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40 Jahre Intel 4004: Fast wäre es nur ein Rechenmaschinchen geworden (Spiegel Online, 15.11.2011)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
3 minuten gelesen

40 Jahre Intel 4004

Fast wäre es nur ein Rechenmaschinchen geworden

Intel war eine kleine Firma, als Japaner 1969 Spezialchips für elektronische Rechenmaschinen und Registerkassen bestellten. Die Intel-Ingenieure hatten größere Pläne: Sie entwickelten einen universellen Chip, der auch in Tischrechner passte – den ersten Mikroprozessor aus Serienproduktion.

SPIEGEL ONLINE, 15.11.2011

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“Wir verkünden eine neue Ära in der integrierten Elektronik” – die Intel-Werbeabteilung wählte die ganz großen Worte für die Anzeige, die 1971 im Fachmagazin “Electronic News” erschien. Rückblickend muss man sagen: Das war kein bisschen großspurig. Das beworbene Produkt, Intels Mikrochip 4004, war der erste in Serie gefertigte Mikroprozessor mit allen Bauteilen auf einem Chip.

Der 4004 war der erste Prozessor einer Art, für die Intel und einige andere Firmen einen Weltmarkt schufen. Einen großen Teil dieses Markts bedient Intel nun seit Jahrzehnten.

Dabei ging es bei der Entwicklung des Intel 4004 gar nicht darum, einen vielseitigen Mikroprozessor zu schaffen. Eigentlich sollten die Ingenieure nur einen Prozessor für ein Rechenmaschinchen entwerfen, einen etwas größeren Taschenrechner. Einen der ersten Rechner dieser Art mit einem Intel 4004 kann man im Computer History Museum in Mountain View sehen (oder auf der Website des Einrichtung): Der 1971 konstruierte Prototyp des ” Busicom 141-PF” sieht so gar nicht nach der ersten Wirkungsstätte eines Mikroprozessors aus Serienproduktion aus.

Spezial-Chips für Geldautomaten und Registerkassen

Die an der Entwicklung des Intel 4004 beteiligten Ingenieure Federico Faggin, Marcian E. Hoff, Stanley Mazor und Masatoshi Sbima haben die Entstehungsgeschichte ihres Mikroprozessors 1996 in einem Aufsatz für das Fachmagazin “IEEE Micro” aufgeschrieben. Eigentlich, so schreiben sie, sollte das damals kleine, 1968 gegründete Unternehmen Intel für zwei japanische Firmen eine Reihe von Rechenmaschinen-Chips entwickeln. Der Auftrag kam im Frühjahr 1969. Die japanischen Unternehmen Electro-Technical Industries und Nippon Calculating Machines vertrieben unter dem Markennamen Busicom Tischrechner, sie wollten die Intel-Chips aber auch in Geldautomaten und Registerkassen verbauen.

Bei Intel war Ingenieur Marcian Hoff – der zwölfte Intel-Mitarbeiter überhaupt – für die Arbeit mit den japanischen Ingenieuren verantwortlich. Hoff hatte damals eine für dieses Projekt ungewöhnliche Idee, er wollte, wie er in dem Erinnerungsaufsatz schreibt, einen “universell einsetzbaren Rechnern bauen, der auch programmiert werden kann, die Funktionen einer Rechenmaschine zu erfüllen.”

“Wir wollten einen Computer auf einem Chip bauen.”

Hoff beschrieb die Idee in einem Interview mit Stanford-Historikern so: “Wir wollten einen Computer auf einem Chip bauen.” Sprich: alle Elemente sollten auf einem Chip vereint sein, der nicht speziell auf einen einzigen Einsatzzweck zugeschnitten sein sollte.

Die Ingenieure der japanischen Auftraggeber stimmten im Oktober 1969 diesem Ansatz zu und so kam es, dass die Intel-Entwickler nicht mehr an Bauteilen für ein Rechenmaschinchen, sondern am ersten Mikroprozessor aus Serienproduktion arbeiteten.

Für das Chip-Design war der aus Italien stammende Physiker Federico Faggin verantwortlich. Er hatte in Italien für Olivetti Rechenmaschinen entworfen, wanderte 1968 aus, um für die US-Firma Fairchild Semiconductor zu arbeiten, im April 1970 fing er bei Intel an und arbeitete viele Nächte durch, um das Design des 4004 rechtzeitig zu vollenden.

2300 Transistoren auf einem fingernagelgroßen Chip

Im Dezember 1970 kamen die ersten Halbleiterscheiben des 4004 bei Faggin an – wegen eines Fertigungsfehlers waren sie völlig unbrauchbar. Im Januar 1971 hatte Faggin den ersten funktionierenden Intel 4004 Mikroprozessor im Labor. Der war etwas größer als ein Fingernagel, er enthielt 2300 Transistoren und war so leistungsfähig wie die ersten elektronischen Rechenmaschinen aus den vierziger Jahren, die damals ganze Räume ausfüllten. Zum Vergleich: Intels 2010 verkaufte i5-Prozessoren enthalten mehr als 500 Millionen Transistoren.

Als der Intel 4004 1971 auf den Markt kam, hatte Intel sich in Verhandlungen mit den japanischen Auftraggebern das Recht ausbedungen, den Mikroprozessor auch anderen Kunden anbieten zu dürfen, nur in Rechenmaschinen, die mit Busicom konkurrierten, durfte er nicht verbaut werden. Die Schöpfer und erst Recht die Intel-Marketingabteilung dachten damals nicht, dass es für Mikroprozessoren je einen Massenmarkt geben würde, wie ihn wenig später die Heimrechner schufen. Die Mikroprozessor-Väter Hoff, Faggin und Mazor rechneten eher damit, dass ihre Entwicklung vor allem in Industrie-Steueranlagen zum Einsatz kommen würde.

Ob ihnen damals bewusst war, dass sie Geschichte schrieben, fragte ein Stanford-Historiker den Prozessorschöpfer Hoff einmal. Nein, eigentlich nicht, antwortete er. “Aber wir hatten das Gefühl, dass es wichtig war. Uns war klar, dass es sehr vieles vereinfachen würde, wenn solche Chips verfügbar sind.”

In der Tat.

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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