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Geotagging: Was GPS-Ortung bei Taschenkameras taugt (Spiegel Online, 13.10.2008)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
5 minuten gelesen

Geotagging

Was GPS-Ortung bei Taschenkameras taugt

Diese Kamera weiß immer, wo sie ist: Nikon verkauft die P6000 als erste Kompaktkamera mit GPS. SPIEGEL ONLINE hat das Modell getestet – und mit der günstigen Alternative verglichen: Der Photofinder Mini in Feuerzeuggröße kostet einen Bruchteil und arbeitet mit jeder Digitalkamera.

Spiegel Online, 13.10.2008

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Wo bei Hamburg wachsen diese wunderbaren Steinpilze? Von wo aus hat
man diesen tollen Blick aufs Mittelmeer? Wer unterwegs fotografiert,
kann den Bildbetrachtern solche Fragen bald mühelos mit genauen
Koordinaten oder gar einem Link zu einem Landkartendienst wie Google
Maps beantworten.

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So etwas ermöglichen Kameras mit eingebautem GPS-Empfänger. Sie
bestimmen anhand von Satellitensignalen die aktuelle Position. Wann
immer man fotografiert, speichern die Geräte die Koordinaten in den
Bilddateien. Lädt man solche Schnappschüsse bei kostenlosen
Fotodiensten hoch, werden daraus schicke interaktive Reiseberichte, bei
denen man Schritt für Schritt, Foto für Foto auf Landkarten und
Satellitenfotos verfolgen kann. (Beispielfotos der P6000 unten)

Auf der Photokina galten in diesem Jahr solche GPS-Kameras als Trend.
Nun kommen die ersten Geräte mit entsprechender Technik in den Handel:
Nikon preist sein neues Modell D6000 als erste Kompaktkamera mit
integriertem GPS-Empfänger an. Und allen, die für diesen Spaß nicht
gleich eine neue Kamera kaufen wollen, verspricht der taiwanesische
Hersteller ATP einen günstigen, gerade mal feuerzeuggroßen
Foto-Verorter, der alle Digitalkameras um GPS-Funktionen erweitert. (zum Vergleich:Beispielfotos ähnlicher Motive der halb so teuren Panasonic Lumix DMC-FX100)

GPS-Kompaktkamera Nikon P6000 gegen den Günstig-GPS-Verorter
Photofinder Mini – SPIEGEL ONLINE testet die neue Geotagging-Helfer.

GPS-Ortung

Bei Nikons Kompaktkamera P6000 ist der GPS-Empfang schnell
aktiviert: Die Ortsbestimmung hat eine eigenen Menüpunkt auf dem
Hauptdrehrad, die notwendigen Einstellungen sind mit zwei Klicks
gemacht. Das liegt daran, dass man die GPS-Ortung nur ein- oder
ausschalten und dann noch bestimmen kann, wie oft die Kamera ihre
Position neu bestimmt, wenn sie eingeschaltet ist.

Mehr nicht.


Es gibt keine Option, im Hintergrund ständig in einer Art
Stand-by-Modus die Position etwa jede Minute neu zu bestimmen. Der
Nachteil: Es ist selten möglich, mit Nikons GPS-Kamera spontane
Schnappschüsse korrekt zu verorten.

Beim Test brauchte die Nikon-Kamera sowohl in Straßen zwischen
sechsgeschossigen Häusern als auch im Wald unter Bäumen mehrere
Minuten, bis der GPS-Empfang gut genug war, um die Position zu
bestimmen. Manchmal versagte das Nikon-System hier sogar komplett.
Binnen Sekunden klappt die Ortbestimmung zuverlässig nur auf
Waldlichtungen und großen, offenen Plätzen.

Ärgerlich ist es, dass die Nikon-Kamera bei jedem Einschalten von
neuem die Position bestimmen muss. Dass das anders geht, zeigt das
feuerzeugkleine GPS-Modul Photofinder Mini des taiwanesischen
Hersteller ATP. Dieses Gerät schaltet man einfach ein, es speichert
dann im Minutentakt die aktuelle Position – 16 Stunden soll die
Batterie laut Hersteller halten, im Test war nach zwölf Schluss.

Weil das Günstig-GPS aus Taiwan kontinuierlich läuft, lokalisierte
es beim Test auch Fotos, bei denen die Nikon-Kamera versagte – der
Photofinder nervt nicht mit Wartezeiten, verortet häufiger und genauer
als Nikons GPS-Kompaktkamera.

Bedienung

Der Nachteil des Photofinders: Anders als Nikons GPS-Kamera
speichert das Gerät die Koordinaten nicht sofort in den Bilddateien.
Dafür ist ein Zwischenschritt notwendig: Man muss den GPS-Winzling in
eine Docking-Station stöpseln und in die dann auch die Speicherkarte
aus der Digitalkamera stecken. Wichtige Voraussetzung: Die Uhrzeit der
Digitalkamera muss genau eingestellt sein. Denn die Docking-Station
ordnet anhand der Uhrzeiten die aufgezeichneten Positionsdaten den
Fotos zu.

Das klappte im Test problemlos. Die Bedienung ist hier denkbar
simpel: einstecken, Zeitzone der Kamera angeben, fünf Minuten warten –
fertig. Danach sind alle Bilddateien auf der Speicherkarte um die
verfügbaren Positionsdaten ergänzt. Man kann die Speicherkarten wieder
in die Kamera stecken und auf den Computer übertragen – Fehler traten
beim Test mit 150 Fotos nicht auf.

Einige Details des Photofinder Mini sind unnötig kompliziert: Ob der
GPS-Empfänger eine Verbindung zu Satelliten hat, soll man daran
erkennen, dass ein Statuslämpchen doppelt so schnell blinkt wie im
Zustand ohne GPS-Verbindung. Ob das Lämpchen nun doppelt so schnell
blinkt, kann man ohne Vergleich nur raten – ein Extralämpchen mit einer
Signalfarbe wie grün für guten Empfang wäre sinnvoller. Abgesehen von
derart nervigen Details ist das Gerät aber einfach zu bedienen.

Nikons GPS-Kompaktkamera bringt eine Menge Funktionen (GPS,
vollautomatische Fotografie und manuelle Einstellungen von Blende und
Verschlusszeit) im Großen und Ganzen logisch und leidlich intuitiv
bedienbar unter. Sehr nützlich ist zum Beispiel die Play-Taste, mit der
man während des Fotografierens schnell die letzten Aufnahmen überprüfen
und dann mit einem Tastendruck wieder in den Aufnahmemodus zurückkehren
kann. Zudem lässt sich eine Funktionstaste mit eigenen Menüpunkten
belegen, und zwei Programmtasten rufen einmal gespeicherte
Einstellungen für manuelle Aufnahmen ab.

Richtig dämlich ist hingegen die Akkuanzeige der Nikon-Kamera – die
sieht man gar nicht, sucht im Handbuch nach einer Option zum
Einschalten der Anzeige (nicht zu finden), bis sie dann irgendwann
aufleuchtet, wenn der Akku zu etwa zwei Dritteln leer ist. Ärgerlich.
Im Test war der Kameraakku etwa 20 Aufnahmen, nachdem die Anzeige zum
ersten Mal aufleuchtete, leer.

Funktionsvielfalt

Nikons GPS-Kamera bietet viele Funktionen, doch gerade die GPS-Ortung
reizt sie kaum aus. Der Photofinder Mini zeigt, was möglich wäre:
Könnte man die Nikon-Kamera wie das Mini-Zubehör aus Taiwan ständig in
einer Art GPS-Standby laufen und orten lassen, wäre die GPS-Funktion um
einiges nützlicher und attraktiver.

Die Nikon-Kamera kann nur Bilder verorten (und zwar nur bei guten
Empfang der Satellitensignale). Der Photofinder Mini macht nicht nur
das zuverlässiger, weil er kontinuierlich die Position bestimmt – er
holt aus der GPS-Funktion auch weit mehr heraus als die Nikon-Kamera.
Man kann zum Beispiel alle Positionsdaten im Standardformat GPX
exportieren, um so eine Route etwa bei Google Maps darzustellen oder
gar fürs eigene Navigationsgerät zu speichern (eine mit dem Photofinder
Mini aufgezeichnete Strecke sehen Sie unten).


Größere Kartenansicht

Das leistet die GPS-Kamera nicht, obwohl es mit einer etwas ausgefeilteren Betriebssoftware problemlos möglich wäre.

Auch bei anderen Funktionen der P6000 stellt sich das Gefühl ein,
dass die Kamera zwar alles kann, aber einiges davon doch nicht so
richtig.

Fazit

Nikons GPS-Kompaktkamera bietet ordentliche Aufnahmequalität und
viele für anspruchsvollere Hobbyfotografen interessante Funktionen wie
manuelle Einstellungen und RAW-Format. Doch gerade das zwangsweise an
Windows gefesselte RAW-Format und die so in den Vordergrund gestellte,
aber bei weitem nicht ausgereizte GPS-Funktion enttäuschen – da wäre
mehr drin gewesen.

Was zum Beispiel bei der GPS-Lokalisierung alles machbar ist, zeigt
der taiwanesische Anbieter ATP mit seinem GPS-Zubehör Photofinder Mini.
Das Gerät kann mehr und war im Test zuverlässiger als Nikons
GPS-Kamera. Die P6000 kostet bei einem günstigen Online-Händler derzeit
gut 439 Euro – der Photofinder Mini kostet in Deutschland 109 Euro.

Die P6000 ist als Kamera ordentlich, aber nicht überragend. Wer
seine Digitalfotos unbedingt verorten will, ist mit dem externen
GPS-Zubehör Photofinder Mini derzeit besser beraten als mit einer
GPS-Kompaktkamera.

{jumi [/images/jumisk/google720.php]}

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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