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So entsteht ein lebendiges Stadtwiki

Konrad Lischka
Konrad Lischka
3 minuten gelesen
So entsteht ein lebendiges Stadtwiki

Das Stadtwiki Karlsruhe feiert zehnjähriges Jubiläum. Mit mehr als 24.000 Artikeln und einer regen Community ist das lokale Wiki für mich aus zwei Gründen als Fallbeispiel spannend:

  • Das Stadtwiki Karlsruhe hat eine lebendige, seit Jahren stabile lokale Community, die sich mit dem Projekt und der Stadt identifiziert und Öffentlichkeit schafft.
  • Stadtwikis sind im Netz Teil des dritten, von Nutzern selbstverwalteten Raums neben komplett kommerziellen und rein privaten Angeboten.

Deshalb interessiert mich, wie das Stadtwiki Karlsruhe so lebendig geblieben ist. Beate Paland (eine der Admins und Vorstandsmitglied beim Bildungsverein Region Karlsruhe hinter dem Wiki) antwortet auf ein paar Fragen dazu:

Was ist das Stadtwiki Karlsruhe für dich und was ist besonders daran?

Beate: Das Besondere ist sicherlich, dass es schon so alt ist, und immer noch läuft, sowohl technisch als auch inhaltlich. Zehn Jahre sind für ein Webprojekt schon erstaunlich, so lange haben nicht viele Stadtwikis durchgehalten. Von Dresden weiß ich, dass es sogar noch ein Jahr älter ist, aber sonst gibt es nicht mehr viele Stadtwikis aus gleichem Gründungsjahr. Für mich ist es ein Nachschlagewerk, das ich fast täglich nutze, oft auch ergänze bei der Lektüre lokaler Zeitungen.

Wie viele Freiwillige sind derzeit aktiv und wie hat sich das über die Jahre entwickelt?

Beate:Das ist immer schwierig zu sagen und auch unterschiedlich, aber wenn ich unsere Spezialseite „Aktive Benutzer“ aufrufe, werden dort durchschnittlich 70 bis 80 Benutzer gelistet, die in den letzten 30 Tagen aktiv waren. Wie hoch diese Zahl früher war, weiß ich leider nicht mehr.

Wie werbt Ihr Nachwuchs fürs Stadtwiki?

Beate:Ganz ehrlich: leider gar nicht derzeit. Wir hatten von Jahren mal einige Schulprojekte, bei denen Schüler unter Anleitung Artikel schrieben oder verbesserten, aber leider ist davon keiner hängengeblieben. Wahrscheinlich weil die Schüler genug zu tun haben und sich in ihrer Freizeit lieber anderen Dingen widmen (was ja auch ok ist).

Aus Deiner Erfahrung: Was hat dazu beigetragen, dass das Stadtwiki Karlsruhe so lange lebt und wächst?

Beate: Unser Gründer Hauke Löffler antwortet darauf immer, dass es wohl daran liegt, dass wir sehr unterschiedliche Autoren haben. Vom Azubi über Angestellte, Eisenbahnfans, Selbständige bis hin zu Rentnern ist alles dabei. Natürlich auch der Unternehmer, der sich nur mal anmeldet, um einen Artikel über seine Firma zu schreiben und sonst nichts ändert, das gibt es auch.

Wenn Du Dir den typischen Autor und den typischen Nutzer des Stadtwikis vorstellst – wie sieht der in Deiner Vorstellung aus?

Beate: Der typische Nutzer ist einfach: Das sind vor allem Leute, die von Suchmaschinen auf unserem Wiki landen und gar nicht wissen, dass das ein Wiki ist und was das überhaupt ist. Wir hatten mal einen Fall, da wollte eine Gemeinde ihre Sonntagskollekte einer sozialen Einrichtung spenden, die einen Artikel im Stadtwiki hatte. Und weil in der Seitenleiste unser Konto verlinkt war, um Spenden für das Wiki zu sammeln, haben wir das Geld bekommen, weil der Kirchenmitarbeiter dachte, das wäre das Konto der Einrichtung. Manche Nutzer haben auch noch Fragen, die über den Artikel hinausgehen und rufen dann unseren Vorsitzenden an, der im Impressum steht, z.B. wie gerade der Wind an einem Baggersee ist, weil sie gerne surfen möchten.

Was sollten mehr Menschen wissen?

Beate: Dass die meisten Stadtwikis keine Initiative der Stadt an sich ist, sondern meist von einem Verein oder einem Kleinunternehmer getragen wird, manchmal auch von Zeitungshäusern. Bei letzterem als Betreiber bin ich aber immer etwas kritisch – vielleicht zu unrecht – aber ich denke immer, wenn es der Zeitung finanziell schlechter geht, könnte das Wiki das erste sein, das auf dem Prüfstand steht, und wenn der Stecker gezogen wird, sind alle Inhalte weg. Wir selbst haben guten Kontakt zur Stadt Karlsruhe, bekommen auch Pressemeldungen und Einladungen zu Presseterminen, bekommen Fragen beantwortet so gut es geht, aber keine finanzielle Unterstützung. Wichtig ist auch, den Mut zu haben, Störenfriede oder Querulanten frühzeitig aus dem Wiki zu verbannen, wenn man sieht, dass sie dauerhaft dem Projekt schaden. Wobei da nicht mal böse Absicht dahinter stecken muss. Wenn die Probleme, wegen denen ein Autor kurzzeitig gesperrt wird, danach weiter auftauchen und er/sie nicht einsichtig ist, ist es besser, wenn er außen vor bleibt anstelle dass er alle guten Autoren vertreibt. Das wäre sehr schlecht für das Projekt.

Das nehme ich aus dem Gespräch als Lehren mit: klare Diskussions- und Moderationskultur, engagierter Kern von Aktiven mit großer Offenheit für alle Themen, alle Formen von Aktivität (auch einmal Editieren ist gut), auch aus kommerzieller Motivation (so lange transparent) und mit geringen Einstiegshürden – jeder, der über die Suchmaschine zum Wiki kommt, ist als Mitarbeiter interessant. Das Wiki selbst ist die beste Werbung für die Community dahinter.

(Quelle des Beitragsbildes)

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Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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