Bad Man (Süddeutsche Zeitung, 12.3.2001)
Bad Man
Warum den Verlag DC Comics die Frage stört, ob Batman schwul ist
Süddeutsche Zeitung, 12.3.2001
Es gibt kaum etwas Schlimmeres als einen amerikanischen Helden, der schwul ist. Was für Rock Hudson galt, trifft auch für Comic-Helden zu. Der amerikanische Verlag DC Comics hat einem Mitarbeiter der Michigan State University die Illustration eines wissenschaftlichen Artikels mit Bildern der Comicfigur Batman untersagt. Der Text soll im April im „International Journal of Comic Art“ erscheinen. Seit Jahren geht DC Comics mit Verboten gegen Veröffentlichungen vor, die Batmans Sexualität thematisieren: 1991 gegen den Rouledge Verlag, 1993 gegen The New Republic, 2000 gegen Continuum Books. Bart Beaty, Professor an der Universität Calgary, spricht von einem „klaren“ Fall von „Zensur“ und „Homophobie“.
Der jüngste Fall dreht sich um den Wissenschaftler Chris York, der untersucht hat, wie die Batman-Autoren in den fünfziger Jahren auf die Vorwürfe reagierten, ihre Comic-Figur trage starke homoerotische Züge. Batman ist durchweg dargestellt als muskulöser Mann, der nachts in einem ziemlich engen Kostüm und mit schwarzer Ledermaske durch die dunklen Gassen der Großstadt streift. Tagsüber dagegen ist er ein sehr reicher, sehr gut aussehender Mann, der nicht nur einen Butler hat, sondern auch mit einem jungen Mann zusammen wohnt, der treu an seinem Bette wacht, wenn der Meister krank ist. Ganz offensichtlich also ist Batman mehr Mensch als Heldenfigur. Anders als Superman besitzt er keine übernatürlichen Kräfte. Er bekämpft Verbrechen nicht um der Gerechtigkeit willen, sondern weil er sich rächen will für die Ermordung seines Vaters. Die musste er als Kind mitansehen. Sein durch dieses traumatische Erlebnis geprägter Charakter spiegelt sich auch in seinen Gegnern wider. Im „Penguin Man“ etwa, der als Kind wegen seiner Hässlichkeit verachtet und schließlich sogar von der eigenen Familie verstoßen wurde. Dessen Hass auf die Bürger von Gotham City ist ähnlich begründet wie der Batmans auf alle Verbrecher.
Bob Kane und Bill Finger, die 1939 Batman erfanden, nannten ihre Figur damals „die bizzare Kreatur der Nacht“, womit vielleicht auch auf eine sexuelle Zweideutigkeit verwiesen wurde. Mehrdeutig ist auch die Stadt Gotham City. Während konservative Betrachter in ihr die Potenzierung der modernen Großstadt, also einen Sündenpfuhl erblickten, war auch eine andere Lesart möglich: Gotham City als Ort einer morbiden Romantik, die gerade bei Figuren wie Batman eine düstere Erotik hervorhob. Die Bilder boten beide Sichtweisen, es lag allein im Blick der Betrachter, welche Wahrheit sie bevorzugten. Und gerade das machte die Batman-Comics so reizvoll.
Als der Psychologe Frederic Wertham in seinem Buch „Seduction of the Innocent (Verführung der Unschuldigen)“ von 1954 in Batman eine homoerotischen Schreckfigur erblickte, sah er durch die für ihn abnormale sexuelle Orientierung die Jugend gefährdet. DC Comics reagierte – auch angesichts der Bedrohung durch die Selbstzensur der „Comic Code Authority“ – mit einer Neuzeichnung des Bildes: Batman wurde ein Batgirl und eine Batwoman zur Seite gestellt und – um ganz sicher zu gehen – auch noch ein Rudel diverser Freundinnen. Während also die Sinngebung des Kunstwerks in die Verfügungsgewalt seiner Betrachter übergegangen war, blieb die Sinnlichkeit der Bilder im Besitz des Rechteinhabers DC Comics. Und der setzte alles daran, einen sehr heterosexuellen Helden zu zeichnen. Die Kontinuität dieses Konzepts reicht bis zum Film „Batman Forever“ von 1995, in dem in der Figur des Riddler der böse, menschenverachtende Kapitalismus mit böser, tuntiger Sexualität assoziiert wird – im Gegensatz zum väterlichen Unternehmer Bruce Wayne alias Batman. Wie schon im Comic der fünfziger Jahre wurde hier versucht, den Sinnvorrat der Bilder zu verknappen.
Allerdings nicht sehr erfolgreich. Denn woran erinnert der Versuch Riddlers in „Batman Forever“, die Gehirnströme der Menschen zu kontrollieren, wenn nicht an das Bilderverbot von DC Comics.