Eingestelltes Kartellverfahren: Wir Nutzer entscheiden, wie weit Google geht
Eingestelltes Kartellverfahren
Wir Nutzer entscheiden, wie weit Google geht
Google nutzt seine Suchmaschine, um andere Google-Dienste in den Markt zu drücken. Die US-Kartellbehörde will das nicht weiter untersuchen. Jetzt müssen die Nutzer entscheiden, ob der Konzern mit seiner Strategie durchkommt – oder weiter von der Bequemlichkeit der Mehrheit profitieren kann.
Spiegel Online, 4.1.2013
Google kann laut der US-Kartellbehörde FTC mit seiner Suchmaschine so ziemlich alles machen, was der Konzern für richtig hält. Die FTC untersucht nun nicht weiter, wie Google Konkurrenzdienste in der Darstellung der Treffer in der Google- Suche benachteiligt hat.
Im FTC-Abschlussbericht heißt es, Google habe Konkurrenzangebote in den Treffern abgewertet und eigene Dienste prominent platziert. Warum Google das tut, will die FTC nicht weiter untersuchen. Begründung: “Wir sind der Ansicht, dass man Googles Platzierung eigener Inhalte als plausible Verbesserung der Gesamtqualität der Suchergebnisse sehen könnte.” Im Klartext heißt das: Die FTC will kein langes, kompliziertes Verfahren riskieren, bei dem unklar ist, wer gewinnt.
Aber Kartellbehörden sind nicht die einzigen, die Googles Methoden bewerten. Das können auch die Nutzer tun. Jeden Tag. Und bislang profitiert Google von der Bequemlichkeit der Mehrheit.
Jeden Tag stimmt jeder Nutzer von Google-Diensten darüber ab, ob er die Microsoft-Methoden des Konzerns akzeptiert, weil die Dienste so gut sind.
Die Microsoft-Methode ist diese: Ein Konzern nutzt den Erfolg eines Produkts, um mit diesem Hebel andere Dienste durchzudrücken. Microsoft hat einst den Internet Explorer als Standard-Browser bei Windows vorinstalliert. Google geht ähnlich vor. Wer eine App im Android-Store Google Play bewerten will, muss dazu ein Konto bei Googles sozialem Netwerk einrichten. Wer eine Adresse googelt, dem zeigt Google prominent einen Ausschnitt seines eigenen Kartendienstes. Wer nach einem Computer-Bauteil wie beispielsweise einem ATX Mainboard sucht, der sieht ganz oben einen Preisvergleich aus Google Shopping-Dienst. Bei jedem Google-Produkt sind andere Google-Dienste integriert.
Ist das im Sinne der Verbraucher? Ist das wirklich eine “plausible Verbesserung der Gesamtqualität der Suchergebnisse”? Wenn man sich einmal die Mühe macht, andere Dienste auszuprobieren, stellt man fest, dass sie Googles Angeboten manchmal überlegen sind. Selbst in Deutschland hat das offene, von Freiwilligen zusammengetragene Programm Openstreetmap zum Teil genauere Karten als Google Maps. Openstreetmap zeigt inEssen zum Beispiel Parkplätze, Spielplätze und Fußwege, die Google Maps nicht kennt. Hier verweist Google nicht auf die besten Treffer bei Kartendiensten, sondern nur auf die eigenen. Es gibt Navigationsdienste und Offline-Apps, die Daten von Openstreetmap nutzen und auf Smartphones für die Offlinenutzung speichern (Android, iOS). Man muss diese Alternativen ausprobieren, um zu entdecken, welche besser sind.
Ganz ähnlich ist das auch bei den vielen Webdiensten von Google. Es gibt andere, zum Teil kostenpflichtige Dienste. Ich habe jahrelang gedacht, dass es für meine Zwecke nichts Besseres als den Google Reader und Google Mail gibt. Dann habe ich andere Programme ausprobiert und festgestellt, wie gut sie sind. Inzwischen zahle ich gerne für den selbst gehosteten RSS-Reader Fever (Einmalzahlung von 23 Euro an den Entwickler) und den E-Mail-Dienst von Zoho (27 Euro pro Jahr für 15 Gigabyte mit Activesync für Mail, Kontakte, Kalender).
Die Google-Verteidiger haben im Prinzip schon recht: Man kann jederzeit andere Dienste nutzen. Aber das müssen genug Menschen tun, damit Angebote und Anbieter wie Openstreetmap, DuckDuckGo, 500px, Pinboard,Instapaper, Fever, Zoho, WordPress existieren können.
Die Vielfalt im Netz existiert, wenn man sie nutzt.