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Billigrechner im Test: Mac-Klon röhrt und klappert (Spiegel Online, 2.5.2008, mit Matthias Kremp)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
6 minuten gelesen

Billigrechner im Test

Mac-Klon röhrt und klappert

Er ist billig, er ist schnell, aber ist er auch gut? Die ersten Exemplare des Apple-Nachbaus "Open Computer" sind in den Labors der Tester angekommen. SPIEGEL ONLINE fasst die Ergebnisse zusammen – und rechnet nach, wie viel der Nachbau in Deutschland kosten würde.

Spiegel Online, 2.5.2008 mit Matthias Kremp

Der Sturm bricht los, als Patrick den Einschaltknopf drückt. Mit lauten Getöse setzen sich die Lüfter in Bewegung, stimmen ein Geratter an, das bis zum Ende des Videos nicht leiser wird. Patrick ist einer der ersten Besitzer eines Open Computers, jenes Mac-Nachbaus, um den seit zwei Wochen viel Wind gemacht wird – und dessen Kühlpropeller derart viel Luft bewegen, dass man in seiner Umgebung kaum mehr ruhig telefonieren kann. Das zumindest sagen die Profi-Tester von Cnet, die eines der ersten Geräte zum Test bekamen.

Denn während echte Macs ihren Besitzer beim Einschalten mit einem wohlklingenden Akkord begrüßen, lässt der Mac-Klon vom Ein- bis zum Ausschalten nur seine rappelnden Lüfter hören. Verantwortlich hierfür dürfte eine fehlende Lüftersteuerung sein, vermuten die Tester.

Während nämliche gute PCs und auch Macs die Geschwindigkeit ihrer Lüfter abhängig von der jeweiligen Beanspruchung des Computers regulieren, und so den Geräuschpegel minimieren, scheinen die Lüfter des Psystar-Macs stets mit Volldampf, und damit auch mit voller Lautstärke, zu rotieren.

Wie gut oder schlecht der Billig-Mac tatsächlich ist, haben mehrere Tester versucht herauszufinden. SPIEGEL ONLINE fasst die Ergebnisse zusammen:

Qualität

Wohl auch, um möglichst positive Testergebnisse zu bekommen, wurde nicht die zu einem Preis von 399 Dollar beworbene Standardkonfiguration des Open Computer an die Tester verschickt, sondern eine deutlich aufgewertete Variante mit zusätzlicher Grafikkarte und mehr Speicher.

Doch schon die Grundversion ist eigentlich ein Schnäppchen. Versucht man das Gerät mit Bauteilen aus dem Online-Versand nachzubauen, kommt man auf einen Preis von etwa 275 Euro. Das entspricht rund 425 Dollar. Der Klon ist also selbst als PC noch ein gutes Angebot. Um allerdings auf diesen Preis zu kommen, muss sich der Hersteller stets aus dem unteren Regal, also der Billigabteilung, bedienen. Zumindest Mainboard, Festplatte und Prozessor sind jedoch Markenartikel.

Über ein womöglich klapperndes Gehäuse oder ähnliche Baufehler beschwerte sich keiner der Tester. Lediglich das vehemente Lüftergeräusch machte allen zu schaffen. Man kann das verstehen, denn sofern man den Videos von dem Rechner trauen kann, sind die Lüfter nicht nur laut, sondern erzeugen überdies ein nervig sägendes Geräusch, dass typisch für Billig-Propeller ist.

Fazit: An der Hardware-Zusammenstellung des Psystar-Macs ist nicht viel auszusetzen. Man bekommt, was man bezahlt. Und das ist bei einem Preis von 399 Dollar eben kein Highend-Material.

Software

Verglichen mit dem Lieferumfang des Originals ist die Softwareausstattung ausgesprochen karg. Bei Psystar bekommt man das Betriebssystem mit den dazugehörenden Programmen, mehr nicht. Apple hingegen legt seinen Macs stets das Programmpaket iLife bei. Darin enthalten sind beispielsweise das Bildverwaltungsprogramm iPhoto, die Videoschnittsoftware iMovie, das Musikprogramm Garageband sowie iDV, mit dem man ohne Vorkenntnisse eigene Video-DVDs basteln kann. Will man den Open Computer mit iLife aufrüsten, werden dafür freilich zusätzlich 79 Euro fällig.

Immerhin aber stehen solchen Software-Upgrades offenbar keine Kompatibilitätsprobleme im Weg. So berichten die Tester von Cnet, sie hätten diverse Applikationen, darunter das 3D-Spiel Quake, die Bildbearbeitung Photoshop und das 3D-Testprogramm Cinebench erfolgreich auf dem Rechner laufen lassen. Auch das Zusammenspiel mit einem iPod und dem iTunes Store habe fehlerlos funktioniert. Selbst Apples Mediacenter-Software Frontrow versah klaglos ihren Dienst. Leider nützt das nichts, weil der Psystar-Mac kein Infrarotauge für eine Fernbedienung besitzt.

Fazit: Der Wegfall der üblichen Apple-Softwarebeigaben schmerzt erfahrene Apple-User besonders. Sie müssen den Aufpreis von 79 Dollar für iLife einkalkulieren. Ansonsten aber gibt sich der Klon genügsam, verweigert keiner Mac-Software die Unterstützung – sofern sie auch auf Intel-Macs läuft.

Hardware und Preisvergleich

Das Testprogramm Xbench attestiert Psystars Billig-Mac ordentliche Messwerte im Vergleich zu ähnlich teuren Apple-Rechnern: Der Psystar-Rechner schlägt Apples aktuellen Mac Mini bei weitem und ist ungefähr so fix wie die iMacs der vorigen Generation.

Beim Preis fällt der Vergleich nicht so leicht. Viele in Apples iMac integrierte Komponenten gibt es beim Psystar-Rechner nur gegen Aufpreis. Zum Beispiel:

  • Drahtlos-Internet (90 Dollar Aufpreis)
  • Bluetooth
  • Firewire (50 Dollar Aufpreis)
  • Grafikkarte statt integrierter Grafikchips (110 Dollar für GeFore 8600GT)
  • Tastatur und Maus (beim iMac dabei, bei Mac Mini und Psystar nicht)
  • Bildschirm (iMacs haben einen Monitor, der Mac Mini und Psystar nicht).

Bringt man den Mac-Klon auf das Hardware-Niveau von iMac und Mac Mini, ist der Psystar kein 399-Dollar-Mac mehr – er kostet mit Apple-Monitor und allen Extras ungefähr so viel wie ein aktueller iMac und bietet vergleichbare Rechenleistung.

Die Hardware der Psystar-Rechners funktioniert in ein paar Details nicht so, wie man es vom Mac kennt. Die Cnet-Tester haben diese Macken beobachtet:

  • Mit einer regulären Tastatur kann man den Schacht des DVD-Laufwerks nicht öffnen. OS X reagiert nicht auf den Knopf am Laufwerk, sondern nur auf das Drücken der Apple-eigenen "Eject"-Taste. Die haben nur Apple-Tastaturen, steckt man aber so eine in den Psystar-Rechner, funktioniert das Auswerfen von CDs und DVDs.
  • Die bei allen iMacs und Mac Minis enthaltene Fernbedienung hat der Psystar-Rechner nicht. Mangels Infrarot-Unterstützung kann man die auch nicht nachrüsten.

Abgesehen davon arbeitet der Psystar-Rechner mit externer Hardware ganz gut zusammen: Die Tester von Cnet und Engadget, haben an das Gerät iPhone, iPods, einige Digitalkameras und diverse Tastaturen und Mäuse (Apple, Microsoft, Logitech) problemlos angeschlossen.

Fazit: Wer beim Psystar auf Extras verzichtet, kann den Preis deutlich unter Mac-Niveau drücken – einen Mac-Klon hat man dann aber ganz gewiss nicht. Wer den Psystar mit allen Apple-Extras ausstattet, zahlt fast so viel wie für einen Mac und muss mit Macken wie fehlenden Fernbedienung und möglichen Hardware-Problemen leben. Kein gutes Geschäft.

Lieferbarkeit in Deutschland und Alternativen

Derzeit versendet Psystar den Mac-Klon nur in den Vereinigten Staaten und nach Kanada. Auf der Webseite der Firma heißt es vage: "Wir prüfen, international zu versenden oder über ausländische Partner die internationale Nachfrage zu bedienen." Auf Anfragen von SPIEGEL ONLINE reagierte das Unternehmen bislang nicht – derzeit scheint man sich auf die Vereinigten Staaten zu konzentrieren.

Aber das ist für Bastler eigentlich kein großer Verlust – denn mit ein paar Standardkomponenten vom Computerversand und spezieller Software kann sich jeder einen eigenen Mac-Klon zusammenschrauben, der ähnlich teuer und leistungsstark, aber gewiss leiser als der Psystar-Rechner ist.

Eine gute Anleitung zum Bau eines solchen "Hackintoshs" gibt das US-Bastlerblog Lifehacker. Der heikelste Teil beim Hackintosh-Bau ist die Wahl der Hauptplatine mit passendem BIOS. Denn das Apple-Betriebssystem lässt sich mit Mogel-Software nur bei bestimmten Hardware-Konfigurationen austricksen und auf einem Standard-PC installieren.

Lifehacker gibt eine detaillierte Anleitung, wie man einen PC mit einer bestimmten Asus-Hauptplatine OSX als Mac unterjubelt. Die Komponenten für das Gerät mit einem leisen Lüfter und einer dem Psystar deutlich überlegenen Hauptplatine, Grafikkarte und Festplatte kosten derzeit zusammen 700 Dollar.

In Deutschland kosten die Komponenten derzeit zusammen ungefähr 500 Euro – allerdings muss man hier die Versandkosten dazurechnen (entfallen, wenn bei einem Händler bestellt) und gut 100 Euro für eine Lizenz für OS X 10.5. dazurechnen (siehe Tabelle unten).

Fazit: Man kann aus Standardkomponenten mit etwas Bastelarbeit ein deutlich besseres System als den Psystar-Mac-Klon zusammenbauen. Folgt man den Anleitungen von Lifehacker, lässt sich das Apple-Betriebsystem OS X auf diesem Rechner vergleichweise einfach installieren – allerdings muss man dann mangels Apple-Unterstützung mit denselben Macken wie beim Psystar-Rechner kämpfen.

Service und Zukunftssicherheit

Das grundlegende Problem des Psystar-Rechners ist die fehlende Unterstützung von Apple. Apple könnte Psystar möglicherweise ins Nirvana klagen – die Psystar-Käufer müssten dann dem Service hinterherlaufen.

Abgesehen davon sind die Probleme heute schon zu spüren: Psystar hat auf seinem Mac-Klon die automatische Aktualisierung von OS X deaktivert. Ein weiser Schritt: Apple könnte jederzeit mit einer Auffrischung des Betriebssystems absichtlich oder unabsichtlich das System inkompatibel zur Psystar-Hardware machen. Psystar hat angekündigt, jedes Update zu prüfen und bei Unbedenklichkeit die Installation auf den Psystar-Mac-Klonen zu freizugeben.

Fazit: Psystar-Käufer gehen ein Risiko ein – Hackintosh-Bastler sowieso. Aber wer sich so einen Frickel-Rechner zulegt, müsste wissen, dass er ständig daran weiterbasteln muss. Wahrscheinlich hat ein Hackintosh-Fan genau das vor. Solche Rechner sind kein Mac-Ersatz, sondern ein Hobby.

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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