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Facebook-Chef Mark Zuckerberg: Vom Milliardär zum Missionar (SpOn, 7.10.2008 mit Christian Stöcker)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
4 minuten gelesen

Facebook-Chef Mark Zuckerberg

Vom Milliardär zum Missionar

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg will die Bundesrepublik erobern. Der 24-Jährige kam nach Berlin, um die Deutschen von den Vorzügen seines Netzwerkes gegenüber dem großen Konkurrenten StudiVZ zu überzeugen. Mit SPIEGEL ONLINE sprach der jüngste Milliardär der Welt über seine Strategie.

Spiegel Online, 7.10.2008 (mit Christian Stöcker)

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Mark Zuckerberg ist ein müder Milliardär. Zumindest an diesem
Montagabend. Der 24-Jährige Studienabbrecher, Gründer und Chef von
Facebook, ist ein bisschen blass und hat tiefe Ringe unter den Augen.
Er ist auf Europa-Tournee – denn es gibt Nachholbedarf auf dem alten
Kontinent.

Über 110 Millionen aktive Mitglieder hat Facebook inzwischen – in
Deutschland sind es aber nur gut 1,2 Millionen. Also ist Zuckerberg,
der laut "Forbes" etwa anderthalb Milliarden Dollar schwer ist, selbst
in die Bundesrepublik gekommen, um ein bisschen Überzeugungsarbeit an
der Basis zu leisten.

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Als Neuntklässler hat er laut seiner alten Hochschulzeitung mal eine
PC-Version des Spiels "Risiko" programmiert. Wenn man ihm jetzt zuhört,
wird man das Gefühl nicht los, dass er die Entwicklung von Facebook als
ein ganz ähnliches Spiel betrachtet: Es geht darum, ein Land nach dem
anderen einzunehmen, um globale Vorherrschaft. Ein Eroberungszug in
Turnschuhen, Jeans und grauem T-Shirt. 

Am Nachmittag hat Zuckerberg vor ein paar Hundert Berliner Studenten
einen Vortrag gehalten, jetzt muss er Interviews geben, eins nach dem
anderen, am nächsten Tag das Gleiche noch mal in München. Streng
bewacht von Kommunikationschefin Debbie Frost und von Elliot Schrage,
Spitzenkraft für "globale Kommunikation und Politik".

Eine
mitgebrachte Tafel Schokolade lässt Zuckerbergs jungenhaftes Gesicht
aufleuchten, er beißt herzhaft hinein und redet dann drauflos. Einige
Vokabeln benutzt er besonders gern und häufig. "Connecting" ist eine
davon, eine andere "Sharing", was "teilen" bedeutet, aber auch
"mitteilen" und "gemeinsam nutzen". Das, was Facebook ausmachen soll.
Jedesmal, wenn er das Wort benutzt, nicken seine beiden
Kommunikationschefs eifrig, und Debbie Frost strahlt ihn begeistert an.

Schon mal daran gedacht, alles hinzuschmeißen?

Facebook besteht seit 2004. Zuckerberg programmierte es während
seiner Studienzeit in Harvard, anstatt Vorlesungen zu besuchen. Als das
betont schlichte Social Network für Studenten in den USA rasend
erfolgreich war, zog Zuckerberg nach Kalifornien – und kehrte nie an
seinen Studienplatz zurück. Im Juli 2006 hatte Facebook sieben
Millionen Nutzer, fast alle waren Studenten. Damals bot Yahoo eine
Milliarde Dollar als Kaufpreis. Zuckerberg lehnte ab. Heute wird der
Wert des Unternehmens auf zwischen 4 und 15 Milliarden Dollar
geschätzt, Microsoft hat vor einem Jahr für 1,6 Prozent von Facebook 240 Millionen gezahlt.

Hat Zuckerberg schon einmal daran gedacht, einfach seine Anteile zu
verkaufen, das Geld zu nehmen und lieber das Leben zu genießen? Etwa
Ende 2007, als das umstrittene Werbe-System "Beacon" für Proteststürme
sorgte? Hat er nie gedacht "verdammt, ich nehme einfach das Geld und
haue ab"? "Nicht in diesen Worten", sagt Zuckerberg und lacht. Aber es
gehe ja auch nicht ums Geld, sondern um das Projekt, um "Sharing". "Das
wäre für uns sonst auch gar nicht gut", wirft Elliot Schrage in betont
scherzhaftem Ton ein.

"Du hast Anzüge, die du mir anziehst"

Es gibt ein paar solcher Momente im Laufe des Gesprächs. Zuckerberg
verlässt dann die eingeübten Pfade der Eigenwerbung – etwa, als er sich
zu einer kleinen bösen Bemerkung über den Facebook-Finanzier Microsoft
hinreißen lässt. Dann bringen ihn seine beiden Kommunikationswächter
mit Blicken und ostentativ heiteren Einwürfen blitzschnell wieder zur
Räson. Der Milliardär kokettiert offen mit seiner Rolle als Wunderkind
unter den wachsamen Augen seiner PR-geschulten Zieheltern.

Zuckerberg trägt ein graublaues T-Shirt ("davon habe ich 15"), die
Outdoor-Jacke, die er sogar bei Vorträgen anzieht, hängt in der
Garderobe. Auf die Frage, ob er denn einen Anzug habe, sieht er zu
Debbie Frost und sagt: "Du hast Anzüge, die Du mir anziehst." Die
Angesprochene lacht wie eine stolze Mama und sagt, das sei doch nur ein
Jackett, und zum letzten Mal habe er es im Mai getragen, in Japan.

Aber über weite Strecken ist es gar nicht nötig, dass Frost und Schrage
sich einmischen. Denn Zuckerberg ist ein konzentrierter Prediger des
eigenen Evangeliums vom Teilen und Verbinden. Auch wenn man ihm nicht
so recht abnehmen will, dass Geld und Marktdominanz dabei eigentlich
gar keine Rolle spielen sollen.

Wenn er erst mal in Schwung gerät, leuchten seine Augen vor allem
bei Sätzen wie: "Mehr als 30 Prozent der Online-Population in
Großbritannien nutzt heute Facebook", oder "In Lateinamerika benutzten
alle Hi5. In wenigen Monaten wechselten alle Leute zu Facebook." Chile
werde "das erste Land sein, in dem mehr als 50 Prozent der
Online-Population bei Facebook vertreten sind". In Kanada seien es
jetzt schon 40 Prozent.

Die "Risiko"-Karte färbt sich Facebook-Blau

Während er diese Zahlen herunterrattert, kann man förmlich sehen,
wie sich eine Weltkarte in Zuckerbergs Hinterkopf Land für Land blau
färbt, Facebook-farbig. Wie bei "Risiko". Nie vergisst Zuckerberg, die
Konkurrenten zu nennen, die er aus dem Feld geschlagen hat. Südamerika:
Hi5. Großbritannien und Australien: MySpace.

Und Deutschland? Immerhin dominiert hier die VZ-Gruppe des
Holtzbrinck-Verlages (StudiVZ, SchülerVZ, MeinVZ – siehe Kasten unten)
mit insgesamt etwa 10 Millionen Nutzern den Markt. Dahinter liegt nicht
Facebook, sondern MySpace und das deutsche Netzwerk Wer-kennt-wen.
Facebook hat hierzulande aktuellen Zahlen zufolge 1,26 Millionen
Mitglieder. Das sei mehr als doppelt so viel wie im März, als deutsche
Bildschirmmenüs für die Plattform eingeführt wurden.

"StudiVZ wächst linear, wir wachsen exponentiell", sagt Zuckerberg.
"Ich weiß nicht, ob wir sie schon in einem Jahr überholen. Aber
vielleicht in zwei oder zweieinhalb." Natürlich wolle man auch auf dem
deutschen Markt gewinnen. "Aber nur deshalb, weil wir glauben, dass wir
es besser können, als die anderen". Ist das Ziel also doch die
Weltherrschaft?

"Nein!", ruft Zuckerberg und muss selbst ein bisschen Grinsen. "Welt-Teilen!".

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Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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