventionen für Neubau, 20 Mrd. für hohe Mieten
Ein paar Zahlen zum Wohnungsmarkt in Deutschland:
- In Deutschland fehlen derzeit 910.000 Sozialwohnungen (Wohnungsmarkt-Studie vom Pestel-Institut S. 29)
- In Deutschland lag die Quote von Baugenehmigungen für Wohngebäude Anfang 2023 bei rund 70 % der Genehmigungen in 2015 (Eurostat via FT)
- Für 2024 rechnet der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes ZDB mit einem Umsatzminus im von -13% nach -11% in 2023. In 2024 erwartet der ZDB 30.000 weniger Beschäftigte in der Baubranche (ZDB)
- Steigende Mieten als Folge der Knappheit: Die Mieten sind so stark gestiegen, dass in 2023 der Staat für Wohngeld und reine Unterkunftskosten mehr als 20 Mrd. Euro bezahlen wird (Wohnungsmarkt-Studie des Pestel-Instituts S. 31). Zum Vergleich: Für die öffentliche Förderung sozialen Wohnungsbaus (sprich: dafür, dass es mehr Wohnungen gibt), stellte der Bund 2023 nur 2,5 Mrd. Euro bereit, 2024 3 Mrd. Euro (BMWSB)
- Sanierungsbedarf: 60% der Wohngebäude in Deutschland sind vor 1979 gebaut worden, also bevor die 1. Wärmeschutzverordnung galt. Das sind 11,6 Millionen Gebäude, die allermeisten gewiss mit erheblichem energetischen Sanierungsbedarf. (Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. S. 10)
- Die Bauwerkskosten im Wohnungsneubau liegen im Q3 2022 um 247 % über dem Basisjahr 2000. Wesentliche Gründe: "höhere Anforderungen und bei Energieeffizienz und Barrierefreiheit sowie den sich veränderten Qualitätsansprüchen im Wohnungsbau" (Wohnungsmarkt-Studie vom Pestel-Institut S. 24).
Und ein paar Gedanken dazu:
- In Deutschland fehlen Hunderttausende Wohnungen und es braucht massiv energetische Sanierung im Bestand. Statt mehr zu tun, tun wir weniger. Es droht sogar ein Kahlschlag der Infrastruktur im Bau.
- Ein Grund für diesen Kahlschlag sind die von der EZB angehobenen Kapitalmarktzinsen: "Zinsänderungen bewirken dabei zweierlei: Erstens führen sie zu Veränderungen des Kalkulationszinses am Investmentmarkt, zweitens zu Veränderungen der Fremdfinanzierungskosten am Bauleistungsmarkt. Beide Effekte wirken in dieselbe Richtung: steigende Zinsen dämpfen die Bauaktivität, sinkende Zinsen stützen sie." (Wirtschaftsdienst)
- Die hohen Zinsen sollten angeblich den Preisschock bei Gas, Dünger, Strom und Folgeprodukten mildern. Taten sie aber nur marginal, weil man nicht beliebig auf Essen, Heizen, Strom und Industrieproduktion verzichten kann. Klar, die Industrieproduktion ist runter und damit auch der Gasverbraucht, etwas 10%. Der Zinsschritt hat aber nicht die Energiepreise gesenkt oder Investitionen in andere Technologien gefördert, sondern einfach Produktion in Deutschlands Industrie gestoppt.
- Hohe Zinsen machen privatwirtschaftliche Investitionen unwahrscheinlicher, die uns unabhängiger von Preisschocks bei Energie machen würden. Hohe Kapitalmarktzinsen generieren risikoloses Einkommen aus Kapital. Dagegen muss jede Investition ankommen. Für mehr Risiko höhere Zinsen als 4% bringen. Hohe Zinsen machen Banken und Hochvermögende risikolos reicher.
- Der Bauboom der Jahre vor 2022 hat ja nun auch nicht dazu geführt, dass es mehr bezahlbare Wohnungen gibt. Für dieses Problem sind niedrige Zinsen keine Lösung. Aber es kann mehrere zugleich richtig sein: Niederknüppeln der Bauwirtschaft durch die Zinsschritte verschärft das Problem.
Lösungen!
Natürlich könnte öffentliche Nachfrage heute die wegbrechende private Nachfrage ausgleichen. Das würde einen Schweinezyklus in der Bauwirtschaft verhindern, die Bauinfrastruktur erhaltenen und klug gelöst bezahlbaren Wohnraums schaffen. Ideen gibt es.
Hier einige Vorschläge des Hans-Böckler-Instituts:
- "Ein Bodenfonds kann die Kommunen dabei unterstützen, das öffentliche Eigentum an Grund und Boden auszuweiten."
- "Ein Beteiligungsfonds kann sich als Minderheitsgesellschafter an öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften beteiligen und so deren Eigenkapitalbasis stärken."
- "Eine Aufstockung und Ausweitung von KfW-Programmen kann sozial orientierten Wohnungsbauunternehmen helfen, die durch steigende Zinsen verursachten Kosten abzufedern."
Und hier konkrete Vorschläge des Verbändebündnisses Soziales Wohnen:
- "Vorziehen der geplanten Mittel für den sozialen Wohnungsbau von 2026/2027 auf die Jahre 2024/2025." Denn die Preise und der Mangel sind jetzt hoch.
- "Mehrwertsteuer rund auf 7 Prozent für den Neubau von
Sozialwohnungen" - "Einführung der neuen Wohngemeinnützigkeit"
- "50 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau, abgesichert im Grundgesetz."