Zum Inhalt springen

Gaga-Spielzeug: Außen putzig, innen grausig (Spiegel Online, 22.6.2008)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
3 minuten gelesen

Gaga-Spielzeug

Außen putzig, innen grausig

Wenn Nerds Spielzeug basteln, kommt so was raus: Kinder sollen einen verschnupften Plastik-Welpen vom Nasenschleim kurieren, den IQ ihres echten Wauwaus testen oder ihm einen Kauknochen mit Grinsegesicht verpassen. Motto: Ihr Hund ist zwar nicht der coolste – aber der albernste.

Spiegel Online, 22.6.2008

Igitt! Der gelbliche Plastikhund sitzt auf den Hinterpfoten, hat die
Schnauze weit aufgerissen und die Augen nach oben verdreht. Grüner
Schleim tropft zäh vom Oberkiefer. So stellen sich die
Spielzeugdesigner der japanischen Daddelfirma "Mega House" – eine
Tochter des Bandai-Konzerns – Unterhaltung für Kinder im Alter von fünf
bis sieben Jahren vor.

Ziel des Spiels: Im grünen Schleim stecken kleine Plastikteilchen –
Bakterien. Die Spieler müssen diese mit Plastikpinzetten aus dem
Schleim ziehen, damit der Hund genesen kann. Wer die meisten Bakterien
sammelt, gewinnt. Und wenn der Schleim komplett vom Oberkiefer in die
Hundeschnauze gelaufen ist, kippt man für eine neue Runde im Spiel das
Ekelzeug einfach wieder zurück in den Schädel des kranken Welpen.

Von August an soll dieser Spielzeughund in Japan verkauft werden,
100.000 Stück will Mega House bis Jahresende absetzten, berichtet das Japan-Blog
des in Tokio lebenden Deutschen Sven Kilian. Er hat sich darauf
spezialisiert, Technikwunderwerke aus Japan wie den "Biri Biri Kaze
Hiki Wanko" – so heißt der schleimende Hund – zu verschicken. Was er
kosten soll, ist noch nicht bekannt.

Mehr Kunstschleim mit neuem Aroma

Wer nicht bis August warten will, kann jetzt schon die
Jubiläumsedition des Mega-Toys-Kunstschleims kaufen, der auch im Schnupfenhund zum Einsatz kommt.

Mega Toys verkauft in Japan zum 30. Geburtstag des Ekelspielzeugs
neue Farb- und Duftvarianten (zum Beispiel "Hot", "Relax" und
"Elegance"), die mit Retro-Charme erwachsene Schleimspieler ansprechen
sollen. Für die Kinder von heute gibt es ja den Schleimhund.

Der grinsende Kauknochen

Ähnlich abgedreht, aber immerhin ansatzweise nützlich ist das
Spielzeug für echte Hunde des britischen Gaga-Versenders "I want one of
those". Der Online-Händler mit dem sinnigen Firmenmotto "Zeug, das man
nicht braucht, aber wirklich, wirklich haben will" verkauft zum
Beispiel einen Kauknochen, der dem Hund, in dessen Schnauze er steckt, ein sehr debiles Grinsen verpasst.

Wer es über Herz bringt, Witze über seinen Hund zu machen, wird viel
Spaß mit dem "Doggy Smile"-Knochen haben. O-Ton aus dem Werbetext:
"Dieses alberne Hunde-Wurfspielzeug macht ihren Hund vielleicht nicht
zum coolsten im Park, aber sicher zum witzigsten."

Ein IQ-Test für Hunde

Wie hoch wohl der IQ eines Hundes ist, der sich mit dem
Grinseknochen unfreiwillig zum Alleinunterhalter machen lässt? Das
lässt sich angeblich mit dem Hunde-IQ-Test feststellen, den das
britische Technik-Blog "Red Ferret" entdeckt hat. Für knapp acht Euro
verspricht der Hundetrainer Stanley Coren einen Test, der anhand von
zwölf Aufgaben den Hunde-IQ zuverlässig messen soll.

Für den Preis von einer Packung Retro-Schleim bekommt man beim
Hundetester eine Stoppuhr, ein Testbuch und eine Anleitung zur
Interpretation der Ergebnisse. Wow. Was auch immer dieser Test der
"Problemlösungs- und Lernfähigkeit" bei Hunden messen – es dürfte ihnen
mehr Spaß machen, als mit einem Grinseknochen in der Schnauze
herumzulaufen und ausgelacht zu werden. Den Hunde-IQ kommentiert " Red Ferret" trocken mit der Frage: "Wenn Hunde so intelligent sind, warum macht es ihnen solchen Spaß, sich in Kuhmist zu wälzen?"

Der Kuscheltiersezierer

Ein gutes Gegenmittel zu so viel alberner Begeisterung für
kindliches Technikspielzeug sind Matt Kirklands Spielzeugfotos. Der
US-Designer seziert für seine Fotoserie "In Vestimentis Ursum"
Kuscheltiere, die dank Technikinnereien sprechen, singen oder zappeln
können. Für seine Vorher-Nachher-Fotos befreit Kirkland die Technik von
ihrer kuscheligen Hülle, nach dem Motto: "Da ist ein Roboter unter dem
Flaum."

Stimmt.

 

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
Immer gut: Newsletter abonnieren


auch interessant

Wer investiert in die Zukunft, wenn alle sparen?

Der common senf aktueller Debatten um Staatsausgaben, Tarifverhandlungen und Zinspolitik scheint mir gerade ein gefährlicher: Alle sollen sparen. Der Staat soll weniger ausgeben und damit der Gesamtwirtschaft Geld entziehen. Arbeitnehmer sollen Reallohnverluste akzeptieren, sparen und damit der Gesamtwirtschaft Geld entziehen. Und Unternehmen sollen sparen, bloß keine Kredite aufnehmen für Investitionen

Wer investiert in die Zukunft, wenn alle sparen?

Paradox der Gegenwart

Einerseits sehen so viele Menschen ihre individuellen (Konsum)Bedürfnisse als das wichtigste Gut, als absolut schützenswert. Überspitzte Maxime: Was ich will, ist heilig – alles geht vom Individuum aus. Andererseits erscheint genauso viele Menschen das Individuum ganz klein, wenn es darum geht, etwas zu verändern in der Welt. Überspitzte Maxime: Ich

Paradox der Gegenwart

Wie Schmecken funktioniert

Gelernt: Geschmack und Aroma sind zwei ganz unterschiedliche Wahrnehmungen. Für jede ist ein anderer Teil im Gehirn verantwortlich. Und jede basiert auf unterschiedlichen Daten: Für den Geschmack kommen Eindrücke von der Zunge, fürs Aroma von Rezeptoren in der Nase. Beides vermischt das Gehirn zum Gesamteindruck Schmecken. Sehr lesenswerter Aufsatz darüber

Wie Schmecken funktioniert