Amazons E-Book-Reader: UMTS-Kindle geht gratis ins Büchernetz (Spiegel Online, 7.10.2009, mit Matthias Kremp)
Amazons E-Book-Reader
UMTS-Kindle geht gratis ins Büchernetz
Für 297 Euro können deutsche Kunden den E-Reader Kindle erstehen – eine weltweite UMTS-Flatrate für den Download von E-Books und Digitalzeitungen inklusive. Dank des Wechselkurses kosten US-Bestseller deutsche Kunden weniger als zehn Euro, ein Monat “International Herald Tribune” 13 Euro.
Spiegel Online, 7.10.2009, mit Matthias Kremp
Nichts zu lesen im Zug? Die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” kommt nicht ins Fischerdorf auf Korsika? Und die “New York Times” schon gar nicht? Internetversandhändler Amazon macht Menschen mit solchen Lesebedürfnissen ein Angebot: Der E-Reader Kindle ist jetzt in 100 Staaten erhältlich. Wichtiges Detail des Angebots: In dieser internationalen Version des E-Reader ist ein UMTS-Modul verbaut. Und die Datenübertragung von Amazons Servern ist im Gerätepreis enthalten. Sprich: Man kann mit dem Gerät in 100 Staaten fast überall kostenlos E-Books und digitale Ausgaben von Zeitungen einkaufen und herunterladen.
Der Preis für das Gerät schlägt die Konkurrenzgeräte von Sony bei weitem. Der von Nachrichtenagenturen verbreitete Preis von 190 Euro trügt allerdings etwas: Den UMTS-Kindle kann man auch in Deutschland nur über Amazons US-Online-Shop bestellen. Deshalb muss der Käufer Versandkosten und Einfuhrumsatzsteuer zahlen. Aber auch mit diesen zusätzlichen Gebühren ist der Preis vergleichweise niedrig. Bei einer Testbestellung von SPIEGEL ONLINE kamen zum Gerätepreis von 280 Dollar (nach dem Umrechnungskurs vom 7. Oktober 190 Euro) diese Gebühren hinzu:
- 22,77 Euro / 33,47 US-Dollar Versandkostenpauschale
- 38,78 Euro / 57 US-Dollar Import Fees Deposit
Macht zusammen 251 Euro. Wobei die Käufer bei Eintreffen der Ware noch einmal Einfuhrumsatzsteuer zahlen müssen. Amazon-Sprecherin Christine Höger bestätigt SPIEGEL ONLINE, dass diese Steuer von 19 Prozent nicht im Import Fees Deposit enthalten ist. Sprich: Letzten Endes dürfte der UMTS-Kindle deutsche Kunden um die 300 Euro kosten. Vom 19. Oktober an sollen die Geräte aus den Vereinigten Staaten verschickt werden.
Warum Amazon das Gerät aus den Vereinigten Staaten verschickt, ist nicht ganz klar. Amazon-Sprecherin Christine Höger erklärt SPIEGEL ONLINE: “Das ist derzeit der schnellste Weg, den Kindle zu unseren Kunden zu bekommen.” Die US-Niederlassung von Amazon gibt eine einjährige Herstellergarantie auf das Gerät. Amazon-Sprecherin Höger: “Kunden sollten den Kundenservice im Garantiefall kontaktieren, dort informieren wir über Reparaturoptionen und Details zum Austausch.”
Geht etwas kaputt, muss man den defekten Kindle in die Vereinigten Staaten schicken, was die Abwicklung ein wenig verlangsamen dürfte.
Die Hardware des UMTS-Kindle ist bis auf die Mobilfunk-Extras identisch mit dem Kindle 2. Nicht mal einen Zentimeter dick ist der E-Book-Reader und bringt fast 300 Gramm auf die Waage. Superflach, strahlend weiß und mit einer Rückseite aus gebürstetem Metall. Das Display hat eine Auflösung von 800 x 600 Bildpunkten und stellt Texte und Grafiken in 16 Graustufen dar. Davon profitieren nicht nur Bilder, die so detailreicher abgebildet werden können, sondern auch Texte, deren Ränder schärfer gezeichnet werden sollen.
Ein großer Verlag fehlt noch
Dass die Anzeigequalität von Texten weit besser ist als auf herkömmlichen LCD-Bildschirmen, steht außer Frage. Wie alle E-Book-Reader nutzt das Kindle 2 ein e-Ink-Display, also sogenannte elektronische Tinte, die es schafft, ein Bild vollkommen flackerfrei, eben wie auf Papier, darzustellen.
Der Speicher ist mit zwei Gigabyte ausgestattet, soll darin etwa 1500 digitale Bücher ablegen können. Nachteil: Der UMTS-Kindle hat keinen Speicherkarten-Steckplatz, um die Kapazität zu erweitern.
Das Angebot an E-Books und Digitalzeitungen ist für internationale Kunden etwas kleiner als für US-Bürger: Ein Angebot von 250.000 englischsprachigen Büchern verspricht Amazon. Ein großer Verlag fehlt laut “New York Times”: Das zu Bertelsmann gehörende Verlagskonglomerat Random House bietet derzeit keine Kindle-Versionen seiner Bücher an. Auch Bestseller wie Dan Browns neuer Roman “The Lost Symbol” sind für Kunden in Europa nicht erhältlich, während US-Kunden den Titel für 9,99 US-Dollar kaufen können.
Die Verlage sind augenscheinlich fest entschlossen, eine globalisierte Welt weiterhin in Territorien einzuteilen, in denen je nach Vertragsabschlüssen zum Teil erst Monate später dieselben Werke legal erworben werden dürfen wie im Rest der Welt.
Der Dollar macht das Lesen billig
Die in Amazons Digitalbuch-Laden verkauften Werke werden in US-Dollar abgerechnet. Davon profitieren gerade europäische Kunden derzeit, weil nach aktuellem Wechselkurs der US-Dollar in Euro recht billig ist. Ungerechnet kosten englischsprachige Bestseller (11,99 US-Dollar bis 13,99 US-Dollar) deutsche Kunden weniger als zehn Euro. Für ein Monatsabo der “New York Times” zahlen deutsche Kindle-Kunden umgerechnet knapp 20 Euro, für die “International Herald Tribune” 13 Euro – die komplette Digitalausgabe bekommen Abonnenten täglich aktuell kostenlos auf den Kindle.
In etwa zeitgleich mit dem Kindle wird Sony seinen neuen E-Book-Reader PRS-600 Touch Edition auf dem deutschen Markt einführen. Maße, Gewicht und Bildschirmtechnik stimmen weitgehend mit dem Kindle überein. Allerdings ist der Speicher des Sony-Modells mit 512 MB deutlich kleiner als der 2-GB-Speicher des Kindle. Dafür lässt sich das Sony-Gerät mit SD-Karte oder Memorystick auf bis zu 16 GB aufrüsten.
Der Sony will sich anfassen lassen
Der wichtigste Unterschied des PRS-600 zum Kindle ist aber sein Touchscreen. Das Gerät lässt sich weitgehend mit Fingergesten steuern. Sony möchte das Gerät mit dieser Technik beispielsweise Studenten und Wissenschaftlern schmackhaft machen, die Literatur noch während des Lesens mit Anmerkungen, Notizen und Verweisen versehen können. Alle derart erstellten Texte können mit Sonys PC-Software auf den Computer übertragen und dort weiter bearbeitet werden. Der Touchscreen hat allerdings auch einen störenden Nebeneffekt: er verringert den Kontrast des Bildschirms.
Im Gegensatz zum Kindle fehlt Sonys Lesegeräten zudem eine Netzanbindung. Die beiden in Deutschland verfügbaren Modelle lassen sich nur über eine Verbindung zu einem PC oder Mac mit neuem Lesestoff befüllen. Dafür sind die Sonys hier nicht sonderlich wählerisch, kommen mit einer Vielzahl unterschiedlicher Text- und Dateiformate zurecht. Vor allem beherrschen Sonys Reader das PDF-Format, in dem heutzutage oftmals Handbücher für elektronische Geräte ausgeliefert werden. Außerdem können sie eBooks im Epub-Format anzeigen, einem Format, in dem bereits jetzt ein recht großes Angebot deutschsprachiger Literatur vorliegt. Um Bücher in diesen Formaten auf den Kindle zu bringen, müsste man sie zunächst mit Konvertierprogrammen in Kindle-konforme Formate überführen.
Einen Reader, der Bücher, Zeitungen und Zeitschriften ebenso wie der Kindle via Mobilfunknetz laden kann, hat Sony ebenfalls bereits vorgestellt, das Modell PRS-900 Daily Edition. Den allerdings will das Unternehmen ausschließlich auf dem US-Markt anbieten. Pläne, das UMTS-Modell in Europa auf den Markt zu bringen, gibt es bisher nicht. Das könnte sich mit Amazons Eintritt in den europäischen eBook-Markt allerdings ändern.
Klar ist: Mit seinem Angebot bringt Amazon die Konkurrenz unter Druck. Mit Kosten von rund 300 Euro liegt der internationale Kindle in etwa gleichauf mit Sonys derzeitigem Top-Modell, bringt dafür aber eine UMTS-Anbindung mit. Der von Sony als Einstiegsvariante positionierte PRS-505 dagegen kann hier gar nicht mehr mithalten, hat weder eine Netzanbindung noch einen Touchscreen.
Allerdings dürfte es zum Weihnachtsgeschäft noch einige weitere Neuzugänge im Markt für E-Book-Lesegeräte geben. So hat etwa der für seine MP3-Player bekannte Hersteller iRiver gerade den E-Book-Reader iRiver Story angekündigt, der für 299 Euro in den Handel kommen soll. Er hat wie der Kindle zwei GB Speicher eingebaut, soll auf 34 GB erweiterbar sein, beherrscht wie die Sonys Dateiformate wie Epub und PDF. Seine Besonderheit: Er hat ein Mikrofon für Sprachaufnahmen eingebaut.
Noch ein Phonetik-Tipp für alle, die ihren Freunden vom Kindle erzählen wollen: Laut Amazon spricht man den Produktnamen “Kindl” aus, nicht “Keindel”.