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Download-Musik: Amazon öffnet deutschen MP3-Discount (Spiegel Online, 1.4.2009)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
3 minuten gelesen

Download-Musik

Amazon öffnet deutschen MP3-Discount

Fünf Millionen Songs, MP3-Dateien ohne DRM-Schutz und Billigtarife ab 77 Cent: Apples Musikshop iTunes bekommt in Deutschland starke Konkurrenz von Amazon. Das Angebot des Online-Händlers ist halb so groß, die Tarife sind unübersichtlich, aber zum Teil deutlich niedriger.

Spiegel Online, 1.4.2009

Das geht fast schon zu einfach: Nach zehn Sekunden im neuen MP3-Download-Shop des Online-Händlers Amazon hat man ganz schnell Songs für ein paar Euro eingekauft: Amazon bietet in dem am heutigen Mittwoch für Deutschland freigeschalteten MP3-Portal insgesamt fünf Millionen Songs an. Gesucht und gekauft wird wie auf der Amazon-Web-Seite sonst auch. Wer eingeloggt ist, kann mit einem Klick Songs erwerben, der Download der nicht kopiergeschützten Dateien beginnt dann sofort.

Diese Bedienungsdetails erinnern nicht von ungefähr an den Marktführer im Musikdownload-Geschäft: In Apple Musik-Online-Shop iTunes ist der Kauf mit einem Klick ähnlich simpel. Die Angebote sind in vielen Punkten durchaus vergleichbar: iTunes hat ein sehr großes Angebot (zehn Millionen Titel) – Amazon startet in Deutschland mit einem Repertoire von fünf Millionen Musikstücken. Das ist halb so viel, aber mehr, als die meisten anderen Anbieter haben.

Apple hat im Frühjahr angekündigt, komplett auf digitales Rechtemanagement (DRM) zu verzichten, das Amazon-Angebot ist völlig DRM-frei. Das bedeutet:

  • Die Amazon-Songs laufen auf beliebig vielen Abspielgeräten – auch auf mehreren gleichzeitig.
  • Kunden können die Dateien problemlos in iTunes oder den Windows Media Player importieren.
  • Die Amazon-MP3s kann man ohne Mehraufwand auf PC, Macs, iPods und jedem anderem MP3-Abspielgerät laufen lassen. Zum Beispiel auch als MP3-CD im Autoradio, das an entsprechenden iTunes-Dateien scheiterte.

Da Apple im April die Umstellung auf ein komplett DRM-freies Format abschließen will, unterscheiden sich die Formate, in denen Amazon (MP3 mit 256 KBit/Sek) und Apple (AAC- mit 256 KBit/Sek) anbieten für Laien kaum. Ob AAC eine spürbar bessere Klangqualität bietet, ist für Experten ein interessantes Diskussionsthema. Die Mehrheit der potentiellen Kunden wird Amazons Angebot anhand von anderen Kriterien bewerten:

  • Wie teuer sind die Downloads im Vergleich?
  • Wie groß ist das Angebot?
  • Wie einfach ist die Bedienung?

Die Preisgestaltung bei Amazons MP3-Shop ist “flexibel” (sagt der Händler) und unübersichtlich (empfindet der Kunde). Zur Einführung des Angebots verkauft Amazon mehr als 2000 Alben für weniger als fünf Euro pro Stück. Ansonsten können Alben auch deutlich mehr kosten – das teuerste im Amazon-MP3-Shop ist derzeit die “Carl Schuricht Collection” für 185,49 Euro. Wie viele Alben zu welchem Preis zu haben sind, sagt Amazon auf Anfrage nicht. Das wird sich wohl häufiger ändern.

77 Cent pro Song

Preise für einzelne Musikstücke beginnen bei 68 und gehen bis 99 Cent hoch. Ein großer Anteil der Titel soll für 77 Cent zu haben sein – das ist deutlich billiger als bei iTunes, wo man die meisten Titel für 99 Cent kaufen muss.

Da eine Preissuchmaschine für die großen Musik-Download-Shops fehlt, hilft nur der Stichprobenvergleich bei der Orientierung. Einige Beispiele:

  • Die Trashmonkeys-EP “Give That To Me” ist bei Amazon (2,31 Euro) billiger als bei iTunes (2,97 Euro)
  • Der Song gleichen Titels ist bei Amazon für 0,77 Cent zu haben, bei iTunes muss man 0,99 Cent bezahlen.
  • Das neue Olli-Schulz-Album “Es Brennt So Schön” kostet bei Amazon 4,89 Euro, bei iTunes sind 9,99 Euro fällig.
  • Das ältere Andrew-Bird-Album “Armchair Apocrypha” kostet bei Amazon 8,99, bei iTunes 9,99 Euro.

Beim Ausprobieren des Angebots taucht aber auch eine erste Lücke im Amazon-Repertoire auf: Von Who made Who gibt es im MP3-Laden des Online-Händlers nur einen Titel, beim iTunes hingegen auch das aktuelle Album. Ähnlich sieht es beim als “Legowelt” auftretenden Niederländer Danny Wolfers aus: Gerade mal ein Titel bei Amazon, 89 hingegen bei iTunes.

Amazon versucht sich als MP3-Aldi

Fazit des kleinen Angebotsvergleichs: Amazon ist billiger, aber offenbar nicht ganz so umfangreich wie die Apple-Konkurrenz. Die meisten potentiellen Musikkäufer dürfte das allerdings kaum stören. Amazons Angebot ist einfach, günstig. Wer Extras will, schaut vielleicht bei iTunes rein. Das gilt nicht nur fürs Repertoire, sondern auch für die Bedienung: iTunes kommt mit eigener Software daher, nimmt Bewertungen an, erstellt Abspiellisten, sortiert Titel automatisch nach Beliebtheit, schlägt ähnlich wie LastFM neue Musikstücke vor, die zum bisherigen Hörverhalten des Nutzers passen.

All diese Extras fehlen bei Amazon. Das webbasierte Angebot bietet kleine Zusatzprogramme, mit denen man die Amazon-Downloads bequem etwa in iTunes einbinden kann. Mehr nicht – keine Extras, keine ausgefallenen Details, sondern günstige Preise. Der MP3-Discount eben.


Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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