GEZ-PC-Gebühr: Gebühren-Eintreiber wollen Meinungsäußerung verbieten (Spiegel Online, 13.9.2007)
GEZ-Gebühr für PC:
Gebühren-Eintreiber wollen Meinungsäußerung verbieten
Im Namen aller Rundfunk-Anstalten verfolgt der SWR ein Web-Portal. Dessen Vergehen: ein Kommentar zur Befreiung von der neuen PC-Gebühr. Das entsprechende Gesetz ist vieldeutig, endgültige Urteile gibt es nicht, doch der SWR will nur seine Interpretation gelten lassen.
Spiegel Online, 13.9.2007
Fast 50.000 PCs und Handys haben deutsche Unternehmer in der ersten Hälfte des Jahres bei der GEZ angemeldet. Völlig unnötig, findet das Service-Portal für Kleinunternehmer, Akademie.de. Die Redakteure dort glauben, im Rundfunkgebühren-Staatsvertrag eine Lücke gefunden zu haben, nach der fast alle betrieblich genutzten PCs und Handys GEZ-gebührenbefreit sind. Diese Meinung will der SWR per Abmahnung im Namen aller Rundfunkanstalten aus der Öffentlichkeit verbannen.
Seit Wochen schon verhandelt der Anwalt von Akademie.de, Sebastian Biere, mit dem SWR. Die Rundfunkanstalt hatte den Fall von der GEZ übernommen. Die Kölner Inkassostelle hatten Akademie.de im August sogar per Abmahnung die Benutzung von 30 laut GEZ "falschen" Begriffen wie GEZ-Gebühr verbieten wollen. Das ist inzwischen vom Tisch, der SWR hat offenbar die Absurdität des Vorhabens erkannt. Auch Akademie.de hat in einigen Punkten eingelenkt, wird nicht mehr über angebliches Fehlverhalten der GEZ berichten, ohne Belege dafür zu liefern.
Der nun verbliebene Gegenstand der Auseinandersetzung ist ein Abschnitt im fünften Artikel des Rundfunkgebühren-Staatsvertrags. Dort heißt es, neuartige Empfangsgeräte im nicht ausschließlich privaten Bereich seien von der Rundfunkgebühr befreit, wenn "die Geräte ein und demselben Grundstück" zuzuordnen sind und dort andere "Rundfunkempfangsgeräte zum Empfang bereitgehalten" werden.
Gebührenbefreiung für Grundstücke oder Personen?
In dem Abschnitt ist keine Rede davon, dass dieselbe Person die Geräte registriert haben muss. Daraus folgert Akademie.de, es müssten nur "in seltenen Fällen Rundfunkgebühren gezahlt" werden, denn fast immer würde auf Grundstücken schon ein Radio oder Fernseher stehen – "und sei es beim Hausmeister".
Der SWR interpretiert diesen Abschnitt anders. Justitiar Felix Hertel führt gegenüber SPIEGEL ONLINE aus: "Die Zweitgerätefreiheit wiederum bezieht sich immer auf ein und denselben Teilnehmer – das ist eine gebührenrechtliche Grundregel." Wäre die Befreiung nicht personen-, sondern grundstücksgebunden, verstieße sie zudem gegen "die Grundsätze des Abgabenrechts", so Hertel.
Jetzt geht es um die Frage: Darf man Rechtsmeinungen veröffentlichen? Selbstverständlich, findet Anwalt Biere: "Hier geht es um die Meinungsfreiheit. Der SWR will eine Interpretation des Gesetzestextes verbieten, die ihm nicht passt." Der Anwalt hat dem SWR eine Frist eingeräumt, bis heute Mitternacht von dem Unterlassungsbegehren Abstand zu nehmen. Andernfalls werde seine Mandantin per negativer Feststellungsklage von einem Gericht prüfen lassen, ob hier die Meinungsfreiheit gelte.
Rechtsmeinung oder Tatsachenbehauptung?
Biere argumentiert, dass die Interpretation eines Gesetzes wohl kaum als abmahnfähige Tatsachenbehauptung gelten kann: "Es gibt zu dieser Frage eine Vielzahl von Rechtsmeinungen, aber kein abschließendes Urteil. Insofern kann die Interpretationen des Gesetzestextes nicht falsch sein." In der Tat findet man im zunächst von der GEZ, dann vom SWR abgemahnten Text Formulierungen wie "muss vermuten" und "unsere Rechtsauffassung" – deutlicher kann eine Meinungsäußerung wohl nicht gekennzeichnet sein.
Der SWR sieht das naturgemäß anders. Justitiar Hertel erklärt: "Man kann zu Rechtsfragen immer verschiedener Meinung sein. Nur muss man eine Rechtsmeinung als solche deutlich machen." Dies habe Akademie.de nicht getan, sondern "eine Rechtslage als Faktum dargestellt".
Ob ein Gericht dieser Auffassung folgen wird, scheint fraglich. Der Hamburger Medienanwalt Roger Mann zum Beispiel hält die SWR-Abmahnung für "vom Ansatz her abwegig": "Gegen eine Rechtsansicht kann man äußerungsrechtlich nicht vorgehen." Einziger Ansatzpunkt sei da eine unzulässige Schmähkritik. Dafür sehe er aber keine Anhaltspunkte. Mann: "Aus meiner Sicht ist das völlig klar. Das müsste eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt eigentlich wissen."
Die Frankfurter Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht Petra Marwitz, ehemals Vorsitzende der Vereinigung der Rundfunkgebührenzahler, nennt die Abmahnung abenteuerlich: "Der öffentlichlich-rechtliche Rundfunk, der sich selbst stets auf die Rundfunkfreiheit beruft, sollte selbst am besten wissen, dass Rechtsmeinungen keine Tatsachenbehauptungen sind."
Grundsatzurteil fehlt bisher
Allerdings sind die Auslegungen bisher nicht höchstrichterlich geprüft worden. Ob die Rechtslage so eindeutig ist, wie SWR und GEZ einerseits und Akademie.de andererseits sie sehen, ist fraglich. Die Interessenvertretung der betroffenen Unternehmen jedenfalls ist skeptisch. Ute Brüssel, Sprecherin des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, sagt: "Der Wortlaut des Staatsvertrags ist hier sicher schwammig. Für uns ist das ein weiterer Grund, an die Länder zu appellieren, endlich für ein neues Gebührenmodell zu sorgen."
Fachanwältin Marwitz nennt die Normen des Rundfunkgebührenstaatsvertrages "alles andere als klar". Der Gesetzgeber habe versucht, ein Modell, das einfach nicht mehr zeitgemäß ist, " durch Ergänzungen und Ausnahmen mehrheitsfähig zu machen". Deshalb gebe es jetzt zahlreiche Auslegungsprobleme. Marwitz urteilt: "Die Kritiker der schlampigen gesetzgeberischen Arbeit mittels Abmahnungen zum Schweigen bringen zu wollen, zeugt von einem falschen Verständnis der Demokratie."
Bis dahin dürften Gebühren-Eintreiber und -Kritiker sich weiter bekriegen. In einem Schreiben an den SWR zeigt sich Akademie.de-Anwalt Biere befremdet, dass eine Landesrundfunkanstalt, "die sich der Meinungspluralität verpflichtet sieht", eine journalistische Auseinandersetzung mit einer Rechtsfrage durch das "Ansichziehen einer Deutungshoheit zu unterbinden".
Das sieht der SWR anders. Justiziar Hertel versichert, man wolle keinesfalls eine "kritisch geführte Diskussion" oder gar die "Meinungsbildung" behindern. Man wolle vielmehr dafür sorgen, dass "Fakten, die es nun eben auch im Gebührenrecht gibt, korrekt wiedergegeben werden – und nicht zunehmend verfälschend von Hand zu Hand weitergereicht werden".
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