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Fantasy-Porno: Elfen-Erotik zum Computerspiel (Spiegel Online, 16.4.2007)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
3 minuten gelesen

Fantasy-Porno

Elfen-Erotik zum Computerspiel

Der 28-jährige Kalifornier Dez ist ein Star der US-Pornoszene und spielt seit 20 Jahren Fantasy-Rollenspiele. Jetzt dreht er Sexfilme, die in phantastischen Welten spielen. Wichtiger als Koitus sind ihm: perfekt choreographierte Schwertkämpfe, Elfen, Ritter und echte Bären.

Spiegel Online, 16.4.2007

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Von der Sonne ausgedörrtes Gras, ein paar Felsbrocken. Mitten in dieser Einöde ein Kämpfer im Kettenhemd, er trifft mit gezücktem Schwert auf eine Räuberin, bekleidet mit zwei breiten Lederriemen. Sie kämpfen – Gut gegen Böse, wie das so ist in Fantasy-Welten. Die Szene erinnert an Online-Rollenspiele, an Word of Warcraft vielleicht. Aber das hier ist ein Film – der erste professionell produzierte Porno für Fantasy-Freaks und Computerspieler.

Hier ist alles echt, was Fantasy-Fans wichtig ist: das Kettenhemd, die Schwerter, die Hitze (40 Grad) im kalifornischen San Fernando Valley. Und natürlich der Schwertkampf. Der ist aufwendig choreographiert – aufwendiger als der Sex: Die Darsteller in den Pornos des 28-jährigen Kaliforniers Dez müssen kämpfen können, und wenn sie zwei Wochen lang den ganzen Tag dafür trainieren.


Nerd und Pornograph

Denn Dez, der Produzent, Autor und Regisseur der skurrilen Fantasy-Pornos auf whorecraft.net nimmt es bei der Inszenierung von Fantasy-Welten so genau wie seine Zielgruppe. Er ist einerseits der typische Nerd: spielt seit 20 Jahren Fantasyrollenspiele, erst das Papier-basierte Dungeons & Dragons, dann World of Warcraft, ein Fantasy-Onlinerollenspiel. Andererseits ist Dez durchtrainiert, gebräunt – seine Myspace-Seite ist voller anzüglich-bewundernder Fan-Kommentare. Denn Dez hat unter diesem Künstlernamen von 2001 bis 2006 in 78 Pornofilmen mitgespielt. Dann hatte er genug, hat im vorigen Jahr seine Karriere beendet, fast zeitgleich mit seiner Freundin Alaura Eden.

Jetzt macht Dez, was ihm gefällt: Filme mit Schwertern, Rüstungen, Elfen, Trollen und Sex. “Die Menschen sehen in Spielen diese sexy Elfen, aber niemand sieht Elfen beim Sex. Fantasy ist so populär geworden – die Mischung erschien mir zwingend”, sagt Dez zu SPIEGEL ONLINE. Für die Macher des Spiels World of Warcraft waren die Mischung zu nah an ihrer Fantasy-Welt – nach einem Anwaltschreiben vermeidet Dez jetzt zu offensichtliche Parallelen.

20.000 Filme verkauft

Sechs Episoden sind gedreht, zwischen 19 und 30 Minuten lang. 20.000 mal haben Kunden Sie bisher gekauft. Wer ist das? Jugendliche Computerspieler, die hier vom Fantasy-Hintergrund angelockt harte Pornographie finden? Dez wiegelt ab: Ohne Kreditkarte sieht man nichts. Aber Dez muss zugeben: In illegalen Tauschbörsen tauchen alle Filme auf, werden rege getauscht. Und da prüft niemand das Alter.

Humor, Handlung und etwas Anspruch

Allerdings unterscheiden sich Dez Fantasy-Pornos von dem brutalen, menschenverachtenden Stoff, der Tauschbörsen überschwemmt: Seine Filme haben eine Handlung, Humor und einen erkennbaren ästhetischen Anspruch. Sie folgen nicht der perversen Logik des “härter, schneller, brutaler”, der die Dramaturgie der Gonzo-Pornos im Netz vorgibt. So etwas hat Dez hinter sich gelassen: “Ich will das nicht mehr, ich habe mehr Freude an dem, was ich jetzt tue.” Über Dez’ Filme hat schon die Kulturwissenschaftlerin Bonnie Ruberg geschrieben und Gamespiel-Design-Professorin Brenda Brathwaite hat die Filme auf einer Konferenz diskutiert.

Denn sie sind anders: Die sechs Episoden erzählen eine fortlaufende Geschichte, Charaktere treten immer wieder auf und deshalb sind einige Darstellerinnen immer wieder zu sehen – in Sprechrollen. Kein Sex, sondern Dialoge – das ist ungewöhnlich. Ebenso wie der Aufwand: Standard sind zwei Make-Up-Spezialisten, Kameramänner und Beleuchter. Für 20 bis 30 Minuten dreht Dez mit diesem Team zwei Wochen lang, dann eine Wochen Schnitt. Und einige Wochen Vorbereitung – Drehbücher, Kampfchoreographie, Ausstattung. Einmal hat ein Bär mitgespielt, ausgeliehen vom Tier-Trainer, der die Tiger in Gladiator betreut hatte.

Echte Bären, echte Schwerter

Das ist die Leidenschaft eines Fantasy-Fans: echte Schwerter, echte Bären, echte Tiger. An den Drehbüchern und seinen Bildern für den Sex muss Dez noch etwas feilen: Bonnie Ruberg schreibt in Ihrer Whorecraft-Kritik: “Die sechs Folgen haben tatsächlich eine stringente Handlung, die Sinn hat – zumindest in der Porno-Logik, dass Sex die Antwort auf jedes Problem ist.” Sie kritisiert auch, dass “Elfenohren die einzigen Warcraft-Element sind, die nicht verschwinden, sobald die Kleider fallen.”

Das ist das Problem mit Dez’ Filmen: Die Fantasy-Elemente sind eine Maske. Eine Maske, für die Dez seine ganze schöpferische Kraft aufwendet. Wenn Dez von seinen Ideen erzählt, geht es um Drachen, Spezialeffekte und Tiger. Das ist das Traurige an diesen Filmen: Sie sollen die große Leere der Pornographie füllen, neue Bilder finden – und zeigen Pornoklischees zwischen Elfen, Drachen, Rittern. Was der Pornographie fehlt, sieht man auch in seinen Filmen nicht: neue Bilder für die Liebe.


Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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