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Game on! - Microsoft, Sony und Nintendo: Wessen Konsole ist die attraktivste (Die Welt, 11.11.2002)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
3 minuten gelesen

Game on!

Microsoft, Sony und Nintendo: Online soll sich entscheiden, wessen Konsole die attraktivste ist

Die Welt, 11.11.2002

 

Jetzt stehen sich die Gegner im nächsten Level gegenüber: Der gesättigte Veteran, sein aufstrebender Herausforderer und ein auf seinem Gebiet erfolgreicher Spezialist, der nach mehr strebt. Sony, Microsoft und Nintendo kämpfen bald online um die Vorherrschaft auf dem Markt für Spielkonsolen. Microsoft startet Mitte November seinen ambitionierten Dienst "Xbox live" offiziell in den Vereinigten Staaten, der Beta-Test in Europa läuft bereits seit Ende Oktober.

Der Softwareriese setzt massiv auf Onlinespiele, um seiner bisher nicht allzu erfolgreichen Konsole zum Durchbruch zu verhelfen. Dafür wird Microsoft jeden der zwei Milliarden US-Dollar brauchen, die in den kommenden fünf Jahren in die Xbox investiert werden sollen. Bei einer aktuellen Hochrechnung der bisher bekannten Verkaufszahlen kommt das Marktforschungsunternehmen "Strategy Analytics" zum Ergebnis, dass Ende des Jahres von 69 Millionen Konsolen weltweit 72 Prozent eine Playstation 2 sein werden, gefolgt von Nintendos Gamecube mit 16 und der Xbox mit nur zwölf Prozent Marktanteil.

Noch billiger können die Konsolen auf kurze Frist kaum werden. Also muss man Kunden mit neuen, exklusiven Diensten locken. "Xbox live" soll ein solcher werden. Anders als bei PC-Onlinespielen stellen die Spielehersteller bei der Xbox weder Serverkapazitäten, noch verwalten sie die Daten der Spieler. All das erledigt Microsoft in eigenen Rechenzentren. Die Spieldaten werden verschlüsselt übertragen, allein die Dialoge der Spielern gehen als Voice-over-IP durchs Netz. Durch die Zentralisierung können Spieler an jedem Titel mit derselben Identität teilnehmen und ihre Leistung mit allen Spielern weltweit vergleichen. Außerdem will Microsoft so das Problem der Betrüger angehen, die bei PC-Spielen wie "Diabolo 2" bisweilen ihren Mitspielern den Spaß verderben, indem sie sich durch Manipulation an der Software übermächtig machen.

Sony und Nintendo hingegen überlassen in Japan und den Vereinigten Staaten den Spieleherstellern den Aufbau der Infrastruktur. Sie bieten nur Modem und Netzwerkadapter an. Ihre Pläne für Europa dürften ähnlich aussehen. Axel Herr, Managing Director bei Nintendo Germany: "Anders als in den USA und Japan ist in Europa das Online-Gaming unserer Meinung nach noch kein lohnendes Geschäftsmodell."

Doch ob diese Dienste wirklich neue Spieler locken, ist fraglich. Schon beim Start der Xbox hatten viele Hersteller gehofft, dass Microsoft mit seinen enormen Geldreserven die Kundenbasis für Spiele erweitern könnte. Daraus wurde trotz großer Investitionen bisher nichts.

Die traditionellen Spieler sind auch das Zielpublikum von "Xbox live". Die angekündigten Actiontitel sind nicht die revolutionären Spielkonzepte für neue Spieler wie es "Die Sims" oder "Rez" waren. Diese Titel haben tatsächlich ein neues Publikum für PC und Playstation 2 gewonnen. Doch der Wettbewerb zwischen Microsoft, Sony und Nintendo scheint auch online eher auf Kannibalisierung als die Erschließung neuer Zielgruppen hinauszulaufen. Wenn Onlinespiele aber eher hart gesottene Fans anziehen, woher sollen dann Neukunden kommen?

Hier zeichnet sich bei Microsoft und Sony eine neue Strategie ab: Konsolen sollen in Zukunft mit allen Formen elektronischer Unterhaltung Umsätze schaffen. Sony will zunächst in Japan die Playstation 2 zum digitalen Video- und Musikrekorder erweitern. Auf der "Tokyo Game Show" blickte Sony-Chef Ken Kutaragi im September noch ein wenig weiter in die Zukunft: Nachdem die Verbraucher sich an die Onlinefähigkeiten gewöhnt hätten, wolle Sony in einer zweiten Phase mit auf Wunsch gelieferten Filmen und Musik neue Einnahmequellen schaffen. Microsoft-Chef Steve Ballmer erklärte bereits im Mai, dass in sieben Jahren Computer und Unterhaltungselektronik zu einem Produkt verschmelzen: "Es wird ihr Fernsehen, ihr Internetzugang, ihr DVD-Player, ihre Spielkonsole und ihr PC sein". Gerüchten zufolge soll bereits 2003 oder 2004 ein Xbox-Nachfolger erscheinen, der auch als digitaler Videorekorder nutzbar ist. Anders als bei Sony sind diese Pläne bei Microsoft aber bisher nicht offiziell geworden.

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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