Zum Inhalt springen

Android-Abrechnung: Hey Google, antreten zum Nachsitzen! (Spiegel Online, 7.2.2012)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
3 minuten gelesen

Android-Abrechnung

Hey Google, antreten zum Nachsitzen!

Googles Android-Geräte machen Apple Konkurrenz – so weit, so gut. Doch der Alltag mit dem Google-System ist nur was für Fortgeschrittene: Um eine deutsche Tastatur zu nutzen, muss man Systemdateien umschreiben, um das Betriebssystem zu aktualisieren, das Telefon knacken. Das nervt.

Spiegel Online, 7.02.2012

{jumi [*3]

Es stimmt ja alles: Konkurrenz für Apple bei Tablets und Smartphones ist wichtig, Googles Android-System ist (ein wenig) freier als Apples iOS, und inzwischen haben einige Android-Geräte ja sogar Funktionen, die dem iPhone fehlen. Weil das alles so ist, versuche ich seit einem halben Jahr, nur mit Android-Geräten auszukommen. Zwischenfazit: Android nervt.

Google und seine Hardware-Partner liefern unausgegorene Geräte mit ärgerlichen Fehlfunktionen aus. Viele der kleinen Mängel lassen sich auf drei große Konstruktionsfehler des Android-Vertriebssystems zurückführen.

1. Google wälzt zu viel Arbeit ab

Ich würde zum Beispiel gerne auf einer Bluetooth-Tastatur Texte in mein Android-Tablet tippen wie die Kollegen unterwegs an ihren iPads. Mein Android-Tablet (HTC Flyer) erkennt die Tastatur, allerdings versteht es Y, wenn ich Z eingebe. Eine Recherche in Android-Foren ergibt, dass dieses Problem bei vielen Modellen auftritt: Google hat anscheinend nicht vorgesehen, dass Menschen in Norwegen, Deutschland, Polen und all den anderen Staaten ungern mit US-Tastaturen tippen. Es gibt Android-Tablets, die deutsches Tastaturlayout unterstützen – aber da haben Hardware-Hersteller wie zum Beispiel Asus beim Transformer das Android-System angepasst.

Es gibt auch Apps, die – für zehn Euro – diesen Mangel beheben und Android-Geräte dazu bringen sollen, Tastaturen mit Nicht-US-Layouts zu verstehen. Auf meinem HTC Flyer funktioniert das nicht, andere Kunden machten ähnliche Erfahrungen.

Ein Android-Nutzer mit Tastaturproblem hat diesen Vorschlag: Man könne doch “die Keymap einfach mit einem Hex-Editor öffnen und zeichenweise anpassen”. Hat er auch gemacht (“Dafür habe ich zwischen ein bis zwei Stunden gebraucht – wie schnell man das Zeitgefühl verliert”), aber geholfen hat auch das nicht, er kann immer noch nur im US-Layout tippen.

Es ist schön, dass man bei Android Systemdateien bearbeiten kann. Aber das kann bei einem Mainstream-Betriebssystem nicht die Voraussetzung sein, um externe Tastaturen zu nutzen.

2. Nach zehn Monaten Elektroschrott

Für die Aktualisierung der Android-Systemsoftware sind die Hardware-Hersteller verantwortlich. Sie passen die Google-Software für ihre Geräte an. Im besten Fall dauert das ein paar Monate, im schlechtesten Fall schließen Hersteller ältere Geräte einfach aus. So hat Samsung es mit meinem Galaxy S gemacht: Der Konzern teilte Ende 2011 knapp mit, man werde keine Aktualisierung auf Android 4.0 für das Bestseller-Smartphone (30 Millionen verkaufte Exemplare weltweit) veröffentlichen.

Das ist frech: Als Google die neue Android-Version vorstellte, war das Galaxy S gerade mal zehn Monate im Handel. Das Smartphone war kein Billigmodell – in Deutschland kostete ein Galaxy Samsung ohne Mobilfunkvertrag anfangs etwa 500 Euro. Zehn Monate später deklarierte Samsung mehr als 30 Millionen verkaufte Smartphones pauschal zu Elektroschrott um. Wer ein zeitgemäßes Betriebssystem mit Sicherheitsaktualisierungen will, muss das Telefon knacken oder ein neues kaufen.

Zum Vergleich: Die Ende November 2011 vorgestellte Version 5.0 des Apple-Systems iOS läuft auch auf dem damals knapp zweieinhalb Jahre alten Modell iPhone 3GS.

3. Die Qualitätskontrolle für System-Aktualisierungen versagt

Die Hersteller brauchen oft Monate, um Android für ihre Geräte anzupassen. Manchmal geht es trotzdem schief. Nach der Aktualisierung meines HTC-Tablets auf Android 3.2 ließ es sich nicht mehr ausschalten oder neustarten, es lief einfach weiter und wurde immer wärmer. Der Kundenservice sagte: einschicken! Zum Glück war der Akku völlig leer, bevor ich das Paket abschickte. Nach dem erneuten Aufladen startete das Tablet wieder normal.

Auch bei meinem Samsung-Smartphone machten Systemaktualisierungen Ärger. Nachdem das Galaxy S die neue Android-Version 2.3.3 installiert hat, war der Akku plötzlich jeden Abend leer, manchmal auch schon am Nachmittag, obwohl das Gerät jede Nacht am Ladegerät hing. Vor der Systemaktualisierung hatte ich das Android-Handy in der Regel nur alle zwei Tage aufladen müssen. Ich nutzte das Telefon nicht anders, ich habe nach der Aktualisierung keine neuen Programme installiert – der Fehler muss mit der von Samsung aktualisierten Android-Version gekommen sein.

Weil bei dem Fehler keiner der Tipps aus den Android-Foren half (Neustart, vollständiges Entladen, Taskmanager), verschaffte ich mir Admin-Rechte auf dem Smartphone und installierte eine von Freiwilligen entwickelte Android-Version, die im Netz kostenlos verfügbar ist. Seitdem läuft das Galaxy S mit einer Akkuladung in der Regel zwei Tage lang – und es ist schneller als zuvor. Diese Prozedur kann man dennoch niemandem empfehlen: Wer Systemsoftware installiert, die nicht von Samsungstammt, verwirkt seine Garantieansprüche, teilt das Unternehmen mit.

Ich bin das Risiko nur eingegangen, weil das Samsung-Update mein Android-Smartphone ohnehin nutzlos gemacht hatte. Und ich traute freiwilligen Android-Hackern eher als Samsung zu, diesen Fehler zu beheben. Dass man nach einigen Wochen Android-Nutzung derart das Vertrauen in die Software der Hardware-Hersteller verliert, sollte Google zu denken geben.

Bei einem iPad oder iPhone bin ich mir sicher, dass ich auch eineinhalb Jahre nach Verkaufsstart noch eine aktuelle, funktionierende Version des Betriebssystems erhalte. Wer Apple Konkurrenz machen will, sollte zumindest das bieten.

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
Immer gut: Newsletter abonnieren


auch interessant

Wer investiert in die Zukunft, wenn alle sparen?

Der common senf aktueller Debatten um Staatsausgaben, Tarifverhandlungen und Zinspolitik scheint mir gerade ein gefährlicher: Alle sollen sparen. Der Staat soll weniger ausgeben und damit der Gesamtwirtschaft Geld entziehen. Arbeitnehmer sollen Reallohnverluste akzeptieren, sparen und damit der Gesamtwirtschaft Geld entziehen. Und Unternehmen sollen sparen, bloß keine Kredite aufnehmen für Investitionen

Wer investiert in die Zukunft, wenn alle sparen?

Paradox der Gegenwart

Einerseits sehen so viele Menschen ihre individuellen (Konsum)Bedürfnisse als das wichtigste Gut, als absolut schützenswert. Überspitzte Maxime: Was ich will, ist heilig – alles geht vom Individuum aus. Andererseits erscheint genauso viele Menschen das Individuum ganz klein, wenn es darum geht, etwas zu verändern in der Welt. Überspitzte Maxime: Ich

Paradox der Gegenwart

Wie Schmecken funktioniert

Gelernt: Geschmack und Aroma sind zwei ganz unterschiedliche Wahrnehmungen. Für jede ist ein anderer Teil im Gehirn verantwortlich. Und jede basiert auf unterschiedlichen Daten: Für den Geschmack kommen Eindrücke von der Zunge, fürs Aroma von Rezeptoren in der Nase. Beides vermischt das Gehirn zum Gesamteindruck Schmecken. Sehr lesenswerter Aufsatz darüber

Wie Schmecken funktioniert