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Abogebühren für SOKO 5113 zahlen? (Abendzeitung, 13.11.2000)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
3 minuten gelesen

Abogebühren für SOKO 5113 zahlen?

Der Abo-Sender Premiere World hat zu wenig Kunden. Jetzt sinken die Preise – aber vor allem muss das Programm besser werden.

Abendzeitung, 13.11.2000

Im Mai sagte Premiere World Geschäftführer Markus Tellenbach: 2,2 Millionen Kunden haben wir, 2,9 werden es durch neue Spartenkanäle bis Jahresende sein. Im Juli waren es immer noch 2,2 Millionen, aber dank der Bundesliga sollten es im Dezember 2,9 Millionen werden. Jetzt ist Tellenbach seinen Job zum Jahresende los und es sind immer noch schlappe 2,2 Millionen Kunden. Offizielle Prognosen zum Jahresende macht Leo Kirchs Abofernsehen nicht mehr – dafür Preissenkungen und Programmoffensive.

Ab dem 15. November gibt es zwei Weihnachtsangebote: Zum einen ein halbes Jahr das Superworld-Paket (Filme, Kindersendungen, Sport, Serien) inklusive des Empfangsgeräts d-Box für 555 Mark. Zum anderen für 444 Mark den Decoder mit einem halben Jahr Sportfernsehen. Bisher musste die d-Box bei ähnlichen Paketen zusätzlich angemietet oder für mindestens 400 DM gekauft werden. Ein Werbekampagne mit zweistelligem Millionenetat flankiert die Offensive.

Mit den neuen Paketen geht der Sender eins seiner Grundprobleme – im Ansatz – an: Die Abrechnung. Zuschauer wollen offenbar nicht 39,90 Mark im Monat für die Movie World zahlen, auch keine 54,90 für Gala (Schlager und Heimatfilme), Family, Sports und Movie World zusammen, wenn in jedem Fall noch allmonatlich 14,90 Mark Decodermiete, 150 Mark Decoderkaution und 29,90 Mark Freischaltgebühr dazukommen. Abgesehen davon kosten bestimmte Filme noch mal sechs Mark extra.

Offenbar versprechen sich die Fernsehmacher ein Weihnachtswunder. Laut Focus haben sie 500.000 fabrikneue d-boxen von Nokia und 600000 von Sagem bestellt.. Aber kann man sich über dieses Gerät unterm Weihnachtsbaum wirklich freuen? Kritiker halten die d-box für zu kompliziert, zu störanfällig und zu teuer – schlicht „Industrieschrott“, wie es 1999 der Vizechef der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation zusammenfasste. Nun plant man bei Kirch aber offenbar ein neues, einfacheres Modell. Damit wäre das zweite Premiere-Problem angegangen.

Bleibt noch das Programm. Hier will Premiere World in Zukunft selbst Sendungen zu Veranstaltungen wie dem Filmfestival Berlinale oder der Verleihung der amerikanischen „Golden Globe“ Film- und Fernsehpreise produzieren. Für Cineasten ist das Programm jetzt schon interessant. An einem normalen Werktag sind etwa Prêt-à-Porter, Der letzte Tango in Paris und Lulu on the Bridge zu sehen.

Aber Cineasten sind eine Minderheit. Um die Grundbedürfnisse der Mehrheit kümmern sich in Deutschland gut 30 frei empfangbare Sender. Mit jahrzehntealten Serien wie SOKO 5113 lockt Premiere World da nur wenig Zuschauer. Anderes Beispiel: Das neue Angebot für Kinder Fox Kids. Warum sollen Eltern 19,90 Mark zusätzlich dafür ausgeben? Der Kinderkanal bietet kostenlos die Teletubbies, ARD die Maus, RTL 2 Pokémon, Pro Sieben die Simpsons. Hier fällt auf, dass Kirch sich selbst Konkurrenz macht: Simpsons und Futurama sind nun mal auf Pro Sieben zu sehen, weil irgendwo Gewinne mit Werbegeldern erwirtschaftet werde müssen, um die Investitionen ins Bezahlfernsehen zu decken.

Bei Spielfilmen sieht es ähnlich aus. Natürlich hat Kirch einen Haufen hochkarätiger Filme gehortet. Aber vom Horten wird man ebenso wenig reich wie durchs Versenden im Premiere World Angebot, wo zu wenige dafür zahlen. Deshalb hat man vieles aus der Movie World schon bei einem von Kirchs Kunden, oder gar einem von Kirchs Sendern gesehen. Auch die Fußball-Bundesliga gehört nicht Premiere World allein. Kirch-Kreuzer Sat 1 muss weiter Quoten mit „ran“, das ZDF hat die Zusammenfassung des Samstagabendspiels gekauft, die Champions League ist mittwochs zwecks Refinanzierung ganz bei RTL gelandet.

Will Kirch erfolgreich sein, muss er ein besseres Programm bieten. Den Zuschauer kann das nur freuen. Schon jetzt zahlen Briten für ein Sportpaket mit Fußball bei ihrem Abosender BSkyB doppelt so viel wie der Zuschauer hierzulande. Dennoch ist BSkyB durch das Angebot auf satte sechs Millionen Abonnenten gekommen. Allerdings gibt es in Großbritannien nur fünf ernstzunehmende kostenlose Fernsehsender.

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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