Digitalkamera Lumix G1: Die kleinste Spiegelreflex - ohne Spiegel (Spiegel Online, 15.11.2008)
Digitalkamera Lumix G1
Die kleinste Spiegelreflex – ohne Spiegel
Kleine Kamera, großer Bildsensor und alle Spiegelreflexfunktionen samt Wechselobjektiven – das neue Kamerasystem Micro FourThirds soll Kreativ-Kameras enorm leicht und klein machen. SPIEGEL ONLINE hat die erste dieser Schrumpf-Kameras getestet.
Spiegel Online, 15.11.2008
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Anspruchsvolle Fotografen erkennt man an großen Kameras, großen
Taschen und dem kaputten Rücken, Gelegenheitsknipser an der Kamera in
der Hemdtaschen. Ein Körnchen Wahrheit enthalten diese Klischees –
zumindest bei Digitalkameras gilt als Grundregel: Je größer der
Bildsensor, umso größer die mögliche Bildqualität. Und in
Kompaktkameras passen einfach keine großen Bildsensoren.
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Diese Verpackungen heißen in den Vereinigten Staaten sehr treffend
Blister-Pack. Blister wie Beule, Bläschen, Brandblase – und für Kunden
sind diese Schweißverpackungen (so der deutsche Fachbegriff für diese
besonders fiese Unterform der Sichtverpackung) ungefähr genauso
nützlich wie Blasenbildung.
Bis jetzt. Das neue Kamerasystem Micro FourThirds soll Kameras mit
Spiegelreflexfunktionen ganz erheblich schrumpfen, versprechen die
Hersteller. Solche Kameras sind dabei so etwas wie eine
Schein-Spiegelreflexkamera: Sie bietet die Funktionen der SLRs,
verzichtet aber auf einen Spiegelapparat, was Platz spart (mehr dazu
weiter unter).
Die erste Kamera dieser Bausweise bringt nun Kamerabauer Panasonic
in den Handel und nennt die Lumix G1 vollmundig "ultrakompakt". Diese
Kamera mache Schluss mit dem Argument, "dass digitale SLRs schwer,
sperrig und umständlich zu bedienen seien".
Wie klein ist also wirklich klein? Nun ja, nicht gerade
ultrakompakt: Die G1 fühlt sich leichter und kleiner an als eine
Spiegelreflexkamera (SLR) – man kann mit ihr so gerade noch einhändig
fotografieren. Die Werbesprüche des Herstellers ("wiegt kaum mehr als
eine gut ausgestattete Kompaktkamera") sollte man aber wenig beachten –
hier vergleicht die Werbeabteilung das Gehäuse der G1 mit
Kompaktkameras. Das ist völliger Quatsch – ohne Objektiv kann die G1
nicht fotografieren, ohne Objektiv wird sie also auch niemand durch die
Gegend tragen.
Größe, Bedienung, Bildqualität – SPIEGEL ONLINE testet die erste Digitalkamera des Micro-FourThirds-Systems.
Mit Akku und einem schwachen Zoom-Objektiv (vergleichbare
Kleinbildbrennweite 28-90 Millimeter) wiegt die Kamera gut 600 Gramm.
Das sind 200 Gramm mehr als die sehr umfassend ausgestattete und recht
klobige Edelkompaktkamera Canon G10 – und nur ein paar Gramm weniger,
als der Spiegelreflex-Zwerg Olympus E-420 mit Kit-Objektiv wiegt.
Fazit: Die Lumix G1 ist für eine Kamera mit Wechselobjektiv und
Spiegelreflexfunktionen erstaunlich klein und leicht – einzigartig ist
das aber nicht. Und vor allem sollte man sich von Begriffen wie
"ultrakompakt" nicht täuschen lassen: Während Kompaktkameras ihre
Objektive meist größtenteils eingefahren im Gehäuse versenken, steht
das Wechselobjektiv der Lumix G1 immer heraus – mit zwölf Zentimetern
Tiefe und Breite ist die G1 sicher keine Taschen-, nicht mal eine
Parkataschenkamera.
Großer Fotosensor
Schade, dass die G1 so irreführend beworben wird. Denn die G1 bietet
einige wirklich erstaunliche technische Details. Der Fotosensor zum
Beispiel ist für eine Kamera mit solch kleinen Maßen erstaunlich groß:
Etwa 2,24 Quadratzentimeter – das ist deutlich mehr als bei jeder
Kompaktkamera (0,43 Quadratzentimeter etwa bei der Canon G10) und näher
an den Sensorgrößen von Spiegelreflexkameras (3,28 Quadratzentimeter
etwa bei der Canon EOS 350D). Je größer der Sensor, umso höher die
Bildqualität bei hohen Empfindlichkeiten (siehe Hintergrundkasten
unten).
Der elektronische Sucher der G1 hat eine verblüffende Bildqualität.
Man glaubt beim ersten Durchsehen, wie bei einer Spiegelreflexkamera
auf ein Spiegelbild zu blicken, statt auf einen Mini-Monitor, der die
digitalen Bildsignale reproduziert. Erstaunlich! Das ist der
Platzspartrick beim Kamerasystem Micro FourThirds: Die Hersteller
verzichten einfach auf den Spiegel, der Spiegelreflexkameras den Namen
gibt und das durchs Objektiv einfallende Licht zum Sucherbild bündelt.
Bedienung – mal genial, mal nervig
Bei der Bedienung fällt ein Detail der G1 sehr positiv auf: Der
große Gestaltungsspielraum bei Aufnahmen mit anspruchsvollen
Digitalkameras resultiert ja vor allem daraus, dass sich Parameter wie
Verschlusszeit, Blendöffnung und ISO-Empfindlichkeit (siehe
Hintergrundkasten unten) auf Wunsch manuell einstellen lassen. Bei der
G1 macht man das nicht über Knöpfe, sondern mit einem Drehrad am Griff,
das man sehr genau mit dem Zeigefinger steuern kann.
Dieses Drehrädchen ist schneller, komfortabler und intuitiver als
alle Knopfkombinationen es je sein könnten. Noch besser ist, dass man
mit einem leichten Druck auf dieses Rädchen zwischen
Detaileinstellungen wie Blendöffnung und Verschlusszeit wechseln kann –
eine alltagstaugliche Einfingerbedienung.
Leider wirken andere Bediendetails weniger gut durchdacht: Ein
Auswahlhebel für den Wechsel zwischen Einzel-, Serien- und
Selbstauslöser ist so ungünstig unter dem Programmwahlrad angebracht,
dass man ihn ganz leicht unwissentlich streift und unabsichtlich in den
Serienbildmodus wechselt.
Anderes ärgerliches Detail: Die ISO-Empfindlichkeit stellt man zum
Beispiel nach Knopfdruck ein – Platz für ein zusätzliches Drehrädchen
dafür wäre sicher noch gewesen, Canon macht das bei der etwas kleineren
Kompaktkamera G10 vor. Und wenn schon für solche zusätzlichen Elemente
kein Platz ist: Warum muss man die ISO-Empfindlichkeit bei der G1 über
Tasten an der Gehäuserückseite einstellen, wo es doch bei Blendweite
und Verschlusszeit so wunderbar mit dem praktischen Drehrad an der
Vorderseite geht?
Ausstattung und Bildqualität
Die Ausstattung der G1 ist durchwachsen. Das Display der Kamera
stellt die Motive nicht nur in guter Qualität und Helligkeit dar – es
ist auch in fest jede Richtung schwenkbar. Mögliche Anwendungen:
- das Display zum Gehäuse hin einklappen, so dass es geschützt und deaktiviert ist, wenn man allein mit dem Sucher arbeiten will
- das Display seitlich ausklappen und um 180 Grad drehen – so kann
man mit einer Hand Selbstporträts nach Displaybild schießen – oder per
Selbstauslöser aus größerer Distanz - das Display seitlich ausklappen und leicht nach unten hin schwenken
– so kann man die Kamera hoch über den Kopf halten (über die Köpfe
einer Menschenmenge etwa) und dennoch verfolgen, was man da eigentlich
aufnimmt - das funktioniert mit nach oben gedrehtem Display ebenso gut bei extremer Froschperspektive
Solch ein Display kennt man ja vor allem von digitalen Videokameras.
Allein: Videoaufnahmen macht die G1 nicht. Nicht, dass das ein Muss bei
anspruchsvollen Digitalkameras ist – aber bei der G1 drängt sich solch
eine Anwendung auf.
Die derzeitige Auswahl an Objektiven für die G1 ist bescheiden.
Neben Gewicht, Sensorgröße und SLR-Funktionen ist ja gerade die
Wechselbarkeit der Objektive ein Vorteil des neuen Kamerasystems Micro
FourThirds.
Es lassen sich einige Objektive des älteren Four-Thirds-Systems mit
der G1 benutzen – allerdings nur mit einem Objektivadapter, der beim
günstigsten Online-Händler derzeit 175 Euro kostet. Wegen
unterschiedlicher Autofokussysteme (die G1 hat einen beeindruckend
schnellen Kontrast-Autofokus) muss man bei einigen Objektiven
Firmware-Updates abwarten, um sie mit dem Autofokus der G1 nutzen zu
können.
Nachts nur mit Vorsicht
Bei Nachtaufnahmen liefert die G1 erwartungsgemäß bessere Aufnahmen
als Kompaktkameras – wenn man sich allerdings mit einer
ISO-Empfindlichkeit von 800 gemachte Aufnahmen in Originalgröße
anschaut, fällt in einigen Bildbereichen ein deutlich sichtbares
Bildrauschen auf.
Diese Beobachtungen bestätigen auch Labortests – das Fachmagazin
"ColorFoto" fasst die Ergebnisse so zusammen: "Der Four-Thirds-Sensor
rauscht bei hohen Empfindlichkeiten über ISO 800 deutlich mehr als ein
APS-C-Sensor, wie er etwa bei der Nikon D90 zum Einsatz kommt."
Fazit – schöne Details, ein paar Schnitzer
Größe, Format und Bedienbarkeit der G1 begeistern – es macht Spaß,
mit dieser Kamera zu fotografieren. Sie ist für eine Kamera mit
Wechselobjektiven und vergleichsweise großem Bildsensor erstaunlich
klein und leicht, kann aber nicht mit einer echten Kompaktkamera
mithalten. Eine Immerdabei-Kamera ist die G1 ganz sicher nicht.
Derzeit kostet die G1 beim günstigsten Online-Händler im Paket mit
einem Objektiv knapp 700 Euro. Die ähnlich leichte digitale
Spiegelreflex Olympus E-420 gibt es mit Objektiv ab 360 Euro. Bei der
Bildqualität schneidet die Olympus fast gleich gut ab. Wer einfach eine
leichte digitale Spiegelreflexkamera haben will, sollte vergleichen, ob
innovative Details wie der schwenkbare Monitor den Aufschlag wert sind.
Bedienung (nervige Details wie Wahlhebel), Ausstattung (kein
Videomodus) und Bildqualität (sichtbares Rauschen ab ISO 800)
rechtfertigen den aktuellen Straßenpreis nicht – aber der dürfte
erfahrungsgemäß sinken. Vielleicht, wenn andere Kameras nach Micro
FourThirds-Bauart erscheinen.
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Öffnung hat eine veränderbare Größe und je größer sie ist, desto mehr Licht fällt ein. Bei kompakten Digitalkameras kann die Blende manchmal, bei Spiegelreflexkameras meistens auf Wunsch manuell eingestellt werden. Angegeben wird sie dabei mit der sogenannten Blendenzahl (wie um Beispiel 8, 5,6 oder 2,8). Je größer die Blendenzahl (oft angegeben mit f/Blendenzahl), umso kleiner ist die Blendenöffnung. Konkret: Bei der Blendenzahl 4 ist die Blendenöffnung doppelt so groß wie bei der nächst höheren Blendenzahl 5,6. Die Blendenzahlen beruhen auf einer mathematischen Formel, nach der sich die sogenannte Blendenreihe berechnet. Hier verkleinert sich von Stufe zu Stufe die Blendenöffnung (0,5 / 0,7 / 1 / 1,4 / 2,8 / 4 usw., siehe SPIEGEL WISSEN). Mehr Licht durch eine große Blendenöffnung ermöglicht eine kürzere Verschlusszeit. Eine möglichst kurze Verschlusszeit ist nötig, um sich schnell bewegende Objekte möglichst scharf aufzunehmen. Wer zum Beispiel einzelne Szenen eines Basketball-Spiels einer nicht allzu hell beleuchteten Sporthalle aufnehmen will, kann eine kleinere Blendenzahl (also eine größere Blendenöffnung) wählen und dafür die Verschlusszeit verkürzen. Als Richtwert gilt dabei: Ein Stufe abwärts in der Blendenreihe erlaubt eine gleichzeitige Halbierung der Belichtungszeit Gleichzeitig beeinflusst die Größe der Blendenöffnung die sogenannte Schärfentiefe. Grundregel: Je kleiner die Blendenzahl (und je größer somit die Größe der Blendenöffnung), desto geringer die Schärfentiefe. Geringe Schärfentiefe bedeutet: Das Motiv im Vordergrund ist scharf, der Hintergrund ist unscharf. Große Schärfentiefe bedeutet, dass die Partien im Vorder- und Hintergrund scharf auf dem Bild erscheinen. Diese Verschlusszeit wird meistens in Sekundenbruchteilen angegeben. 1/1000 ist zum Beispiel eine tausendstel Sekunde. Bei Kompaktkameras kann die Verschlusszeit manchmal, bei Spiegelreflexkameras immer auch manuell eingestellt werden. Angeben wird sie in Zeitstufen (wie 0,5"; 1/4; 1/8; 1/15; 1/30; 1/60; 1/125 usw.). Je größer die Zeitstufe, umso länger ist der Verschluss geöffnet. Bei einer kurzen Verschlusszeit erscheinen auf dem Bild sich schnell bewegende Objekte scharf, bei längeren Verschlusszeiten wirken sie verwischt, das ist die sogenannte Bewegungsunschärfe. Verwendet man bei solchen Aufnahmen mit längeren Belichtungszeiten kein Stativ oder zumindest eine feste Unterlage für die Kamera, verwackeln die Aufnahmen oft durch die Bewegung der Hand. Ruht die Kamera auf einer festen Unterlage, kann man mit längeren Belichtungszeiten zum Beispiel Autos auf Fotos verwischt erscheinen lassen, während alle statischen Objekte in der Umgebung scharf erscheinen. Bei sehr kurzen Belichtungszeiten ist eine starke Beleuchtung oder eine entsprechend große Blendenöffnung nötig, um ausreichende Belichtung zu gewährleisten. Grundregel: Stellt man eine Zeitstufe größer ein, kann man eine Blendenzahl weniger einstellen. Konkret: Geringe Schärfentiefe bedeutet, dass das Motiv im Vordergrund scharf, der Hintergrund aber unscharf ist. Große Schärfentiefe bedeutet: die Partien im Vorder- und Hintergrund erscheinen auf dem Bild scharf. Die Schärfentiefe eines Bildes hängt unter anderem von der Größe der Blendenöffnung ab, aber auch von der Brennweite des Objektivs und dem Bildformat, beziehungsweise der Sensorgröße. Einige Beispiele für Sensorgrößen: + digitale Kompaktkamera Nikon Coolpix S60 (1/2.3"): 0,28 cm² + digitale Bridge-Kamera Canon G10 (1/1,7"): 0,43 cm² + digitale Four-Thirds- Kamera Lumix G1 (4/3") 2,24 cm² + digitale Spiegelreflex-Kamera Canon EOS 350D 3,28 cm² + Kleinbild: 8,64 cm² – Mittelformat: 17,28 cm² Ein Problem bei der Sensorgröße entsteht, wenn auf der gleichen Fläche immer mehr Fotodioden untergebracht werden. Sprich: Eine digitale Kompaktkamera mit derselben Auflösung (gemessen in Megapixel) wie eine Spiegelreflexkamera bringt dieselbe Menge an Fotodioden auf einer kleineren Oberfläche unter. Eine Folge: Auf der kleinen Fläche erreicht weniger Licht jede einzelne der Fotodioden, das Signal muss daher verstärkt werden, was wiederum mehr Störungen, das sogenannte Bildrauschen mit sich bringt. Bei Digitalkameras haben die Hersteller diese Skala übernommen, um die Empfindlichkeit anzugeben. Wenn in einem dämmrigen Umfeld die Verschlusszeit wegen Verwacklungsgefahr nicht stark genug erhöht werden kann, und eine allzu große Blendenöffnung wegen des Verlusts an Schärfentiefe nicht erwünscht ist, kann die Empfindlichkeit erhöht werden, um eine ausreichende Belichtung zu gewährleisten. Hebt man die ISO-Stufe um einen Schritt an, kann die Verschlusszeit zum Beispiel um einen Schritt vermindert werden. Bei Digitalkameras verstärkt die Software das auf dem Sensor eingehende Signal. Dabei verstärkt die auch die Störungen, das sogenannte Bildrauschen nimmt zu. Laut Kodak genügt für einen Ausdruck in A4-Format (20×30 cm) in guter Qualität eine Auflösung von 1920 x 1280 Pixeln (2,4 Megapixel), für optimale Qualität ist eine Auflösung von 2160 x 1440 Pixeln (3,1 Megapixel) nötig. Eine digitale Kompaktkamera mit derselben Auflösung wie eine Spiegelreflexkamera bringt dieselbe Menge an Bildpunkten auf einer kleineren Sensoroberfläche unter. Eine Folge: Auf der kleinen Fläche erreicht weniger Licht jeden einzelnen der Bildpunkte, das Signal muss daher verstärkt werden, was wiederum mehr Störungen durch das sogenannte Bildrauschen mit sich bringt. + Je stärker die Lichtempfindlichkeit der Kamera eingestellt ist, umso stärker ist das Rauschen, da das vom Sensor eingehende Signal verstärkt wird – einschließlich der Störungen. + Je wärmer der Sensor ist, umso stärker ist das Bildrauschen. Digitalkameras nutzen diverse Software-Routinen, um das Bildrauschen schon beim Abspeichern einer Aufnahme herauszurechnen. Die Hersteller nutzen verschiedene Verfahren mit unterschiedlichen Ergebnissen. Manchmal beeinträchtigt die Rauschunterdrückung wiederum die Schärfe eines Bildes sichtbar.
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