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Ein guter Name ist nichts wert (taz Ruhr, 10.12.1998)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
3 minuten gelesen

Ein guter Name ist nichts wert

Ob Karl Peters oder Admiral Scheer: Rassisten und Kriegshetzer sind immer noch Namenspatrone für Straßen und Plätze im Pott. Die Verwaltungen behaupten: Änderungen wären zu teuer

taz Ruhr, 10.12.1998

Kolonialeroberer, Rassist und Mörder: Karl Peters war alles, nur kein würdiger Patron für Straßennamen. Mit seiner Kolonialgesellschaft nährte er ab 1884 den Größenwahn eines kaiserlich- deutschen Weltreichs. Auf seinen Beutezügen in Ostafrika ließ er Afrikaner niederschießen, oder eignete sich ihr Land über "Verträge" an. Selbst für den Reichsdienst wurde Peters untragbar: 1895 ließ er zwei Sklaven aus persönlichen Motive hängen. Der politische Skandal führte zur Entlassung.

Nicht verwunderlich, daß Peters Idol der Nationalsozialisten war – ein Herrenmensch par excellence. Biographien wurden geschrieben, mit Präambeln wie "Wir brauchen Männer, die Sturm im Blut und im Herzen den Himmel tragen". Allerorten wurden Straßen Karl Peters zu Ehren umgetauft. Auch in Essen (1939), Bottrop (1938), und Oberhausen. Seltsam ist nur, daß sie heute noch seinen Namen tragen – und jeder Umbenennungsversuch scheitert.

So in Essen. Hier gesellen sich als Namenspatrone zu Karl Peters auch der antisemitische Hetzer Treitschke, Admiral Scheer, der 1914 den totalen U-Boot Krieg entfesselte, und Generaloberst und Demokratiefeind von Seeckt. "Es gibt in Essen ein Dutzend untragbarer Straßennamen", empört sich Grünen- Ratsherr Walter Wandtke. Umbennungsversuche gab es viele: "Wir haben uns in den Bezirken und im Rat die Köpfe gegen die SPD- Mehrheiten eingerannt", erinnert sich Wandtke. Zum Beispiel Anfang der 90er Jahre mit dem Antrag im Hauptausschuß, politische Leitlinien für Straßenbenennungen einzuführen. "Die SPD hielt das für unnötige Kosten", berichtet Wandtke.

Eigene Grundsätze zur Straßenbenennung verabschiedete die SPD 1993 im Hauptausschuß. Die faßt Heinz Hoffrichter, beim Essener Tiefbauamt für Straßennamen zuständig, so zusammen: "Die Namen sollen kurz, prägnant und im Stadtgebiet einmalig sein. Der Name soll Bezug zur Lokalgeschichte oder fürs Gemeinwohl wichtigen Personen haben. Umbenennungen sollen im Hinblick auf die Kosten für die Anwohner unterbleiben." Und doch wurden Straßen umbenannt, allerdings aus politischen Gründen anderer Natur. Zum Beispiel mutierte 1997 eine schnöde Kreuzung zum wohlklingenden Opernplatz, als sich RWE mit schniekem Glasturm dort niederließ. 1991 wurde ein Teil der Grugaplatzes nach dem VEBA- Vorstandsmitglied Rudolf von Bennigsen-Förder benannt, nachdem sich dort VEBA-Tochter Raab Karcher ansiedelte. Heinz Hoffrichter vom Tiefbauamt: "Die Umbenennungen waren von den Unternehmen angeregt."

Mit Karl Peters als Namenspatron hat auch SPD Ratsfraktionsgeschäftsführer Hartmut Kütemann- Busch seine Probleme: "Natürlich muß das überprüft werden." Konkrete Initiativen der eigenen Partei kennt er aber nicht. "Darüber können wir erst im Januar nachdenken, momentan haben wir mit Philharmonie und Saalbau stadtentwicklungspolitisch wichtigeres zu tun."

In Bottrop initiierten 1989 durch einen Zeit-Artikel über Karl Peters aufgeklärte Bürger eine Umbennung. Der Stadtarchivar prüfte und sprach sich entschieden dafür aus. Bei einer Bürgerbefragung lehten aber von 100 Anwohnern 74 die Umbenennung ab. Für die SPD- Mehrheit in der Bezirksvertretung war die Sache damit gegessen. Bezirksverwaltungsleiter Manfred Hohler: "Eine Umbennung belastet ja die Anwohner, die müssen Visitenkarten neu drucken und Dokumente ändern lassen. Da war es schwierig, sich über das Votum hinwegzusetzen, obwohl der Name sehr problematisch ist" Wieso wurde die Straße aber nicht 1993 umbenannt, als wegen der neuen Postleitzahlen sowieso alles neu gedruckt werden mußte? Hohler: "Das wäre das einfachste gewesen, aber die Problematik war wohl nicht mehr so bewußt. Vielleicht greift man das mal auf."

Auch in Oberhausen stimmten 1997 die Anwohner der Karl-Peters-Straße gegen eine Umbenennung. Die SPD- Mehrheit in der Bezirksvertretung schloß sich an. Bezirksvorsteherin Inge Dratz sieht weder Probleme noch Handlungsbedarf: "Die Bezirksvertretung hat entschieden. Es macht keinen Sinn, so etwas neu aufzurollen. Außerdem könnte man gleich Dreiviertel der Straßennamen ändern."In Mülheim aber trägt seit 1995 die Karl-Peters-Straße den Namen der Frauenrechtlerin Elisabeth Selbert – auf Initiative der Mülheimer SPD, vor allem der Jusos zustande gekommen. Allerdings gab es auch in Mülheim schon frühere Versuche, Karl Peters nicht mehr zu ehren. Doch die ersten Anträge der Grünen in den 80ern scheiterten noch an der SPD. Grünen- Ratsfraktionssprecherin Anette Lostermann-Denil: "Bis dahin argumentierte man immer mit dem Aufwand für die Anwohner. Es gab Proteste, aber heute beschwert sich niemand mehr." In der Vergangenheit nahmen Sozialdemokraten auch schon kritischere Positionen zu Karl Peters ein, als es heute manche Genossen in Bottrop, Oberhausen und Essen tun: August Bebel bekämpfte heftigst den "Hänge-Peters".

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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