Fototrends auf der CES: Kompasskamera, Taucherlinse, Polaroid ist wieder da (Spiegel Online, 8.1.2010)
Fototrends auf der CES
Kompasskamera, Taucherlinse, Polaroid ist wieder da
Große Displays, HD-Videos, automatische Ortbestimmung: Auf der CES in Las Vegas beginnt das große Schaulaufen der Kompaktkameras. Edel-Kompakte mit Touchscreen sollen zum Fotoalbum für unterwegs werden – aber es gibt auch deutlich Ungewöhnlicheres zu sehen.
Spiegel Online, 8.1.2010
Nach dem Megapixel-Wettlauf überbieten sich die Kompaktkameras nun beim Filmen von HD-Videos. Gut 50 neue Kompaktkamera-Modelle zeigen die großen Hersteller auf der Hightech-Show CES, und die etwas teureren Modelle filmen Videos fast durchgehend in hoher Qualität mit mindestens 1280 × 720 Pixeln Auflösung (720p). Teurere Modelle wie die Sony Edel-Komaktkamera HX5 drehen Videos aber schon in 1080i-Auflösung (1920 x 1080 Bildpunkte).
Dieser Videowettlauf dürfe neuen Speicherkarten Auftrieb geben: Der neue SD-Karten-Standard SDXC ermöglicht Speicherkapazitäten von bis zu 2 Terabyte, die heute verfügbare SDHC-Karten können bis zu 32 Gigabyte Daten speichern. Panasonic wird im Februar die ersten SDXC-Karten mit 48 und 64 Gigabyte Speicherplatz in Deutschland verkaufen. Die Euro-Preise stehen noch nicht fest, dürften allerdings zu Beginn aberwitzig hoch sein. In den Vereinigten Staaten soll die 64-Gigabyte-Karte 600 Dollar kosten.
Abgesehen von diesen Zahlenprotzereien sind bei der CES diesmal auch Kameras zu sehen, die sich nicht nur durch technische Spezifikationen, sondern mit neuen Konzepten von der Konkurrenz abheben.
Touchscreen-Kameras, Riesensensoren, HDR-Funktion – so sehen die neuen Kompaktknipsen aus.
Kompakte mit Schmalspur-HDR und Kompass
Fehlt nur noch das Navigationssystem: Die neue Edel-Kompaktknispe HX5V von Sony hat GPS und Kompass. Damit soll man automatisch aufzeichnen können, wo die Aufnahmen entstanden sind, und was man fotografiert hat (schließlich notiert die Kompassfunktion ja die Fotorichtung). Kompaktkameras mit integriertem GPS sind noch selten, die Nikon P6000 bietet Ähnliches, allerdings konnte das Modell im Test wegen nicht sonderlich guter GPS-Empfangsleistung nicht überzeugen.
Ob Sony bessere GPS-Chips verbaut hat und die Kompass-Knipse fürs automatische Verorten von Fotos taugt, müssen Tests zeigen. Unklar ist noch, in welchem Datenformat die Positionsdaten aufgezeichnet werden und ob man die Kompassinformationen nur mit Sony-Software auswerten kann. Die HX5V trumpft aber auch mit anderen interessanten Details auf. Sony hat der Kamera eine Art Schmalspur-HDR spendiert. Wie schon die Ricoh bei der CX1 und Fuji bei der F200EXR wählt Sony ein Freihand-HDR als Kompromiss aus hohem Kontrastumfang und Bedienbarkeit.
Um Aufnahmen mit möglichst hohem Dynamikumfang zu erzielen, mühen sich Hobbyfotografen seit Jahren mit Stativen ab, knipsen jedes Motiv dreimal mit jeweils unterschiedlicher Belichtung (zu hell, zu dunkel, korrekt) und rechnen zu Hause mit Spezialprogrammen aus diesen Aufnahmen eine einzige, die eine große Detailfülle in den ganz hellen Flächen und den ganz dunklen Schatten hat. Dabei könnte das eigentlich gleich die Kamera bei der Aufnahme erledigen.
Die Sony HX5V beschränkt sich auf nur zwei Aufnahmen mit bis zu 3 Blendenstufen Belichtungsunterschied, die in der Kamera zur Auto-HDR-Aufnahme kombiniert werden. Der Abstand zwischen beiden Auslösungen soll niedrig genug sein, dass man aus der freien Hand fotografieren kann, ohne verwackelte Bilder fürchten zu müssen.
Bislang sind noch keine mit dieser Auto-HDR erstellen Beispielbilder verfügbar. Da das Prinzip aber an die Ricoh CX1 erinnert, ist zu vermuten, dass die Aufnahmen nicht mit den von Hand mit einer Spezialsoftware aus mehreren Einzelaufnahmen erstellten HDR-Aufnahmen mithalten können. Wie haben beim Test der Freihand-HDRs die superfeinen Farbnuancen, und die perfekte Dynamikkompression für die Bildschirmausgabe der echten HDR-Aufnahmen vermisst. Brauchbar sind solche Auto-HDR dennoch in bestimmten Aufnahmesituationen. Wer beim Gartenfest seine Verwandtschaft vorm Wolkenhimmel fotografiert, hat bei normalen Automatikknipsen oberhalb des Horizonts statt Wölkchen schlimmstenfalls nur eine weiße Fläche. Das automatische Schmalspur-HDR dürfte die Details im sonst überbelichteten Himmel erhalten.
Die Sony HX5V zeichnet Video im Full-HD-Modus auf (1080 Bildzeilen bei 50 Halbbildern je Sekunde im AVCHD-Format) und soll Bewegt- und Einzelbildaufnahmen mit einem neuen optischen Bildstabilisator gut vor Verwacklungsunschärfe schützen. Sony wirbt hier mit dem Versprechen “bis zu 10x so effektiv sein wie herkömmliche Bildstabilisatoren” – ob das stimmt, müssen Tests erstmal bestätigen.
Die DSC-HX5V soll in Deutschland ab März erhältlich sein – Sony empfiehlt den Händlern 359 Euro als Verkaufspreis.
Kopf-Knipsen für Schwimmer und Taucher
Unter Wasser filmen? Dafür kann man sich Unterwassergehäuse für seinen Camcorder kaufen oder für gar nicht so viel mehr Geld gleich eine wasserdichte HD-Videokamera. Kodaks auf den merkwürdigen Namen PlaySport getaufter, 179 Euro teurer (Preisempfehlung) HD-Taucher hält bis zu drei Metern Wassertiefe dicht. Die PlaySport hat einen elektronischem Bildstabilisator und nimmt Video in 1080p-Qualität (1920 x 1080 Pixel) mit 30 Bildern pro Sekunde auf. Die Taucherkamera ist in Deutschland erst im April erhältlich.
Etwas lustiger als eine simple Unterwasser-Kamera sehen die Konstruktionen der aus Hongkong stammenden Firma Liquid Images aus: Der Hersteller will den Markt in den Vereinigten Staaten mit filmenden Schwimm-, Ski- und Tauchermasken aufrollen. Dass man sich für jede Sportart eine neue Helmkamera zulegen muss, kommt Kunden nicht gerade entgegen. Die Scube HD322 soll HD-Videos im HD-Format 720p (30 Bilder je Sekunde) und bis zu 40 Meter unter der Wasseroberfläche dicht halten. In den Vereinigten Staaten soll die Taucherkamera 350 Dollar kosten, ob ein deutscher Händler die Kuriosität verkaufen wird, ist noch nicht klar.
Die Taucherbrillenkamera ist im Alltag natürlich völlig nutzlos, es sei dann, man will in der U-Bahn erschrockene und belustigte Mitfahrer filmen, die sich fragen, warum sie gerade jemand durch eine Taucherbrille anstarrt.
Touchscreen-Kameras als Fotoalbum
Auf dieser CES zeigt gefühlt jeder Hersteller eine superflache Kompaktkamera mit großen Touchscreen. Warum auch nicht – schließlich begeistert das iPhone Menschen über 60 meistens erst, wenn sie darauf Fotos mit dem Finger durchblättern. Die bisherigen Kompaktkameras mit Touchscreen litten bislang daran, dass diese Bildschirme nicht sonderlich berührungsempfindlich waren, sondern zuverlässig erst auf hartnäckiges Drücken reagierten.
Ob das bei den neuen Fotoflundern besser ist, müssen Tests noch zeigen. Kodak verspricht eine “Slice” getaufte Kompaktkamera, die zwei Gigabyte intern speichert, Fotos auf einem 3,5-Zoll-Display. Die Kamera soll in Deutschland 359 Euro kosten (erhältlich ab März).
Die W-Lan-Kamera
Samsung zeigt auf der CES eine Community-Knipse, die per W-Lan Fotos automatisch zu diversen Online-Diensten wie Flickr und Facebook überträgt. Die ST5500 soll allerdings 449 Euro kosten, was für eine Kompaktkamera beachtlich ist, die W-Lan und einen 3,5-Zoll-Touchscreen liefert, aber bei der Bildqualität nicht auf allzu viel hoffen lässt: Die ST5500 bringt 14-Megapixel auf einen kleinen Fotosensor unter – da sind bei Schummerlicht Bildrauschen oder durch die Rauschunterdrücken weggewischte Details garantiert.
Auch wenn das Display großartig, die Bedienung intuitiv und Übertragung per W-Lan und Bluetooth bequem wie nie sein sollten: Wer 450 Euro für eine Kompaktkamera ausgibt (zu dem Preis gibt es ja schon Einsteiger-Spiegelreflex-Kameras), wird doch auch Wert auf eine überdurchschnittliche Bildqualität legen.
Kleine Kamera mit großem Sensor
Das wurde auch Zeit: Auf der CES zeigt Samsung die lang erwartete Kamera NX10, die fast so klein und leicht wie die die Olympus (EP1) und Panasonic (GF1) ist, aber Fotos auf einem erheblich größeren Bildsensor als die Konkurrenz aufzeichnet. Vorteil dadurch: Mehr Details und weniger Bildrauschen, vor allem aber nicht nur bei Schummerlicht.
Der NX10-Sensor hat das sogenannte APS-C-Format – das entspricht der Sensorgröße einer Spiegelreflexkamera wie der Canon EOS 350D (3,28 cm²) und ist deutlich mehr als das Sensorformat Four-Thirds, wie es Kleinkameras wie die Olympus EP-1 und die Panasonic Lumix G1 nutzen (2,24 cm²).
Nun sind auf Digitalcamerareview.com die ersten mit der NX10 aufgenommen Fotos zu sehen – und in Großansicht sind die bei nicht gerade optimalen Lichtverhältnissen entstandenen Aufnahmen beeindruckend sauber und detailreich.
Zusammen mit drei passenden Objektiven soll sie im Frühjahr erhältlich sein, die Preisempfehlungen sind noch nicht bekannt.
Polaroid neue Sofortbild-Kamera
Die einzige neue Kamera, die Film statt Sensoren belichtet, stellt auf der CES Polaroid vor: In diesem Jahr soll die neue Pic 1000 Sofortbildkamera erhältlich sein. Die Sofortbildkamera funktioniert wie man es von ganz früher kennt: knipsen, Papierabzug wedeln, warten.
Die Pic 1000 belichtet Sofortbildmaterial (Color 600 Instant Film). Polaroid wird diese Farbfilme (10 Abzüge pro Packung) wieder verkaufen. Sie werden in Kooperation mit den Polaroid-Jüngern vom Impossible Project gefertigt, die in diesem Jahr ebenfalls neues Sofortbild-Material für Polaroid-Kameras vertreiben wollen.