Digitalmusik: EU-Kommission will Gema und Co. härter regulieren (Spiegel Online, 11.7.2012)
Digitalmusik
EU-Kommission will Gema und Co. härter regulieren
Bei Online-Musik gibt es keinen EU-Binnenmarkt: Wer europaweit neue Web-Dienste schaffen will, muss sich mit 250 Verwertungsgesellschaften in 27 Mitgliedstaaten einigen. Eine neue EU-Richtlinie soll das ändern. Doch bis sie verabschiedet und umgesetzt wird, werden Jahre vergehen.
Spiegel Online, 11.7.2012
{jumi [*3]}
Brüssel – Mehr als 250 Verwertungsgesellschaften vertreten in der EU die Rechte der Komponisten und Textautoren von Musikstücken, in Deutschland beispielsweise die Gema. Nicht alle erfüllen ihre Aufgabe gut, urteilt EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier. In einer Presseerklärung der EU-Kommission heißt es, einige Verwertungsgesellschaften würden nicht die Voraussetzungen für einen Online-Musikmarkt schaffen. Nur wenige Online-Musikdienste haben europaweite Angebote. Das liegt auch daran, dass in jedem EU-Staat eigene Verträge mit Verwertungsgesellschaften verhandelt werden müssen. Es gibt keine Organisation, die Urheber europaweit vertritt.
In einem Papier der EU-Kommission zur geplanten Richtlinie heißt es, es gäbe bei manchen Verwertungsgesellschaften außerdem Probleme mit “schlechter Geldanlage” und “langen Verzögerungen bei der Ausschüttung von Beträgen an Rechteinhaber”. EU-Kommissar Barnier will die Verwertungsgesellschaften mit einer neuen Richtlinie strenger regulieren.
Kommission fürchtet Monopol einer EU-Verwertungsgesellschaft
Die Vorschläge der Kommission sind kompliziert. Das einfache Modell einer paneuropäischen Dachgesellschaft, in der alle 250 Organisationen die Rechte bündeln, lehnt die EU-Kommission ab. Die Begründung: “Es würde eine Organisation mit einem De-Facto-Monopol entstehen. Das Risiko ist hoch, dass so der Wettbewerb eingeschränkt werden könnte.” Die EU-Kommission fürchtet Kundenzuteilungen und Preisabsprachen.
Barnier schlägt stattdessen vor, dass Verwertungsgesellschaften gesetzlich verpflichtet werden, die von ihnen vertretenen Rechte zur Online-Nutzung freizugeben. Die EU-Richtlinie sieht mehrere Methoden zur EU-weiten Lizenzierung vor. Wenn eine Gesellschaft keine davon nutzt, soll die neue Vorschrift Urhebern das Recht garantieren, sich bei der EU-weiten Online-Nutzung von einer anderen Gesellschaft vertreten zu lassen.
Die Verwertungsgesellschaften sollen die von ihnen vertretenen Rechte EU-weit lizenzieren. Sie können laut der EU-Richtlinie …
- … ihre Rechte selbst EU-weit oder in einzelnen Mitgliedstaaten anbieten. Voraussetzung ist, dass sie die neuen EU-Vorschriften zu Effizienz und Transparenz erfüllen.
- … Unternehmen mit der Abwicklung und Abrechnung der Lizenzen in anderen EU-Staaten beauftragen.
- … ihr Repertoire von anderen Verwertungsgesellschaften in der EU anbieten lassen. Diese Organisationen dürfen die Fremdrechte nur in den Staaten anbieten, in denen sie auch Lizenzen für das eigene Repertoire verkaufen. Sie müssen alle interessierten Gesellschaften vertreten.
- … Gemeinschaftsunternehmen mit anderen Verwertungsgesellschaften gründen, die das gemeinsame Repertoire EU-weit oder in einzelnen Mitgliedstaaten anbieten. Diese Gemeinschaftsorganisationen müssen jedes interessierte Mitglied aufnehmen und jede interessierte nationale Organisation vertreten.
Als Zwischenhändler für andere Organisationen sollen nur jene Verwertungsgesellschaften agieren dürfen, die die neuen EU-Vorschriften zu Transparenz und Mitgliederbeteiligung erfüllen. Die nun vorgestellte Richtlinie schreibt unabhängige Aufsichtsgremien, detaillierte Berichte über die Erlösquellen und die Verwendung der Mittel sowie Auszahlungsfristen vor.
Ob die vorgeschlagene EU-Richtlinie Online-Diensten die Lizenzierung wesentlich erleichtert, bleibt abzuwarten. Es liegt an den Urhebern, sie werden trägen Gesellschaften die Online-Rechte entziehen und sie an andere Verwertungsorgansiationen übertragen müssen, damit Wettbewerb entsteht. Bis es dahin kommt, dürfte noch viel Zeit vergehen – erst einmal muss die vorgeschlagene Richtlinie überhaupt in Kraft treten, dann muss sie in nationales Recht umgesetzt werden. So etwas dauert Jahre. Bis es so weit ist, kann der Online-Musikmarkt ganz anders aussehen als heute.