Gauner-Abbuchungen: So ist der Lastschriftmissbrauch zu stoppen (Spiegel Online, 9.12.2008)
Gauner-Abbuchungen
So ist der Lastschriftmissbrauch zu stoppen
Bankverbindung und Privatadresse – das genügt Betrügern, um per Lastschrift Geld von den Konten Ahnungsloser abzubuchen. Millionen solcher Datensätze sind auf dem Schwarzmarkt zu haben. Wie können Verbraucher sich wehren? SPIEGEL ONLINE beantwortet die wichtigsten Fragen.
Spiegel Online, 9.12.2008
Daten-Dealer verkaufen die Bankverbindungen von Bundesbürgern an Kriminelle – 21 Millionen Datensätze samt Kontonummer, Inhabername und Adresse sollen derzeit auf dem Schwarzmarkt zu haben sein. Die beliebteste Masche zum Missbrauch solcher Daten sind unberechtigte Lastschriften. Die Betrüger buchen einfach wahllos Beträge von den Konten aus ihrem Datenbestand ab.
Was können Betrugsopfer tun? Können neue Verfahren helfen? SPIEGEL ONLINE beantwortet die wichtigsten Fragen zu Lastschrift-Betrug.
Kann ich unberechtigte Abbuchungen verhindern?
Das ist mit absoluter Sicherheit kaum möglich. Denn es ist in
Deutschland heute recht einfach, eine Lastschrift einziehen zu lassen –
auch eine unberechtigte. Frank-Christian Pauli, Bankenreferent beim
Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) erklärt: "In Deutschland
können Verbraucher so etwas ja sogar am Telefon erlauben. Da gibt es
keine Form – es genügt dem Einziehenden, Kontonummer und Adresse zu
haben."
Deshalb ist es faktisch unmöglich, unerlaubte Abbuchungen
auszuschließen. Absoluten Schutz hätte nur, wer seine Rechnungen bei
Internet- und Telefonfirmen, Stromanbietern, Versandhäusern nie per
Lastschrift zahlt, wer nie bei Ebay einkauft und dem Verkäufer den
Betrag überweist. Sprich: Absolut sicher ist nur, wer seine
Bankverbindung für sich behält, nie weitergibt, mit Adresse und
Bankverbindung in keiner Datenbank gespeichert ist.
Was kann ich nachträglich gegen Betrügerabbuchungen tun?
Wer seine Bankauszüge regelmäßig prüft, kann sich bei den meisten
Lastschriften sehr gut gegen unberechtigte Forderungen wehren –
Kontobesitzer widersprechen dem Einzug einfach und lassen das Geld
zurückbuchen. Frank-Christian Pauli, Bankenreferent beim
Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), bestätigt hier eine in der
Praxis meist recht kulante Praxis der Banken: "Bei einer
Einzugsermächtigung könnten Verbraucher anders als beim
Abbuchungsverfahren bis zu sechs Wochen nach Rechnungsschluss
problemlos der Lastschrift widersprechen. Das Geld wird dann sofort
zurückgebucht."
Das gilt übrigens nicht nur für krasse Fälle, wenn völlig unbekannte
Firmen abbuchen. Verbraucherschützer Pauli erklärt: "Man kann auch
einer solchen Lastschrift widersprechen, wenn zum Beispiel ein Händler
nach Bezahlung gar keine oder falsche Ware liefert." Aber das sollten
sich Kunden gut überlegen. Pauli: "Man sollte aber einen guten Grund
haben, weil einem sonst vom Anbieter die Rücklastschriftgebühren
berechnet werden könnten."
Kann ich einer Abbuchung auch später noch widersprechen?
Unberechtigt eingezogenen Lastschriften können Kontoinhaber in einer recht lange bemessenen Frist widersprechen. Die Berliner Verbraucherzentrale rät aber dringend dazu, das binnen sechs Wochen nach Abbuchung zu tun. In dieser Frist könnten laut den Verbraucherschützern Lastschriften "ohne weiteres zurückgegeben werden. Das kostet nichts und muss auch nicht begründet werden".
Ein späterer Widerruf sei hingegen meist problematisch. In den
Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken steht zwar, dass
Lastschriften mit Einzugsermächtigung bis zu sechs Wochen nach Erhalt
des Rechnungsabschlusses, also zum Ende eines Quartals storniert werden
können. Doch, so warnt die Berliner Verbraucherzentrale, hat sich der
Kontoinhaber bei der "Rückgabe unnötig viel Zeit gelassen, muss er mit
Schadensersatzforderungen der Bank rechnen. Denn falsche Lastschriften
müssen nach den AGB der Banken unverzüglich reklamiert werden, damit
diese nicht selbst darauf sitzenbleiben."
Bei ungenehmigten, betrügerischen Lastschriften gilt diese Rückbuchungsfrist nicht. Verbraucherschützer Frank-Christian Pauli erklärt: "Fehlt die Einzugsermächtigung, haben wir es technisch gar nicht mehr mit einer Lastschrift zu tun und unberechtigte Buchungen kann man auch später zurückweisen, beziehungsweise gelten die formal einfach nicht. Banken können sich derartige unberechtigte Buchungen ebenfalls nach ihren eigenen Verträgen bei der Bank, die den Lastschrifteinzug entgegengenommen hat, über die Frist hinaus zurückholen. Damit man aber nicht Gefahr läuft, mit einem Schadenersatzanspruch konfrontiert zu werden, weil den Banken das Geld ja auch verloren geht, wenn es dann ausbezahlt wurde und man selbst viel früher auf die falsche Buchung hätte hinweisen können, sollte niemand so eine Meldung auf die lange Bank schieben."
Der dringende Rat der Verbraucherschützer ist also, mindestens alle
zehn Tage alle Kontobewegungen zu prüfen und unberechtigte
Lastschriften sofort, nicht später als sechs Wochen nach Abbuchung zu
widerrufen.
Gibt es Lastschriften, denen man nicht widersprechen kann?
Ja. Deshalb sollten Verbraucher beim Stichwort "Abbuchungsverfahren"
sehr vorsichtig sein. Diese besondere Art der Lastschrift unterscheidet
sich von dem gängigeren Verfahren der Einzugsermächtigung in einem
wesentlichen Punkt: Man kann solche Buchung nicht bei seiner Bank
stornieren.
Denn beim Abbuchungsverfahren gibt der Kontoinhaber seiner Bank eine
schriftliche Erklärung, dass eine bestimmte Firma von seinem Konto
abbuchen darf. Eigentlich ist diese besondere Form der Lastschrift nur
im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen üblich. Die Verbraucherzentrale Sachsen warnt
aber, dass einige "windige Anbieter im Bereich der Partnervermittlung"
von ihren Kunden solche Lastschriften im Abbuchungsverfahren verlangen.
Andrea Hoffmann, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen, rät
Kunden von dieser Zahlungsform in einer Mitteilung der
Verbraucherschützer dringend ab: "Einzelne Institute sind dafür
bekannt, einmal eingenommenes Geld, auch wenn es ihnen nicht zusteht,
nur ungern wieder herauszugeben."
Wird die Lastschrift reformiert?
Unabhängig von den aktuellen Problemen hat die EU schon längst ein
neues europäisches Lastschriftverfahren auf den Weg gebracht. Die
Mitgliedstaaten müssen es nach eigenem Recht bis zum November 2009
einführen. Dieses sogenannte Sepa-Lastschriftverfahren halten
Verbraucherschützer vom Ansatz her für sicherer als das deutsche
System. Frank-Christian Pauli vom VZBV urteilt: "Wie viel Sicherheit
die Sepa-Lastschrift tatsächlich bringt, werden wir frühestens 2010
sehen. Aber nach heutigem Kenntnisstand gehen wir davon aus, dass der
Lastschriftmissbrauch dadurch erheblich zurückgehen wird."
Bei der Sepa-Lastschrift ist weit strenger vorgegeben, wie die
Erlaubnis, eine Kontoabbuchung auslösen zu dürfen, auszusehen hat.
Verbraucherschützer Pauli: "Telefonisch geht das dann – anders als das
zum Teil heute praktiziert wird – gar nicht mehr." Diese
Einzugsermächtigung muss beim Sepa-Verfahren registriert und als
Datensatz mit der Buchung mitgeleitet werden.
Außerdem bekommt beim Sepa-Lastschriftverfahren jeder Abbucher
eine europaweit gültige eindeutige Identifikationsnummer. Der Vorteil
dabei laut Verbraucherschützer Pauli: "Wir gehen davon aus, dass Banken
anhand dieser Nummern prüfen werden, bei welchen Abbuchern es
überdurchschnittlich viele Widersprüche gibt. Es liegt ja auch im
wirtschaftlichen Interesse der Banken, etwas gegen fehlerhafte und vor
allem auch betrügerische Abbuchungen zu tun."
Stirbt 2009 die deutsche Lastschrift?
Nein. Das alte deutsche Lastschriftverfahren wird parallel zu der
neuen Sepa-Lastschrift weiterlaufen – zumindest was die laufenden
Verträge angeht. Verbraucher sollten also von November 2009 an darauf
achten, welches Lastschriftverfahren ihre Vertragspartner nutzen.
Wahrscheinlich wird man aber sehr bald nach Einführung neue
Lastschriften nur noch nach dem Sepa-Standard abwickeln können. Denn
die Banken dürften rein wirtschaftlich kaum ein Interesse daran haben,
das alte Verfahren länger als unbedingt nötig anzubieten. Bankenexperte
Pauli vom VZBV: "Wir gehen davon aus, dass viele Banken dann vom
kommenden November an dazu übergehen, bei neuen Verträgen in der Regel
nur noch Sepa-Lastschriften zu akzeptieren. Damit wird sich das Risiko
betrügerischer Lastschriften reduzieren lassen. Unberechtigte
Lastschriften und die daraus resultierenden Forderungen schaden Banken
selbst."
Bringt die Sepa-Lastschrift absolute Sicherheit?
Nein. Sie erschwert wahrscheinlich eine konkrete missbräuchliche
Anwendung von Bank- und Adressdaten. Die heute verfügbaren Daten können
intelligente Kriminelle mit Sicherheit aber auch auf anderem Weg
nutzen, um Geld abzugreifen. Verbraucherschützer Pauli: "Gefährlich
wird es zum Beispiel, wenn Täter die Daten sammeln, um sich
Scheinidentitäten von echten Verbrauchern zuzulegen, um krumme
Geschäfte unter fremdem Namen zu machen."
Der Verbraucherzentrale Bundesverband sieht deshalb angesichts der
heute schon immensen Datenbanken mit persönlichen Informationen als Weg
zu mehr Datensicherheit nur "strengere Datenschutzauflagen mit scharfen
Sanktionen in Unternehmen und mehr Datensparsamkeit."
Pauli: "Verbraucher müssen auch darauf achten und überlegen, wem
sie welche Daten wirklich weitergeben wollen. Das gilt übrigens auch
für Unterlagen, die man wegwirft."