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CES-Neuheiten: Die wahren Innovationen der Hightech-Show (Spiegel Online, 10.1.2010)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
4 minuten gelesen

CES-Neuheiten

Die wahren Innovationen der Hightech-Show

Akkus laden sich per W-Lan auf, Über-HD-Videokameras werden bezahlbar, und neue Farbdisplays spielen mit einer Akku-Ladung eine Woche lang Videos ab: Auf der CES sind in diesem Jahr viele echte Neuheiten zu sehen. Wenn die Technik funktioniert wie versprochen, wird 2010 ein spannendes Jahr.

Spiegel Online, 10.1.2010

Ihre Spiegelreflexkamera filmt HD-Videos? Mit Ihrem Kindle kann man wochenlang ohne Akku-Sorgen gestochen scharf Digitalbücher lesen? Das ist ja so gestrig! Auf der CES in Las Vegas zeigen Hersteller Produkte, die völlig neue Konzepte umsetzen, statt dasselbe Prinzip zum zehnten Mal aufzufrischen.

Elektronische Tinte zum Beispiel könnte schon bald von Mirasol-Displays abgelöst werden, die eine Woche lang mit einer Akkuladung durchhalten und Videos in Farbe abspielen.

Duschvorhänge spielen Musik, Ladegeräte schnappen Energie aus der Luft und Gitarren wird man vielleicht nie mehr stimmen müssen – SPIEGEL ONLINE stellt die erstaunlichsten CES-Neuheiten vor.

Akkus per Drahtlos-Internet laden

Klingt wie Science-Fiction, ist aber wohl wahr: Der US-Elektronikhersteller RCA demonstrierte auf der CES ein Airnergy getauftes Akkuladegerät, das die Funksignale eines Drahtlos-Netzwerks nutzt, um Akkus aufzuladen. Wie schnell die aus der Luft gegriffene Energie die Akkus lädt, hängt von der Sendeleistung des W-Lans, der Entfernung des Ladegeräts zum Sender und der Anzahl der Funknetze ab.

In einer CES-Messehalle mit zwanzig und mehr in unmittelbarer Nähe funkenden Drahtlos-Netzen geht das schneller als im Hotel, wo kaum jemand das überteuerte Bezahl-W-Lan nutzt. Die Technik-Blogger von Ohgizmo berichten, dass in den CES-Hallen ein Blackberry-Akku binnen 90 Minuten von einem Drittel auf volle Kapazität geladen wurde.



Laut RCA-Sprechern soll der Funklader im Sommer in den Vereinigten Staaten für etwa 40 US-Dollar erhältlich sein. Bis 2011 will RCA die Technik so weit schrumpfen, dass man die W-Lan-Ladefunktion in Akkus einbauen kann.

Das klingt großartig. Wenn die Technik den W-Lan-Funk nicht stört und auch außerhalb der extrem überfunkten CES-Hallen ausreichend schnell Akkus lädt, steckt so ein Funk-Ladegerät 2011 dann wohl bald in jedem neuen, etwas teureren Mobiltelefon.

Sparsamer als E-Ink, schnell und bunt genug für Videos

So sieht der Bildschirm der Zukunft aus, keine Frage: Mirasol-Displays dürften in diesem Jahr den Lesegeräten mit elektronischer Tinte Konkurrenz machen und sie bald darauf ablösen. Die Farbdisplays des Herstellers Qualcomm arbeiten mit vielen kleinen Spiegeln, die einfallendes Licht in nur einer bestimmten Wellenlänge zurückwerfen und so sichtbare Farben erzeugen.

Ein enormer Vorteil der Mirasol-Technik gegenüber E-Ink: Die Spiegel können schnell genug bewegt werden, um Videos auf den Displays abzuspielen. Trotzdem soll ein Mirasol-Display beim Stromverbrauch noch genügsamer sein als E-Ink. Der Hersteller Qualcomm hat angekündigt, dass 2010 die ersten Lesegeräte mit Mirasol-Bildschirmen in Produktion gehen.



Auf der CES waren Mirasol-Bildschirme mit knapp 15 Zentimetern Diagonale zu sehen, die Videos und Animationen mit 1024 mal 768 Pixeln Auflösung abspielten. Qualcomm gab sehr konkrete Versprechen zum Stromverbrauch dieser Displays. Dem Technikblog Slashgear erklärte ein Qualcomm-Sprecher, dass der Akku von Amazons Lesegerät Kindle länger durchhalten würde, wenn man das E-Ink-Display durch einen Mirasol-Bildschirm ersetzen und nur lesen würde. Konkret wäre das mehr als eine Woche – ohne Mobilfunknutzung läuft der aktuelle Kindle mit einer Akkuladung bis zu sieben Tage. Bei Videowiedergabe soll der Akku des hypothetischen Mirasol-Kindles bis zu eine Woche lang bei normaler Nutzung durchhalten.

Sobald man eine Display-Beleuchtung hinzufügt, sinken die Akkulaufzeiten natürlich wieder. Ein Touchscreen auf Mirasol-Basis würde die Sichtbarkeit ein wenig beeinträchtigen, wie es schon bei Sonys Lesegerät mit Touchscreen und E-Ink zu sehen war. Allerdings könnten neue Touchscreen-Technologien dieses Problem lösen, bis die ersten Geräte mit Mirasol-Technik verfügbar sind.

Aus dieser Frischhaltefolie kommt Musik



Was hat die Dame da in der Hand? Firschhaltefolie? Tischauflage? Nein, das ist ein Lautsprecher: Der koreanische Hersteller Fils zeigte auf der CES einige Piezolautsprecher mit Folien als Träger. Die klingen zwar nicht besonders gut, sollen dafür aber in Form von Duschvorhängen, Fotorahmen und Schirmen erhältlich sein.

Kleine Videokamera mit Riesenauflösung

Es gibt sie also doch: Seit Jahren verspricht der legendäre Digitalkamerahersteller Red (mit der Red One wurden zum Beispiel “District 9”, “Che” und “Antichrist” gedreht) eine kleine, einigermaßen bezahlbare Videokamera für ambitionierte Amateure. Die Red Scarlet sollte 2009 erhältlich sein, war dann aber nur in den Produktankündigungen zu sehen. Auf der CES zeigten Red-Manager nun ein funktionierendes Scarlet-Modell.

Mitte des Jahres soll es dann angeblich so weit sein: Für knapp 5000 US-Dollar soll ein Komplettset der Scarlet mit Objektiv (8-fach-Zoom), Gehäuse, Touchscreen, Compact-Flash-Modul und Fernbedienung auf den Markt kommen. Wenn die Scarlet-Videokamera in diesem Jahr nun wirklich erscheint, wird sie den großen Fotoherstellern auf dem Videomarkt große Probleme bereiten: Canon und Nikon werben für ihre teuren Spiegelreflexkameras (für das Gehäuse einer Canon 5D Mark II und Nikon D700 zahlt man knapp 2000 Euro) mit den HD-Video-Fähigkeiten.

Für Videofilmer ist die versprochene Auflösung der Red Scarlet interessant: Bis zu 120 Einzelbilder in der Sekunde mit einer Auflösung von 3072 mal 1728 Pixeln soll die Kamera aufzeichnen. Da können die Spiegelreflex-Filmer kaum mithalten, die zeichnen Videos nur mit 30 Einzelbildern in der Sekunde bei einer Auflösung von 1920 mal 1080 Bildpunkten auf.



Besonders interessant macht die Red Scarlet der modulare Aufbau des Systems: Wer viele Nikon- und Canon-Objektive besitzt und nur der HD-Videos wegen ein neues Gehäuse kaufen will, kann auch ein Scarlet-Gehäuse mit Adapter für Nikon- oder Canon-Objektive kaufen (angeblich für weniger als 2800 US-Dollar). Wie gut die Objektive mit dem Sensor der Scarlet zusammenarbeiten, müssen Tests erst noch zeigen.

Dem Digitalkameramarkt kann die Konkurrenz von Red nur guttun: Von Canon und Nikon hat man seit Jahren keine Innovation außerhalb der vorgegebenen Bahnen gesehen. Ihre Digitalkameras haben dieselbe Bauform wie ihre filmbasierten Vorläufer vor zwei Jahrzehnten. Kleine Kameras mit großen Sensoren haben weder Canon noch Nikon im Angebot, zum Filmen taugen die Spiegelreflex-Klötze nur sehr eingeschränkt.

Nie mehr Gitarre stimmen?

Keine Elektronik, keine Servomotoren, nur ein paar Federn: Die Gitarren-Bridge Evertune soll einmal korrekt gestimmte Gitarren für immer in diesem Zustand halten. Ob das funktioniert, müssen Tests erst zeigen – und auch, ob sich der Einbauaufwand bei alten Gitarren lohnt. Evertune hat die Lösung zum ersten Mal auf der CES öffentlich gezeigt, daher gibt es noch keine unabhängigen Einschätzungen. Noch in diesem Jahr sollen die Gitarrenhersteller die Evertune-Mechanik bei neuen Modellen verbauen, kündigt das US-Unternehmen an.


Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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