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Full Metal Jacket Diary - so macht man enhanced E-Books

Konrad Lischka
Konrad Lischka
2 minuten gelesen
Full Metal Jacket Diary - so macht man enhanced E-Books

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1985 war der Schauspieler Matthew Modine (oben links im Bild) gerade mal 26 Jahre alt. Er war 1984 durch die Hauptrolle in Birdy sehr bekannt geworden und begann für Stanley Kubrick zu arbeiten. Als Hauptdarsteller in »Full Metal Jacket« (als Private Joker). Modine war insgesamt zwei Jahre mit dem Film beschäftigt. Bei Kubrick lag das Verhältnis von gedrehtem zu verwendetem Filmmaterial damals 1 zu 100, branchenüblich war damals 1 zu 10.

Modine hat am Set fotografiert und in einem Tagebuch seine Unsicherheit beschrieben, sein Hadern mit der Rolle, seine Versuche, Kubricks Vision und Wünsche zu fassen.

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Aus diesen Fotos und Texten ist das beste Tablet-E-Book geworden, das ich je gesehen habe. Das »Full Metal Jacket Diary« (nur für iPad, 8,99 Euro) macht alles richtig: die Technik stimmt, das Material und das Thema gewinnen durch die Darstellung auf dem Tablet. Wir scrollen durch die Tagebucheinträge, links neben dem Text sind die Fotos zu sehen. Man kann Text oder Aufnahmen durchwischen, die andere Ebene läuft automatisch mit. Jeder Text ist auch zu hören, professionell von Modine gelesen. Das bietet einen enormen Mehrwert: Man hört seiner Stimme an vielen Stellen an, dass er sich erinnert und wie diese Erinnerung gefärbt ist. Und wenn er beschreibt, welchen Sprachrhythmus Kubrick in einer Szene verlangt, (»Cpatrain January, you know I do my job.«), wie künstlich das klingt und wie wirkungsvoll der Dialog gerade deshalb ist – das sollte man hören, nicht lesen.

»Full Metal Jacket Diary« ist ein persönliches Buch über den Schauspieler Modine. Darüber, wie er in die Rolle und in Kubricks Kunstwerk hineinfindet. Es hilft auch, Stanley Kubrick zu verstehen. Beim Dreh ging es nicht um Naturalismus im Sinne von: Etwas schaffen, das möglichst nah an einem externen, objektive Referenzwert ist. Kubrick arbeitete an einem für sich vollkommenen Werk. So ist Kubricks Spruch zu verstehen, er müsse Szenen 100 Mal drehen, weil die Darsteller die Textzeilen nicht beherrschten. Es ging nicht um das auswending wissen. Es ging ums Verinnerlichen in einem Maß, dass sie in der Situation als die Figur denken und sprechen. Modine beschreibt diesen Prozess und seinen Kampf gegen die eigene Persönlichkeit dabei sehr anschaulich. Es wirkt rückblickend so, als sei dieses Figurwerden dem dargestellten Soldatwerden ähnlich. Bret Easton Ellis und Mathew Modine analysieren das im Gespräch in diesem Podcast.

Ach ja, Modine hat die App per Kickstarter finanziert. Ich habe bisher kein E-Book eines Verlages gesehen, das an »Full Metal Jacket Diary« herankommt. Oder kennt ihr Vergleichbares?

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Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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