Zum Inhalt springen

Apple-Handy: So wird das iPhone zum Überall-Computer (Spiegel Online, 16.7.2008)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
6 minuten gelesen

Apple-Handy

So wird das iPhone zum Überall-Computer

Der Software-Supermarkt für das Apple-Telefon brummt: Mehr als zehn Millionen Programme haben die Kunden in den ersten Tagen geladen. In dem Riesenangebot gibt es ein paar geniale Einfälle und viele praktische Helfer – SPIEGEL ONLINE zeigt die besten.

Spiegel Online, 16.7.2008

Hunderte von Programmierern toben sich aus, entwerfen
Mobilanwendungen, die es so bisher noch nicht gegeben hat. So wird aus
einem Handy ein kleiner Überall-Computer, der sich wie der Heim-PC aus
einer immensen Software-Auswahl auf die eigenen Ansprüche zuschneiden
lässt. Google hat das vor Monaten als bahnbrechende Idee angekündigt,
einen Programmierwettbewerb für seine Mobilfunkplattform ausgeschrieben und viele schöne Ideen belohnt (mehr…). Nur ausprobieren kann man davon noch keine.

Anders bei Apple: Besitzer eines Apple-Handys haben allein am
vorigen Wochenende zehn Millionen Mini-Programme fürs iPhone aus dem
neuen Download-Portal "App Store" geladen.


Der Software-Supermarkt fürs iPhone ist mit einem Angebot von gut
500 Programmen gestartet – inzwischen sind laut Apple mehr als 800
Programme verfügbar. Etwa ein Viertel dieses Angebots ist gratis, die
meisten der kostenpflichtigen Programme sind für weniger als acht Euro
zu haben.

Zweit-Gedächtnis, Mini-Klavier, Nachrichtenticker – SPIEGEL ONLINE stellt die spannendsten iPhone-Programme vor:


Evernote – das Überallnotizbuch

Der
Online-Dienst Evernote will das zweite, verlässliche Gedächtnis seiner
Nutzer werden. Das Unternehmen kombiniert Software für Mac, PCs,
Windows-Mobiltelefone und das iPhone mit einem Online-Speicher: Fotos,
Texte, PDFs, Audioaufnahmen – was immer man am Computer als Datei in
die Evernote-Anwendung zieht, mit dem iPhone fotografiert und
aufzeichnet oder unterwegs über das Web-Interface einstellt, wird
sofort mit dem Evernote-Server synchronisiert.

Die Dateien lassen sich verschlagworten, in Ordnern sammeln und
per Browser, Mobiltelefon oder Evernote-Software überall abrufen,
ergänzen und bearbeiten. Interessante Zusatzfunktionen:

  • Alle mit dem iPhone geschossenen Fotos
    ergänzt die kostenlose Evernote-Software um die aktuellen
    Positionsdaten – das funktioniert sogar mit einem Alt-iPhone anhand der
    Peilung über die Mobilfunkzelle ganz gut.
  • Eine Texterkennungs-Software auf den
    Evernote-Servern scannt alle hochgeladenen Fotos und erfasst
    Textinhalte in Fotos (von Visitenkarten zum Beispiel) für die
    Volltextsuche. Die Fotos von zahlenden Evernote-Kunden (fünf Dollar im
    Monat – das entspricht gut drei Euro – für 500 statt nur 40 Megabyte
    Upload-Volumen) werden bevorzugt behandelt.

Die Evernote-Software lief im Test problemlos auf einem Alt-iPhone.
Mit dem Telefon aufgenommene Sprachnotizen waren nach ein paar Sekunden
auf dem Server zu finden – und das mit einer Übertragung per Edge. Das
größte Manko: Die minderwertige iPhone-Kamera eignet sich bei
Bürobeleuchtung überhaupt nicht dafür, erkennbare Fotos von
Visitenkarten oder derlei zu machen – die Evernote-Texterkennung
versagt an der miserablen Bildqualität. Ärgerlich!


Per Shozu immer mit allen vernetzt

Der
Online-Dienst Shozu ist eine kostenlose Schaltzentrale für fast alle
sozialen Netzwerke und Blog-Dienstleister aus Nordamerika: Facebook,
Flickr, Blogger, WordPress und ein paar Dutzend andere Dienste. Hat man
seine Profile bei diesen Anbietern einmal mit dem Shozu-Konto
verknüpft, informiert die iPhone-Software bei jedem Aufruf über neue
Kommentare zu eigenen Beiträgen, neue Einträge von Freunden und so
weiter. 

Shozu stellt auch Fotos bei Flickr, Picasa, Smugmug oder dem
eigenen Blog ein, veröffentlicht Texteinträge im eigenen Blog und
Kurzmitteilungen bei Twitter. Eine Software für fast alle Dienste – die
Idee besticht und die kostenlose Software läuft stabil. Nachteile:
Shozu ergänzt Blog-Einträge um eine Zeile Eigenwerbung für den Dienst,
außerdem hat Shozu einen US-Fokus, es gibt keine Schnittstelle für
große deutsche Netzwerke.


Midomi erkennt, was man ins iPhone summt

Der Online-Dienst Midomi erkennt, welche Musik gerade läuft. Egal,
ob man eine Melodie summt, ein Lied singt oder das iPhone einfach etwas
mitschneiden lässt, was gerade im Radio läuft – meistens liefert die
kostenlose Midomi-Software in ein paar Sekunden den korrekten
Titelnamen, samt Informationen zum Interpreten, Diskografie und Links,
um den erkannten Song (und alle anderen des Interpreten auch) bei
iTunes zu kaufen.


AquaForest – Physik als Spiel

Die knapp sechs Euro teure iPhone-Software "Aqua Forest" ist ein
Spiel – im weiteren Sinne: Man kann Wasser auf dem Telefonbildschirm
hin- und herschwappen lassen, es fließt und wogt und plätschert, je
nachdem, wie man das Apple-Handy dreht und schüttelt. Man kann das
Wasser einfrieren, mit geschickt plazierten Flammen verdampfen und
diversen Werkzeugen zäher oder flüssiger werden lassen.

50 Level machen "Aqua Forest" zum Spiel – hier müssen Wassermassen
oder Lichtkugeln durch Hindernisparcours ins Ziel geschwenkt und
geschüttelt werden.


Filemagnet – das Dateiarchiv zum Mitnehmen

Eigentlich eine ganz einfache, selbstverständliche Funktion: Auf dem
iPhone speichert man Word- und PDF-Dokumente, Fotos und andere Dateien
zwischen, liest oder betrachtet sie unterwegs, lädt sie vielleicht auf
einem anderen Rechner wieder hoch.

Mit Apple-Bordmitteln ist das unmöglich. Will man Fotos auf dem
iPhone speichern, müssen die erst am Heimrechner in ein Apple-Programm
wie iPhoto oder Aperture importiert, dann zum Synchronisieren mit
iTunes ausgewählt und zuletzt tatsächlich über iTunes synchronisiert
werden. Bei PDFs oder Word-Dokumenten funktioniert das gar nicht.

Das vier Euro teure Programm Filemagnet kann nicht nur PDFs und
Word-Dokumente mühelos auf dem iPhone darstellen – die Synchronisierung
mit einem ausgewählten Mac läuft auch viel galanter ab als von iTunes
gewöhnt: Statt das Apple-Handy an den Computer zu stöpseln wie bei der
Apple-Synchronisierung, genügt es bei Filemagnet, dass beide Geräte im
selben Drahtlos-Netzwerk eingebucht sind, auf beiden die
Filemagnet-Software läuft und man einmalig die Verknüpfung bestätigt.

Ein Augenblick und man kann Dateien aufs iPhone schaufeln – draht-
und mühelos, so wie man es eigentlich von Apple erwarten würde.


Fahrplanauskunft – derzeit leider nur für Berlin

Es könnte so einfach sein: In einer fremden Stadt das Mobiltelefon
rausholen, Position per GPS genau oder so ungefähr über die
Mobilfunkzelle bestimmen, Zielhaltestelle eintippen und dann nach ein
paar Sekunden die schnellste Bus- oder Bahnverbindung wissen – samt
aller Abfahrtzeiten und Umsteigehaltestellen.

In Berlin geht das inzwischen – die kostenlose iPhone-Software
Fahr-Info Berlin ermittelt die aktuelle Position und schlägt
nahegelegene Haltestellen als Abfahrtpunkt vor. Auf Wunsch kann man
aber auch Haltestellennamen manuell eingeben – allein die Suche mit
Straßennamen bietet die Datenbank noch nicht.

Schlicht, schnell und clever – warum können Verkehrsbetriebe so was nicht überall anbieten?

MooCowMusic – das iPhone als Band

Auf gehackten iPhones läuft die
Komponier-Software iBand schon lange (mehr…)
– nun kann man das Programm, wohl wegen Apples strenger
App-Store-Regeln in "Band" umbenannt, für acht Euro ganz offiziell in
Apples Software-Supermarkt kaufen.

Mit dem Programm kann man virtuelle Instrumente (Klavier, Gitarre,
Schlagzeug) einzeln spielen, die Spuren mischen und die Aufnahmen mit
diversen Werkzeugen bearbeiten.

Als Spielzeug begeistert das nicht allzu lange – Zielgruppe sind eindeutig Kenner und Könner.


Tap Tap Revenge – im Takt aufs iPhone tippen

Kostenlos und ziemlich witzig: Bei Tap Tap Revenge muss der Spieler
auf Farbknubbel tippen, die angeblich in irgendeiner Beziehung zur
gerade laufenden Musik immer schneller drei Bahnen auf dem
iPhone-Bildschirm hinabrutschen.

Das macht schon im Einzelspieler-Modus süchtig, aber viel spaßiger
ist es, gegeneinander anzutreten: Zwei Spieler sitzen sich gegenüber
und tippen jeweils auf ihre Hälfte des Bildschirms – bunt, absurd und
ziemlich abgefahren.


Cro-Mag – das Steinzeit-Autorennen

Ganz
klassisch funktioniert das acht Euro teure Autorennspiel Cro-Mag Rally:
Der Knuddelfaktor und die Renngefährte erinnern ein wenig an Mario
Kart: Der Spieler rast in neun möglichen Gefährten (erinnern alle ein
wenig ans Auto der Familie Feuerstein) über neun Pisten. Der Spieler
lenkt, indem er das iPhone dreht – und das funktioniert ziemlich
präzise.

Einziges Manko der Steuerung: Zum Beschleunigen oder Bremsen muss
man mit dem Finger den Bildschirm berühren, das widerspricht der
Bedienlogik. Abgesehen davon ein schön anzusehendes, angenehm zu
steuerndes Rennspiel.


Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
Immer gut: Newsletter abonnieren


auch interessant

Wer investiert in die Zukunft, wenn alle sparen?

Der common senf aktueller Debatten um Staatsausgaben, Tarifverhandlungen und Zinspolitik scheint mir gerade ein gefährlicher: Alle sollen sparen. Der Staat soll weniger ausgeben und damit der Gesamtwirtschaft Geld entziehen. Arbeitnehmer sollen Reallohnverluste akzeptieren, sparen und damit der Gesamtwirtschaft Geld entziehen. Und Unternehmen sollen sparen, bloß keine Kredite aufnehmen für Investitionen

Wer investiert in die Zukunft, wenn alle sparen?

Paradox der Gegenwart

Einerseits sehen so viele Menschen ihre individuellen (Konsum)Bedürfnisse als das wichtigste Gut, als absolut schützenswert. Überspitzte Maxime: Was ich will, ist heilig – alles geht vom Individuum aus. Andererseits erscheint genauso viele Menschen das Individuum ganz klein, wenn es darum geht, etwas zu verändern in der Welt. Überspitzte Maxime: Ich

Paradox der Gegenwart

Wie Schmecken funktioniert

Gelernt: Geschmack und Aroma sind zwei ganz unterschiedliche Wahrnehmungen. Für jede ist ein anderer Teil im Gehirn verantwortlich. Und jede basiert auf unterschiedlichen Daten: Für den Geschmack kommen Eindrücke von der Zunge, fürs Aroma von Rezeptoren in der Nase. Beides vermischt das Gehirn zum Gesamteindruck Schmecken. Sehr lesenswerter Aufsatz darüber

Wie Schmecken funktioniert