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Gebrauchte Markenkleidung: Ebay-Verkäufer von Abmahnwelle überrumpelt (Spiegel Online, 2.9.2008)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
9 minuten gelesen

Gebrauchte Markenkleidung

Ebay-Verkäufer von Abmahnwelle überrumpelt

Die Versteigerung brachte 40,50 Euro, eine Kanzlei fordert nun 1370 Euro: Wer gebrauchte Kleidung von Marken wie Ed Hardy bei Ebay verkauft, riskiert saftige Abmahnungen. Die Auktionen könnten gegen das Urheberrecht verstoßen – viele arglose Privatverkäufer bekamen schon Mahnpost vom Anwalt.

Spiegel Online, 2.9.2008

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Ein denkbar schlechtes Geschäft: Für gut 80 Euro ersteigert Sarah
Ertl aus einem Dorf bei Stuttgart im April eine Jacke mit Motiven des
Tattoo-Künstlers Don Ed Hardy. Im August versteigert Ertl die Jacke
wieder – Begründung in der Ebay-Beschreibung: "Finde, dass sie sehr
klein ausfällt". 40,50 Euro ist das Höchstgebot.

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Ein
paar Tage später bekommt Ertl Post von der Frankfurter Anwaltskanzlei
Winterstein. Sie habe mit der Auktion das Urheberrecht verletzt, solle
binnen einer Woche eine Unterlassungserklärung unterschreiben und die
Kosten der Abmahnung von 1379,80 Euro erstatten.

Die Kanzlei Winterstein handelt laut der SPIEGEL ONLINE
vorliegenden Abmahnung im Auftrag der Stuttgarter Firma K&K
Logistics. Die hat eine exklusive Lizenz für Werke des Modelabels Ed
Hardy und exklusive Nutzungsrechte für der Marke zugehörige Werke
(Logos, Illustrationen und Motive) in Deutschland und Österreich. Ed Hardy International gibt die Firma auf der eigenen Seite als exklusiven Lizenznehmer an.

Aus dieser Lizenz leitet die Kanzlei Winterstein in der Abmahnung sehr weit reichende Ansprüche ab:

Es wurden auf den "zum
Verkauf angebotenen Waren die geschützten Werke angebracht, ohne die
erforderliche Zustimmung unseres Auftraggebers einzuholen. Mithin
handelt es sich bei diesen Waren um Fälschungen."

Wird also auch abgemahnt, wer zum Beispiel eine Ed-Hardy-Kappe in
Deutschland verkauft, die er in Los Angeles in einem offiziellen
Ed-Hardy-Shop erstanden hat? Weil die Stuttgarter K&K Logistics das
nicht erlaubt? Fragen von SPIEGEL ONLINE zu den Abmahnungen hat die
Kanzlei Winterberg nicht beantwortet.

Dafür aber deren Auftraggeber: Clemens Kappler, Geschäfsführer der
K&K Logistics erklärt SPIEGEL ONLINE, man habe die Kanzlei
Winterstein beauftragt, um gegen Fälschungen von Ed-Hardy-Produkten bei
Ebay vorzugehen. Kappler: "Die Marke ist sehr beliebt, auch bei
Fälschern."

Kappler geht auf Basis der Beobachtungen seiner Mitarbeiter von
einem Fälschungsanteil von bis zu 90 Prozent bei den Ebay-Angeboten
aus. Man könne viele Kleidungsstücke entdecken, die es so in keiner
Ed-Hardy-Kollektion gäbe. Kappler: "Wir müssen dagegen vorgehen. Die
Marke ist unser Kapital, wir müssen unsere Firma, die Mitarbeiter, die
Einzelhändler, die Kunden schützen. Wenn wir nichts gegen Fälschungen
tun, sind wir schnell weg vom Fenster."

Hilferufe im Ebay-Forum

Ein Blick in entsprechende Ebay-Foren zeigt, dass offenbar viele
eBay-Mitglieder betroffen sind, auch solche, die nur wenige Artikel
verkaufen. Auf Ebay-Fragen spezialisierte Anwälte berichten von vielen
aktuellen Fällen. So vertritt der Hamburger Anwalt Jörg Dittrich
mehrere Mandanten, die von der Kanzlei Winterstein wegen Auktionen mit
Kleidung der Marken Ed Hardy und Abercrombie & Fitch abgemahnt
wurden. Auch die Anwältin Verena Eckert von der Münchner
IT-Recht-Kanzlei berichtet von aktuellen Fällen, in denen sie
Abgemahnte vertritt. (Wie die Anwälte die Rechtslage einschätzen, lesen
Sie im Kasten unten)

In den Ebay-Foren häufen sich in den vergangen Wochen Hilferufe wie diese: 

  • "Bin auch betroffen, hatte keine Ahnung,
    dass man eine Lizenz braucht, hab ein Shirt geschenkt bekommen, das ich
    dann eingestellt hab." ( Ebay-Forum)
  • "Ich habe ebenfalls eine Abmahnung
    erhalten und soll nun ca. 1350 Euro zahlen. Habe mir in einem
    amerikanischen Onlineshop 2 Shirts von Ed Hardy gekauft. Eins für mich
    in Größe M und eins für meinen Mann in Größe XL. Was ich leider nicht
    erkannt habe, war, dass es sich um Full Strass Shirts handelte. Nicht
    mein Ding und für meinen Mann selbstverständlich auch nicht. Habe sie
    dann auf Ebay verkauft und für eins dann diese Abmahnung erhalten." ( Ebay-Forum)
  • "Habe auch einen netten Brief von einer
    Anwaltskanzlei, die den Lizenznehmer vertritt, bekommen. Ich habe 2
    gebrauchte Ed Hardy Shirts, die ich bei Ed Hardy online gekauft bzw.
    auch direkt in L.A. im Ed Hardy Store." ( Ebay-Forum)

K&K-Geschäfsführer Kappler versichert, dass seine Firma alles
daran setzt, nur Verkäufer von Fälschungen abzumahnen: "Ich habe
Mitarbeiter, die jede Ed-Hardy-Auktion prüfen. Hier wird nicht
automatisch abgemahnt, wir gucken genau, was da verkauft wird." Wer als
Privatperson gebrauchte Originalware verkauft, habe nichts zu
befürchten: "Solche Fälle verfolgen wir nicht. Privatpersonen haben das
gute Recht, ihre gebrauchte Orignalware zu verkaufen. Wenn da doch ein
Fehler passiert, genügt ein Anruf bei uns. Wenn der Kunde belegen kann,
dass er privat gebrauchte Originale verkauft hat, ist die Sache aus der
Welt."

Etwas anderes sei es aber, wenn Privatpersonen Ed-Hardy-Fälschungen
weiterverkaufen. Kappler: "Die Menschen sollten wissen, dass es ein
echtes, neues Ed-Hardy-Shirt nicht für 25 Euro bei Ebay oder im
Türkeiurlaub zu kaufen gibt. Wer so etwas weiterverkauft, muss
bedenken, dass es sich wahrscheinlich um Fälschungen handelt." In
solchen Fällen habe er auch keine Bedenken, gegen Privatpersonen
vorzugehen, sagt Kappler: "Das ist kein Kavaliersdelikt. Wer
Fälschungen weiterverkauft, auch im kleinen Stil, bricht das Gesetz."

Und dagegen gehe man vor.

Die Erfahrungsberichte aus dem Ebay-Forum decken sich auch nicht mit
einer Selbstdarstellung der Kanzlei Winterstein, die im Web abrufbar
ist. In dem PDF-Newsletter der Kanzlei "Insight" vom Juli 2007 ( PDF-Dokument),
das auf der Homepage noch abrufbar ist, wirbt die Kanzlei in einem
Artikel so: "Mit ‘AuctionControl’ kann die Kanzlei genau ermitteln, wer
gewerblich im Netz tätig ist."

Kontroll-Software scannt Ebay-Angebot

Gemeint ist eine Software, die das Ebay-Angebot permanent nach
bestimmten Kriterien scannt. Außerdem argumentiert die Eigenwerbung der
Anwälte so: 

"Mit einem Preisfilter kann
die Software eine Liste aller Händler ermitteln, die bestimmte Artikel
unter dem Verkaufspreis anbieten, den die Hersteller empfehlen. ‘In
solchen Fällen können wir davon ausgehen, dass es sich um Plagiate
handelt’, meint RA Guhl."

Damit steht ein Wort gegen das andere. Die Abgemahnten behaupten,
nur echte Gebrauchtware versteigert zu haben, die Abmahner, dass sie so
etwas nicht abmahnen würden. Alles nur ein Missverständnis?

Möglich. Die Kanzlei Winterstein ist in der Vergangenheit schon mit
ähnlichen Ebay-Abmahnwellen aufgefallen. Im Oktober 2006 berichtete der
SPIEGEL über ein Abmahnflut der US-Modefirma "Abercrombie & Fitch"
gegen deutsche Verbraucher.

Im
Gespräch mit dem SPIEGEL
sagte Anwalt Thomas Stein der Kanzlei Winterstein und Ruhrmann damals
in fröhlicher Offenheit: "Markenartikler suchen zähnefletschende
Anwälte wie uns." Das sei "ein durchaus lukratives Mandat". Von SPIEGEL
ONLINE schriftlich gestellte Fragen zu den aktuellen Abmahnungen
beantwortete die Kanzlei nicht.


ABMAHNUNGEN: WAS EBAY-NUTZER BEI MARKENKLEIDUNG BEACHTEN MÜSSEN

Müssen auch Käufer Abmahnungen fürchten?
In der Regel nicht. Wer als Privatmensch einkauft, greife "weder in
Marken- noch Urheberrechte ein", erläutert Anwalt Jörg Dittrich. Aber:
"Problematisch wird es allerdings dann, wenn der gefälschte Artikel
später weiterveräußert werden soll." Bei Einzelfällen könnten Gerichte
bei Käufern von Fälschungen durchaus einen Unterlassungsanspruch
erkennen. Anwältin Verena Eckert beschreibt, in welchen Einzelfällen so
etwas denkbar ist: "Dies setzt voraus, dass der Kauf im Rahmen des
geschäftlichen Verkehrs stattfindet und der Käufer entweder die Absicht
hat, die Waren weiterzuverkaufen oder diese aus dem Ausland einführt."

Verletzen private Verkäufer Rechte, wenn sie gefälschte Produkte im Glauben an deren Echtheit verkaufen?
Es ist egal, wie sehr man an die Echtheit glaubt. Wenn der Artikel
nicht echt ist, zählt die Überzeugung und auch die möglicherweise guten
Gründe dafür nicht. Anwalt Jörg Dittrich: "Gerade die
Unterlassungsansprüche der Rechteinhaber sind stets
verschuldensunabhängig – es spielt insoweit keine Rolle, ob dem
Anbieter bekannt war, dass es sich um ein Plagiat handelt oder ob er
dies hätte erkennen können oder müssen." Bei Abmahnungen in Sachen
Ed-Hardy-Artikel ist es hier auch nebensächlich, ob die Verkäufer
privat oder geschäftlich handeln. Warum, erklärt Anwalt Dittrich so:
"Dabei spielt vor allem der Umstand eine Rolle, dass die auf den
Ed-Hardy-Artikeln aufgebrachten Grafiken und Applikationen oftmals
urheberrechtlichen Schutz genießen. Ist das der Fall, werden durch die
Veräußerung eines gefälschten Ed-Hardy-Artikels die Rechteinhaber schon
dann beeinträchtigt, wenn der Verkauf durch eine Privatperson erfolgt.
Anders als beispielsweise bei Markenverletzungen kommt es im
Urheberrecht nämlich nicht darauf an, ob ein ‘Handeln im geschäftlichen
Verkehr’ vorliegt."

Ist es überhaupt ratsam, Markenartikel auf Ebay zu kaufen und weiterzuverkaufen?
Anwalt Jörg Dittrich schätzt das Risiko, "über Ebay ein Plagiat zu
erwerben, nicht erheblich größer als anderenorts" ein. Grundregeln:
"Wie auch sonst sollte man darauf achten, ob es sich um einen seriösen
Anbieter handelt und ob dieser die Originalität auch tatsächlich
zusichert. Erleidet man dann trotzdem Schiffbruch, sollte man das in
keinem Fall hinnehmen und den Vorfall neben Ebay ggf. auch den
Rechteinhabern melden." Aber natürlich hat man auch bei seriös
wirkenden Anbietern keine absolute Gewissheit. Ob man solche Artikel
selbst bei Ebay verkauft – das muss sich jeder Ebayer gut überlegen und
vor dem Einstellen prüfen, wie gut er die Echtheit dokumentieren kann,
falls eine Abmahnung kommt. Anwältin Eckert: "Ich rate jedem dringend
ab, Markenartikel, die er nicht beim nachweislich lizenzierten
Fachhandel innerhalb der Europäischen Union gekauft hat, bei Ebay zu
verkaufen." Generell rät Anwalt Dittrich, vor dem Versteigern alles zu
prüfen: "Wer sich nicht sicher ist, ob er ein Original in Händen hält,
der sollte sich in jedem Fall vorab informieren und nicht alleine
darauf vertrauen, dass das Angebot gegenbenenfalls gelöscht wird, falls
dieses rechtlich problematisch ist. Denn oftmals ist es dann schon zu
spät und der Ärger mit den Rechteinhabern ist nicht mehr aufzuhalten." 

Kann abgemahnt werden, wer echte Ed-Hardy-Artikel versteigert?
Die Antwort ist nicht so einfach, wie es scheint. Einerseits gilt,
so Anwalt Jörg Dittrich, der Grundsatz: "Wenn es sich um Originalware
handelt, darf diese regelmäßig auch ohne gesonderte Zustimmung der
Rechteinhaber weiterveräußert werden. Es droht dann also keine
Abmahnung. Man spricht in dem Fall davon, dass sich die Rechte der
Hersteller bzw. Lizenznehmer bereits mit dem ersten Verkauf erschöpft
haben – den weiteren Vertrieb von Originalware können und dürfen die
Rechteinhaber nicht weiter regulieren".Eine wichtige Ausnahme, die man
unbedingt beachten muss, hebt der Jurist hervor: "Dies gilt stets nur
für solche Artikel, die durch die Rechteinhaber oder mit deren
Zustimmung im Gebiet der Europäischen Union (EU) oder eines
Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) in Verkehr
gebracht wurden. Solche Artikel, die gar nicht für den europäischen
Markt freigegeben sind, dürfen hier – auch wenn es sich um Originale
handelt – nicht ohne die Zustimmung der Rechteinhaber vertrieben
werden." 

Welchen Unterschied macht es für Abgemahnte, ob ihre Auktion als Privatgeschäft oder geschäftlich gilt?
Vor Gericht kann diese Einschätzung entscheiden, wie schmerzhaft
der Rechtsstreit für den Versteigerer ausgeht. Anwalt Dittrich erklärt:
"Handelt der Verkäufer im geschäftlichen Verkehr, so droht beim Verkauf
von gefälschten Artikeln die Verletzung gewerblicher Schutzrechte – so
insbesondere von Markenrechten. Beim Verkauf privater Habe greifen die
Bestimmungen des Markengesetzes (MarkenG) nicht ein." Aber hier sind
gerade die Produkte von Ed Hardy ein besonderer Fall: Wenn die Motive
auf Artikeln beispielsweise Grafiken beinhalten, die so künstlerisch
ausgestaltet sind, dass sie vom Urhebergesetz geschützt sind, können
auch Privatleute wegen einer Verletzung von Urheberrechten belangt
werden. Denn, so Anwalt Dittrich: "Anders als beispielsweise bei
Markenverletzungen kommt es im Urheberrecht nämlich nicht darauf an, ob
ein Handeln im geschäftlichen Verkehr vorliegt." 

Wie ist der Unterschied zwischen Privatgeschäft und geschäftlichem Verkehr definiert?
Die Frage ist ein großer Unsicherheitsfaktor für alle Ebay-Händler
und Gelegenheitsverkäufer. Hier wägen die Gerichte ab – eindeutige und
immer gültige Grenzwerte gibt es nicht. Anwältin Verena Eckert: "Der
Begriff des geschäftlichen Verkehrs soll nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes weit ausgelegt werden. Die Gerichte haben daher
alle Umstände des Einzelfalles in ihre Beurteilung einfließen zu
lassen." 

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Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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