Bizarre Tierdokus im Web: "Krempel + Katzen = großartig" (Spiegel Online, 27.11.2008)
Bizarre Tierdokus im Web
"Krempel + Katzen = großartig"
Lonelygirl war gestern – heute sind Hundewelpen, Killerkröten und Polizeihühner die Stars des Web-Videos. Süße Tiere in merkwürdigen Situationen werden dank YouTube, Blogs und Twitter binnen Tagen weltberühmt. SPIEGEL ONLINE zeigt die seltsamsten Tierphänomene im Internet.
Spiegel Online, 27.11.2008
Aki, Akoni, Ando und ihre drei Geschwister sind ein paar Wochen jung, haben aber schon sieben Millionen Fans weltweit: Die sechs Hundewelpen aus San Francisco sind binnen weniger Tage zu Web-Stars geworden. Ihre Besitzer haben das Hundekörbchen live gefilmt, und auf der Streaming-Plattform ustream.tv veröffentlicht – um im Büro zu sehen, wie es den Kleinen geht.
Ein Kollege im Büro sah dann beim Hunde-Sitting per Video-Stream zu, kopierte den Link, mailte ihn an ein paar Bekannte weiter. Und fünf Wochen später war das Welpen-Big-Brother so berühmt, dass der Besitzer diese Geschichte dem US-Fernsehsender MSNBC erzählen durfte. Google spuckt für die "Puppy Cam" inzwischen Links zu Hunderten von Artikeln, Fernsehbeiträgen und Blog-Einträgen aus.
Fast sieben Millionen Mal wurde der Welpen-Big-Brother-Kanal bisher abgerufen. Zum Vergleich: YouTubes groß angekündigte erste Live-Show erreichte am Wochenende knapp 700.000 Zuschauer, knapp 200.000 haben den archivierten Mitschnitt seither abgerufen. Das IT-Blog " Silicon Alley Insider" ruft angesichts solcher Zahlen die Web-Welpen schon zum bislang erfolgreichsten Livestream überhaupt aus.
Kein Wunder. Wenn es abgesehen von nicht-jugendfreien Angeboten ein einigermaßen sicheres Rezept für Aufmerksamkeit und Erfolg im Web gibt, dann ist es dieses: Tiere und Technik oder Tiere in einigermaßen kuriosen Situationen. Mit dieser Formel haben schon einige Existenzgründer profitable Mini-Firmen aufgebaut, die zum Beispiel Geld mit Fotos von Katzen mit kuriosen Kopfbedeckungen verdienen.
Katzenkrempel
Sein Online-Geschäftsmodell kann der US-Grafikdesigner Mario Garza
in drei Wörtern ausdrücken: "Krempel + Katzen = großartig". So heißt
seine Seite dann auch: Stuffonmycat.com – Krempel auf meiner Katze.
Auf
Garzas Seite sieht man Katzen mit Kronen auf dem Kopf, Fernbedienungen
zwischen den Pfoten und Gummistiefeln über den Hinterbeinen. Die Fotos
schicken Katzenfreude Garza zu, er wählt aus, textet ein wenig und
stellt sie online. Seit drei Jahren geht das schon so, seit der heute
24-Jährige ein paar Fotos seiner Katze machte, im Web veröffentlichte
und dann anfing, die Einsendungen zu sammeln.
Ein paar Monate später, Anfang 2005, erreichte Stuffonmycat.com
mehr als 220.000 Seitenabrufe täglich. Garza war schlau genug, sich von
Einsendern die Bildrechte übertragen zu lassen. So konnte er sich neben
Anzeigen eine zweite Einnahmequelle aus dem Cat-Content aufbauen:
Bücher.
Inzwischen hat Garza mehr als ein Dutzend Bildbände, Kalender und
Postkartensammlungen von Krempelkatzen veröffentlicht. Der erste Band,
der 2006 mit dem sinnigen Titel "Stuff on My Cat: The Book" erschien,
ging laut Garza mehr als 100.000 mal weg.
Hunde auf dem Kopf
Was Mario Garza mit seinen Krempelkatzen geschafft hat, muss für
Hunde erst noch jemand umsetzen: Bestseller-Bildbände auf Basis eines
Hunde-Blogs hat bislang noch niemand veröffentlicht. Es gibt aber
einige aussichtsreiche Kandidaten: Upsidedowndogs.com
zum Beispiel hat ein ähnlich genial einfaches Konzept wie Krempel auf
Katzen: Hunde auf dem Kopf. Denn fast jeder Hund sieht witzig aus,
sobald die Ohren und Wangen nach unten hängen.
Dem anderen Kandidaten, Faildogs.com, fehlt derzeit die klare
redaktionelle Linie – hier sind ebenso viele lustige wie langweilige
Hundebilder zu sehen – entschädigt wird man für die durchwachsene
Qualität mit Perlen wie diesem Mann in Lebkuchenkostüm und ungewollter Hundebegleitung.
Faildogs.com ist gerade mal ein paar Monate alt. Im März hatte der
Online-Werber Kristopher Hannum die Seite gegründet – und dann im Mai
schon wieder verkauft.
Katze bedient Klospülung
Kater Gizmo ist im vorigen Jahr zum Fernsehstar geworden – als der Klospülungskater. Wie seine Besitzerin
Scarlet in ihrem Blog berichtete, hat Gizmo ein merkwürdiges Hobby: Klo spülen und gucken.
Inzwischen sind klospülende Katzen ein eigenes Subgenre der
Kätzchen-Clips auf YouTube – sogar der berüchtigte Musiker Parry Gripp
(eher berüchtigt als bekannt für Songs wie "Great Nachos, Great Price"
und "Do You Like Waffles?") hat den YouTube-Klokätzchen ein Lied
gewidmet – " Cat Flushing A Toilet". Urteil der BoingBoing-Blogger: "Am besten wirkt das Musikvideo ohne Ton." Stimmt.
Einer der nächsten Songs von Parry Gripp wird wohl "Cat on a Roomba"
heißen, denn diese Katzen-Clips von Tieren auf oder neben dem
Roboter-Staubsauger Roomba machen auf YouTube den klospülenden Katzen
gerade arge Konkurrenz.
Hühnerpolizei und Killerschildkröten
Es müssen nicht immer Katzen oder Welpen sein – Hühner habe auch das
Zeug zu Webstars. Zumindest diese beiden, die sehr energisch einen Pulk
kampflustiger Hasen auseindertreiben.
Ähnlich bestimmt wie die beiden Ordnungshühner geht die Schildkröte
im Garten des südafrikanischen Fotografen Salvelio Meyer Eindringlinge
an: Das Tier beißt Katzen in ihre Pfoten und jagt die verunsicherten
Tiere dann über den Rasen.
Meyer hat vor vier Jahren diese Jagdszene gefilmt und der
Schildkröte gleich eine Website mit dem Kampfnamen killertortoise.com
gewidmet. Ein Mini-Imperium des Kröten-Content ist daraus nicht
geworden. Es haben wohl einfach zu wenige Menschen Schildkröten daheim,
die lustige, web-würdige Dinge tun.
I can has Cheezburger – der Klassiker des Cat-Content
Der US-Programmierer Eric Nakagawa hatte Anfang 2007 viel Zeit, um
im Web zu surfen: Seinen vorigen Job hatte er hinter sich, einen neuen
noch nicht Aussicht. Also saß er zu Hause in Honolulu, surfte und
entdeckte das Foto einer knubbeligen schwarzen Katze, die mit großen
Augen und halboffenem Mund knapp an der Kamera vorbeistarrt. Nakagawa
stellte das Bild mit dem kruden Satz " I can has Cheezburger" (zu deutsch ungefähr: "Ich kann hat Cheezburger?") auf eine Web-Seite.
Ein Jahr später ist aus dem albernen Scherz eine Web-Seite mit die
täglich gut 200.000 Abrufen geworden. Bis zu 500 Katzenfotos mit
albernen, absurden und manchmal wirklich witzigen Zeilen schicken die
Fans täglich ein – die besten stellt Nakagawa ins Web. Seit vorigem Mai lebt er ausschließlich von den Katzen-Werbeeinnahmen, gab alle Programmierjobs auf.