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Design-Blogs in China: Kuli-Künstler aus Guangzhou (Spiegel Online, 31.3.2012)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
2 minuten gelesen

Design-Blogs in China

Kuli-Künstler aus Guangzhou

Vom Leben enttäuschte Arbeiter, Mafiosi wider Willen, Einladungen für Firmenfeiern: Der junge Designer Wang 2Mu zeichnet Kunst und Werbung – mit roten und blauen Kulis. Ein Streifzug durch Chinas Design-Blogs.

Spiegel Online, 31.3.2012

{jumi [*3]}

Wenn Wang 2Mu Kioskverkäufer zeichnet, sehen die mit ihren vorstehenden Zähnen wie kleine, verschmitzte Häschen aus. Wenn der Designer Soldaten darstellt, erinnern die pummeligen Gestalten an kleine, grimmige Bärchen – mit großen Waffen allerdings. Eins haben alle Werke des jungen Grafikdesigners aus der südchinesischen Metropole Guangzhou gemeinsam: 2Mu hat all die extrem detaillierten Werke allein mit Kugelschreibern gezeichnet – mit blauen und roten, mehr Farben braucht er nicht.

Seinen wahren Namen will Wang 2Mu nicht verraten – der solle weiterhin ein “Geheimnis” sein, schreibt er. Warum, will 2Mu nicht erklären. Im chinesischen Web ist er ohnehin nur unter dem Künstlernamen bekannt, er veröffentlicht seine Werke in seinem eigenen Blog und bei Flickr, er plaudert beim chinesischen Twitter-Pendant Weibo.

Werbung für Sportschuhe

2Mus Werke geben einen Einblick in das Schaffen junger chinesischer Kreativer, das dank des Internet auch im Westen leicht zugänglich, wenn auch nicht besonders bekannt ist. 2Mu sagt, das Web sei für ihn ein sehr wichtiges Medium – zur Inspiration, aber auch zur Vermarktung. Er hat schon Werbemotive gezeichnet, für Agenturen, für Sportschuh-Hersteller.

“Mit den Kunden halte ich fast nur übers Internet Kontakt”, erzählt 2Mu. Leben könne er von seinen Zeichnungen nicht, das sei in China bei Kreativen die Regel: “Zeichnen ist nur ein Hobby, als Brotberuf mache ich andere Design-Auftragsarbeiten. In China ist es sehr schwierig, von Kunst zu leben. Wegen des altmodischen Entlohnungs- und Steuersystems sind Künstler arm dran.”

Vor vier Jahren hat 2Mu mit dem Zeichnen begonnen, damals studierte er noch in Guangzhou. Anfangs versuchte 2Mu, seine Zeichnungen ohne jede Vorskizzen zu Papier zu bringen. Inzwischen arbeitet er mit Skizzen, damit nicht ein Fehler die Arbeit von Wochen zunichte macht. An einem Werk zeichne er mindestens mehrere Tage, berichtet Wang 2Mu, manchmal dauere es aber auch einige Monate, bis er fertig sei.

Design-Blog vermarktet junge chinesische Gestalter

eit 2011 ist der Mitzwanziger aus Guangzhou bei der Agentur NeochaEDGE aus Shanghai unter Vertrag. Das Blog der Agentur ist für Websurfer aus dem Westen ein guter Startpunkt für einen Einblick in gegenwärtiges chinesisches Design.

Gegründet haben die Website Adam Schokora und Sean Leow, zwei US-Bürger, die in China in der Werbebranche ihr Geld verdienten. Sie stellten Neocha.com 2008 online – damals sollte das Angebot noch ein soziales Netzwerk für junge chinesische Künstler, Designer und Musiker werden.

Um ein Geschäftsmodell zu etablieren, bauten die beiden Gründer das Netzwerk schnell zu einer Agentur mit angeschlossenem, zweisprachigem Web-Magazin in Englisch und Mandarin um. Inzwischen verdient NeochaEDGE Geld durch die Vermittlung zwischen Künstlern, Designern und Auftraggebern. Jeden Tag gibt es im Web-Magazin von NeochaEDGE etwas Neues zu sehen oder zu hören –Porzellanmalerei aus PekingStreet Art aus ShenzhenPlakatmalerei aus Shanghai oder Dubstep aus Changsha.

{jumi [*19]}

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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