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Geotagging: Günstig-GPS verortet Fotos auf dem privaten Bildatlas (Spiegel Online, 29.1.2008)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
6 minuten gelesen

Geotagging

Günstig-GPS verortet Fotos auf dem privaten Bildatlas

Ein Bild, ein Ort: Per Geotagging führen Foto-Enthusiasten ihre Schnappschüsse mit Positionsdaten zusammen, basteln daraus bebilderte Online-Reiseberichte. Die Technologie hat das Zeug zum Massenphänomen. SPIEGEL ONLINE hat’s ausprobiert.

Spiegel Online, 29.1.2008 (mit Matthias Kremp)

Die Strecke sieht wirklich abenteuerlich aus: Zuerst ging es entlang einer Bergflanke in Serpentinen nach oben, dann über einen schmalen Grat gut einen Kilometer sanft zum nächsten Berg hinauf. Der Ausblick ist beeindruckend, zumindest so, wie er hier bei Google Earth zu sehen ist. Denn diese Bergtour findet nur im Rechner statt, ist das Ergebnis der geschickten Verknüpfung von Digitalfotos mit GPS-Koordinaten. Geotagging nennt man das, wenn man seine Digitalfotos mit der genauen Position verbindet, an der sie aufgenommen wurden. Aus einer Abfolge solcher Bilder lassen sich regelrechte Reiseberichte bauen, mit denen jeder nachvollziehen kann, wo man im Urlaub war, wie es dort ausgesehen und was man dort wann unternommen hat. Per GPS verortete Fotos reihen sich bei Online-Bilderdiensten wie Flickr zu lebendigen Wegbeschreibungen aneinander, die jede Diashow muffig wirken lassen.

Noch ist dieses Geotagging allerdings ein Nischen-Hobby. Doch das könnte sich bald ändern, glauben Foto-Experten. Denn zur Fotomesse PMA, die jetzt in Las Vegas begonnen hat, werden etliche Hersteller neue Modelle vorstellen, die per Satellitenortung ihre Position feststellen können. Doch das wird möglicherweise kein ganz billiger Spaß. Die einzige aktuell verfügbare GPS-Kamera, Ricohs Caplio 500SE, ist derzeit bestenfalls ab 700 Euro zu haben.

Doch es geht auch billiger. Kleine Zusatzgeräte, die unterwegs kontinuierlich GPS-Daten sammeln und diese später mit den Fotos verknüpfen, sind für deutlich unter 100 Euro zu bekommen. Auch in Handys setzt sich GPS zunehmend durch und kann mit den Handycam-Bildern verknüpft werden. Und sogar kostenlose Möglichkeiten zum Geotaggen gibt es.

SPIEGEL ONLINE erklärt Schritt für Schritt, wie Geotagging funktioniert:

Automatisch Verorten per Photofinder

Nur wenige Digitalkameras sind heute mit GPS-Empfängern ausgestattet, um automatisch die Koordinaten der Aufnahmeorte in den Bilddateien speichern zu können. Und weil der GPS-Empfang noch immer vergleichweise viel Energie braucht, wird ein GPS-Extra auch nicht so schnell zur Standardausrüstung von Kameras werden.

Diese Ausstattungslücke will der taiwanesische Elektronikhersteller ATP mit einem kleinen neongrünen Kästchen namens Photofinder füllen: Dieser GPS-Empfänger ist mit Batterien so schwer wie eine Tafel Schokolade und etwas schmaler als eine Zigarettenschachtel.

Einmal eingeschaltet, protokolliert das Kästchen bei GPS-Empfang kontinuierlich Standort und Zeitpunkt. Der Clou: Die in dieser Zeit digital geknipsten Fotos kann man ganz einfach um diese Positionsdaten ergänzen. Dazu nimmt man die Speicherkarte aus der Kamera, steckt sie in den Photofinder und das Gerät ergänzt die Dateien automatisch.

Mit einem Testgerät funktioniert das beim Selbstversuch auch wie versprochen: Gut sieben Stunden GPS-Empfang hielt das Gerät mit nicht ganz aufgeladenen Standard-Akkus durch. Die Bedienung ist einfach: Nach dem Einschalten sucht das Gerät die GPS-Satelliten, nach zwei Minuten (allerdings am Fenster, im Freien geht das schneller) hat der Photofinder die Position bestimmt und die Uhrzeit von den Satelliten abgerufen.

Einzige Hürde: Der Photofinder erkennt anhand der Uhrzeit, welches Bild zu welchen Koordinaten gehört. Folglich muss die Digitalkamera auf die von GPS-Satelliten benutzte Zeit (UTC) eingestellt werden – derzeit (deutscher Winterzeit) also eine Stunde zurück.

Fotografieren, Speicherkarte einstecken – fertig

Beim Einschreiben der Positionsdaten in die Bilddateien korrigiert das Gerät die Uhrzeit dann wieder, wenn man die korrekte Zeitzone eingibt. Dieses Verfahren ist etwas umständlich und im Handbuch auch nicht besonders gut erklärt – ansonsten aber ist die Bedienung des Photofinder traumhaft einfach. Fotografieren, Speicherkarte einstecken, Bilder hochladen – fertig. Nachteil für Profi-Fotografen: Der Photofinder verarbeitet nur JPEG-Dateien, nicht das Profiformat RAW.

Ausprobiert haben wir den Photofinder mit einer SD-Speicherkarte, das Gerät beschreibt auch MMC-Karten und Sonys Memorysticks. Einen deutschen Vertriebspartner hat ATP für den Photofinder noch nicht, derzeit kann man das Gerät nur beim britischen Online-Händler Easydevices oder in der Schweiz bei Paravan bestellen – für umgerechnet gut 100 Euro.

Sonys halbautomatischer GPS-Tracker

Im Gegensatz zu vielen anderen GPS-Empfängern ist Sonys GPS-CS1 recht klein. Das ist in erster Linie seiner Stromversorgung geschuldet, die sich aus einer einzigen Mignon-Zelle speist. Alternativ lässt sich auch ein gleichgroßer Akku nutzen. Die Ingenieure müssen gute Arbeit geleistet haben, denn Erfahrungsberichten zufolge kann ein solcher Stromspeicher das Sony-Gerät für gut zehn Stunden in Betrieb halten. Verglichen mit dem Photofinder eine wahre Meisterleistung.

 Leider aber ist der rund 100 Euro teure GPS-Empfänger ein typisches Sony-Gerät – und Sony versucht gerne mal, seine eigenen Standards durchzusetzen. Und so ignoriert das japanische Unternehmen auch hier, dass es längst standardisierte GPS-Formate gibt. So ist man beim Auswerten der aufgezeichneten Positionsdaten auf die mitgelieferte Software Sony-GPS-Image-Tracker angewiesen. Die kann die GPS-Aufzeichnungen immerhin auch mit den Bildern von Nicht-Sony-Kameras verknüpfen. Mehr als das kann sie allerdings nicht, da sind sogar die Freeware-Programmierer schon weiter.

Anwenderberichte, in denen es heißt, das Gerät würde bei seinen Positionsmessungen manchmal um bis zu 150 Meter danebenliegen, sind vermutlich meist auch mangelhafte Synchronisation der Uhrzeit von Kamera und GPS-Gerät geschuldet.

GPS-Handys als Kameraergänzung

Mit kostenloser Zusatzsoftware kann man die GPS-Empfänger in Nokia-Mobiltelefonen genauso zum Fotoverorten nutzen wie den 90 Euro teuren Sony-GPS-Tracker. Dabei hilft Nokias Handy-Programm Sports Tracker (läuft auf Nokia-Handys wie dem N95 oder 6110 Navigator). Damit sollen eigentlich Hobby-Sportler ihre Lauf- oder Radelstrecken samt Zeiten dokumentieren.

Allerdings eignet sich die Software auch gut zur Foto-Verortung: Man muss nur Handy und Digitalkamera auf ungefähr dieselbe Uhrzeit (minutengenau) einstellen und dann den Sports Tracker laufen lassen. Ein Problem hierbei: Der GPS-Empfang leert den Handy-Akku sehr schnell. Im Test war ein frisch geladener Nokia 6110 Navigator nach knapp vier Stunden GPS-Betrieb fast völlig ausgezehrt.

Die aufgezeichnete Wegstrecke kann man im GPX-Format im Handy-Speicher sichern, dann am Heimcomputer auslesen. Dann muss man noch eine Software die passenden Positionsdaten zu den geschossenen Fotos suchen und eintragen lassen. Das erledigen kostenlose Programme, für den PC gibt es zum Beispiel GPicSync, für den Mac den GPSPhotoLinker.

Geotagging mit der Handyknipse

Wer keine großen Ansprüche an die Bildqualität stellt, sondern nur ein paar Schnappschüsse mit der Handykamera schießen will, kann die sehr einfach mit Positionsdaten anreichern – ein Handy mit GPS-Empfänger vorausgesetzt. Wir haben das kostenlose Programm Locr auf einem Nokia 6110 Navigator ausprobiert (läuft auch auf anderen GPS-Handys). Die Handhabung ist denkbar einfach: GPS-Empfang aktivieren, Locr starten und dann wie gewohnt mit dem Handy knipsen. Die Software speichert die Positionsdaten zuverlässig in den Bilddateien.

Ärgerlich ist beim Locr-Handyprogramm nur, dass die Software nach jeder Aufnahme fragt, ob man die Bilder mit Locr bearbeiten will. Nervig! Locr-Geschäftsführer Malte Schloen verspricht aber, diese Zwangsmitteilung in den kommenden Wochen in einer nächsten Programmversion deaktivierbar zu machen.

Aufpassen sollte man bei der Locr-Handysoftware auch mit dem Angebot, die Bilder zum Locr-Webdienst zu schicken. Bloß nicht! Denn für die Datenübertragung zahlt man selbst die Gebühren an den Mobilfunkprovider. Locr verdient nichts daran, drängt aber die Nutzer, den Locr-Webdienst zu nutzen. Das mag sinnvoll sein, wenn man den Freunden daheim live seine Fotos zeigen will.

Aber um die Positionsdaten der mit Locr geschossenen Handyfotos zu nutzen, braucht man den Webdienst gar nicht. Diese Schnappschüsse kann man wie gewohnt auf den Heimcomputer laden und dann zum Beispiel bei Flickr einstellen – die in den Bilddateien eingeschriebenen GPS-Daten werden problemlos erkannt.

Eine Alternative zu Locr könnte das Nokia-Programm Location Tagger werden. Die Software ist erst seit kurzem öffentlich verfügbar, leistet dasselbe wie Locr (Handyfotos per GPS verorten). Im Selbstversuch konnte der Nokia-Tagger allerdings nicht die Handy-Kamera eines Nokia-Geräts ansteuern, hier müssen die Entwickler nachbessern.

Geotagging mit dem Navigationsgerät

Der Gedanke liegt nahe: Navigationsgeräte, wie man sie mittlerweile ab knapp 100 Euro kaufen kann, haben per Definition einen GPS-Empfänger eingebaut. Den müsste man doch eigentlich nutzen können, um unterwegs zum Urlaubsfoto passende GPS-Koordinaten zu speichern. Das umso mehr, als viele Geräte mit einem Steckplatz für Speicherkarten ausgestattet sind, auf die man solche Daten ablegen könnte.

Doch leider verfügt kaum ein Gerät über eine solche Funktion. Meist kann man sich bestenfalls die GPS-Koordinaten anzeigen lassen, um sie auf einem Stück Papier zu notieren. Doch es gibt Ausnahmen bei der Firma Navman. Die hat nämlich einige Geräte mit integrierter Digicam im Angebot. Eigentlich sind diese Kameras dazu gedacht, von Orten, zu denen man zurückkehren will, Fotos zu machen. Die Bilder werden mit GPS-Koordinaten versehen abgespeichert. Will man zu einem der derart fotografierten Plätze fahren, sucht man einfach das entsprechende Foto aus der Datenbank des Geräts hervor und der Apparat sucht sich seine Route.

Etwas versteckt im Menü Einstellungen findet man allerdings unter Routen die Option, ein GPS-Protokoll aufzeichnen zu lassen. Die so erstellte Datei voller Positionsdaten kann man dann später auf den Computer übertragen und mit den Fotos einer Digicam verknüpfen.

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Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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