Besuch beim Filehoster Rapidshare - Filtern, Löschen, Sperren
Rapidshare galt über Jahre als Komplize der Raubkopierer-Szene – heute müht sich der Schweizer Filehoster nach Kräften, die alte Kundschaft zu vergraulen. Jeden Tag sichtet er Verzeichnisse, löscht illegale Inhalte seiner Nutzer. Was taugt die neue Unternehmensstrategie? Ein Besuch.
Spiegel Online, 14.4.2012
An der Bürowand des Rapidshare-Verkaufschefs Mathoni Torke hängt eine Weltkarte, die den Erfolg der Hosting-Plattform Rapidshare zeigt: Torkes Welt ist übersät mit Dutzenden grünen Fähnchen. Zwei stecken im Jemen, eine in Namibia, Europa ist ein Fähnchenwald.
Auf jeder Markierung steht eine Ziffer, die Kennzahl eines lokalen Partners, der im jeweiligen Land “Rapids” verkauft. So heißt die Währung, mit der man für Premiumdienste bezahlt – ansonsten werden die auf den Servern abgelegten Dateien gelöscht, wenn einen Monat lang nicht darauf zugegriffen wurde. Gegen Geld bleiben die Dateien länger liegen.
Das Rapidshare-Premiumangebot ist offenbar weltweit gefragt. In Südamerika ist das Wiederverkäufer-Netz noch recht dünn, aber das liegt weniger an der Nachfrage, mehr an komplizierten Bezahlverfahren für Digitalgüter dort, sagt Torke. Der Verkaufsleiter, dunkles Polohemd, glänzende Frisur, hat zuvor bei PayPal gearbeitet. 2008 ist er aus Irland zu Rapidshare in den Schweizer Kanton Zug gekommen. Aus seinem Bürofenster sieht man die Berge, zu Fuß ist man in einer halben Stunde am Zugersee, dazwischen liegt ein Abenteuerspielplatz mit Ziegen.
“Spannende Firma”
Torke sagt, ihn habe die Herausforderung gelockt: “Rapidshare ist eine spannende Firma, das ist wie bei einem Start-up zu arbeiten.” Das ist eine Art es auszudrücken.
Denn mit einem Premium-Zugang lassen sich Dateien auch schneller herunterladen, mehrere gleichzeitig. Was dazu führt, dass Rapidshare Geld verdient, wenn zahlende Kunden es auf Raubkopien abgesehen haben, die von anderen Nutzern dort hinterlegt wurden. Rapidshare galt deswegen jahrelang als Komplize der Raubkopierer-Szene. Die Lobby der US-Musikindustrie RIAA führte Rapidshare noch 2010 auf einer Liste “berüchtigter” Anbieter auf, die Urheberrechtsverletzungen fördern.
Rapidshare und Raubkopierer? Die Mitarbeiter reagieren auf Fragen nach solchen Vorwürfen mit einem Vergleich, verweisen auf Dropbox, einen beliebten Speicherdienst. Man biete einen innovativen Service an, wie andere Unternehmen auch. Und das offenbar erfolgreich, der Speicherdienst scheint genug Nutzern Geld wert zu sein.
Mit zwei Mitarbeitern ging es 2006 los, erzählt die heutige Geschäftsführerin Alexandra Zwingli. Sie fing damals im Support der Rapidshare AG an, zuvor war sie Entwicklerin bei einer Versicherungsgesellschaft. Heute zählt das Unternehmen 55 Angestellte. Im neuen Bürogebäude, das gerade erst bezogen wurde, ist Platz für insgesamt hundert Mitarbeiter.
55 Mitarbeiter, ein Deutscher als Alleingesellschafter
Ob die Firma Schulden hat, wie hoch Umsätze und Gewinne sind – unbekannt. Weil die AG im Schweizer Kanton Zug sitzt, kann man solche Details nicht dem Handelsregister entnehmen. Und Zahlen will die Firma nicht verraten, nur so viel: Man habe kein Risikokapital aufgenommen. Alleingesellschafter sei der aus Deutschland stammende Firmengründer Christian Schmid. Er berät die Geschäftsführerin, tritt in der Öffentlichkeit aber nicht für die Firma in Erscheinung.
Mittlerweile taucht Rapidshare auf den Feindeslisten der RIAA und der US-Filmlobby MPAA nicht mehr auf – wohl auch ein Verdienst der Mitarbeiter im ersten Stock. In einem Großraumbüro sitzen 15 Festangestellte mit Blick auf den Parkplatz. Jeden Tag von sieben bis 20 Uhr löschen sie Dateien von den Servern. Morgens arbeiten sie die Beschwerden ab, die über Nacht vor allem von Rechteinhabern und deren Vertretern per E-Mail hereingekommen sind, derzeit etwa hundert am Tag.
Rapidshare-Crawler scannt Raubkopiebörsen und sperrt
Außerdem sucht Rapidshare auch selbst nach Raubkopien. Die Firma hat eigenen Angaben zufolge eine Suchmaschine entwickelt, die einschlägige Verzeichnisse (sogenannte Warez-Seiten) nach Verweisen zu Dateien auf Rapidshare-Servern durchforstet. Die Funde des Crawlers landen in Excel-Tabellen mit vielen Tausend Zeilen. Für jede Datei eine Zeile, mit Titel auf den Warez-Seiten und der Rapidshare-URL.
Die Lösch- und Sperrangestellten sichten die Daten und blockieren illegale Inhalte. Laut Rapidshare ist der Crawler seit zwei Jahren im Einsatz. Verschwindet so eine Datei, verdächtigen sich die Raubkopie-Uploader auch schon mal gegenseitig. “Es ist erstaunlich, dass die nicht kapieren, dass wir selbständig löschen”, sagt Geschäftsführerin Zwingli.
Rapidshare-Lobbyisten preisen in Washington ihr Sperrregime
Bei einer Lobby-Veranstaltung in Washington will Rapidshare in der kommenden Woche seine Bemühungen vorstellen und das eigene Image bei US-Politikern aufbessern. Auch rückt das Unternehmen auf Anfrage von Schweizer Behörden die IP-Adresse von Uploadern heraus – die werden gespeichert, solange eine Datei verfügbar ist. Diese Maßnahmen entsprechen nicht ganz den Wünschen der Rechteinhaber – eine umfassende Vorabprüfung samt Inhalteerkennung bei Uploads lehnt Rapidshare ab.
Je mehr sich Rapidshare um einen guten Ruf bei Politikern und Rechteinhabern bemüht, desto weniger Anklang dürfte das Angebot in der Warez-Szene finden. Bei einem großen Raubkopie-Linksammler steht seit einigen Wochen auf der Startseite der Hinweis, man werde ab Mai keine Links zu Rapidshare mehr aufnehmen. “Das freut mich. Da waren unsere Maßnahmen wohl erfolgreich”, sagt Zwingli.
Wofür zahlen Rapidshare-Kunden eigentlich?
Aber ist Rapidshare als reiner Cloud-Dienst für Backups und das Versenden legaler Dateien an Arbeits- und Studienkollegen wirklich attraktiv genug? Oder zahlen Premiumnutzer nicht doch eher für den schnellen Download von Musik und Filmen?
Denn so richtig praktisch ist Rapidshare als persönlicher Datenspeicher nicht. Konkurrenten wie Dropbox oder Wuala bieten umfassende Automatisierungsfunktionen, man kann komplette Verzeichnisse oder gar Laufwerke ständig in der Cloud spiegeln – bei Rapidshare hingegen muss man Dateien manuell hochladen. “Wir wollen, dass Leute bezahlen, damit Dateien langfristig sicher bei uns aufgehoben sind”, beschreibt Geschäftsführerin Zwingli das Geschäftsmodell.
Trotzdem lotet die Firma neue Verdienstmöglichkeiten aus. Irgendwann in den kommenden zwei Jahren will Rapidshare Downloads verkaufen. Urheber sollen ihre E-Books, Musikdateien oder Programme bei Rapidshare hochladen, Bezahlung und Abrechnung will Rapidshare gegen einen Umsatzanteil übernehmen. Eine ähnliche Idee soll auch Kim Dotcom für seinen Speicherdienst Megaupload gehabt haben, bevor er auf Geheiß der USA in Neuseeland festgenommen wurde.
Rapidshare will Downloads verkaufen
Ein erster Versuch mit Bezahl-Downloads bei Rapidshare ist offenbar gescheitert. Von 2009 bis 2011 existierte eine Rapidshare Entertainment AG. Bei dem Projekt ging es um Bezahl-Downloads, beispielsweise bekannter Filme. Zu Verträgen mit Studios ist es allerdings nie gekommen. Nun soll ein Vertriebsweg für unabhängige Spiele-Entwickler und Musiker aufgebaut werden. Bisher gibt es im Onlineshop allerdings nur einige Spiele zum Download.
Und trotz des 15-köpfigen Sperr- und Löschteams finden sich auf Warez-Seiten heute noch Links zu Raubkopien bei Rapidshare. Aktuell zum Beispiel von Filmen wie “Contagion” und “Inception”. Ausnahmefälle, sagt Geschäftsführerin Zwingli, der Crawler sei nicht perfekt.
Wie hoch der Anteil illegaler Nutzung bei Rapidshare sei, wisse sie nicht. Aber: “Die Anzahl von Beschwerden über illegale Dateien ist zurückgegangen. Das ist ein gutes Zeichen. Ich verfolge auch, was Nutzer in Foren schreiben. Wenn auf Warez-Seiten steht, dass Rapidshare schlecht geworden ist, freue ich mich.”
Auf dem Sideboard in ihrem Büro stehen zwei Plüschfiguren, Pintsize und Winslow aus der US-Web-Comic-Serie “Questionable Content“. Übersetzt heißt das “fragwürdige Inhalte”.