Google Earth: Aus-der-Luftgucker tappen in die Abmahnfalle (Spiegel Online, 29.2.2008)
Google Earth
Aus-der-Luftgucker tappen in die Abmahnfalle
Aus Googles Weltatlas "Google Earth" kann jeder mühelos Luftbilder per E-Mail verschicken. Wer diese Aufnahmen ins Web stellt, riskiert eine Abmahnung. Die Rechte an den Luftbildern liegen nicht bei Google, sondern bei kleinen Firmen, die Millionen für die Luftaufnahmen bezahlt haben.
Spiegel Online, 29.2.2008
Den Karswald, den alten Bahnhof, sogar die neben ihrer kleinen Kelterei geparkten Autos konnte Kirstin Walther bei Google Earth erkennen. 2006 war das, da startete Geschäftsführerin Walther gerade das Saftblog ihrer kleinen Traditionskelterei, die der Großvater 1927 bei Dresden gegründet hatte. Walther schaute sich die alte und die neue Kelterei aus der Luft an, schickte die Bilder aus Google Earth an ihre Mail-Adresse und stellte sie in ihr Saftblog. Für die zwei Bildchen soll sie nun gut 1400 Euro zahlen.
Abgemahnt hat die Saft-Unternehmerin nicht etwa Google, sondern die Magdeburger Firma Geocontent. Das kleine Unternehmen hat von 2001 bis 2006 ganz Deutschland aus der Luft fotografieren lassen, einen zweistelligen Millionenbetrag investiert, Kredite aufgenommen. Diese Luftbilder hat nun unter anderem Google lizenziert. Und nun herrscht Verwirrung darüber, wer nun eigentlich wie die Karten und Luftbilder aus Googles Weltschau-Produkten Earth und Maps nutzen kann.
Google formuliert schwammig
Die abgemahnte Kirstin Walther erzählt: "Ich erinnerte mich, dass ich damals sehr genau in der Hilfsfunktion von Google Earth nachgelesen habe, ob ich die Fotos verwenden darf. Da stand sinngemäß, man dürfte das, wenn man die Copyright-Hinweise nicht entfernt." In der Tat: Ruft man im Web die Google-Earth-Hilfe auf und klickt die Frage an "Darf ich Bilder im Web verwenden?", antwortet Google:
"Wir freuen uns, dass Sie Google Earth noch stärker in Ihre Online-Welt integrieren möchten. Sie persönlich dürfen ein Bild aus der Anwendung verwenden (beispielsweise auf Ihrer Website, in einem Blog oder einem Word-Dokument), solange Sie die Angaben zum Copyright und zur Bezugsquelle nicht entfernen."
Als Einschränkung führt Google auf: "Sie dürfen diese Bilder aber nicht an andere Nutzer verkaufen, als Teil eines Service anbieten oder in einem kommerziellen Produkt verwenden." Diese Formulierung greift Luftbild-Anbieter Geocontent in der Abmahnung auf.
Anwälte nennen Formulierung "verunglückt"
In dem von Blogger Robert Basic veröffentlichten Schreiben formulieren die Geocontent-Anwälte: "Bei Google Earth ist leider eine verunglückte Formulierung gewählt worden." Aber dennoch sei aus diesem Passus bei "richtiger Betrachtung" durchaus herauszulesen, "dass allenfalls eine rein private, aber keinesfalls eine wie auch immer geartete Nutzung in kommerziellem Zusammenhang zulässig sein soll".
Diese Interpretation hat die abgemahnte Saftbloggerin Kirstin Walther nicht aus der Formulierung herausgelesen. Walther kritisiert Google: "Ich verstehe nicht, warum das so missverständlich formuliert ist. Man kann doch nicht so eine Funktion zum Verschicken von Bildausschnitten integrieren ohne da klare Hinweise zu geben."
Angesichts dieser Verwirrung fragt Blogger Basic rhetorisch, ob da Google "seine Kunden in die Abmahnfalle laufen" lässt. Basics Fazit: "Klar ist, dass es unklar ist, wie und wann man Screens von Google Earth machen kann."
Strafe trotz Gummi-Formulierung
Diese unklare Formulierung erkennen Gerichte aber nicht unbedingt als Argument für die Abgemahnten Screenshot-Benutzer an. Gestern entschied das Landgericht Hamburg in einem einstweiligen Verfügungsverfahren gegen eine von Geocontent abgemahnte Firma. In dem SPIEGEL ONLINE vorliegenden Beschluss argumentieren die Richter:
"Insbesondere können missverständliche oder unzutreffende Angaben der Firma Google zur Verwendungsmöglichkeit der bei Google Earth angezeigten Luftbilder nicht dazu führen, dass die Antragsgegnerin zur urheberrechtswidrigen Nutzung der Luftaufnahme berechtigt wäre."
Sprich: Wer Luftbilder aus Google-Angeboten nutzt, sollte sich detailliert informieren – und es im Zweifelsfalls besser lassen. Denn als kommerzielle Nutzung kann natürlich schon das Vermieten des eigentlich privaten Ferienhauses gelten.
Google-Sprecher Kay Oberbeck erklärt SPIEGEL ONLINE: "Grundsätzlich ist die Nutzung von Google Maps und Google Earth im Rahmen der jeweiligen Nutzungsbedingungen für den Nutzer unproblematisch" (Detail-Informationen von Google im Kasten unten) Allerdings könne Google "als Lizenznehmer – und nicht Urheber oder Eigentümer – des Bild- respektive Kartenmaterials" keinen Einfluss darauf nehmen, "ob und in welcher Art und Weise die jeweiligen Lizenzgeber ihre Rechte geltend machen".
Blogger Robert Basic vermutet eine "Abmahnwelle" in dieser Angelegenheit. Dem widerspricht Geocontent-Geschäftsführer Günter Kuscher: "Uns geht es darum, dass die nicht legale gewerbliche Nutzung unserer Luftbilder unterbunden wird." Geocontent hat für die Flüge über Deutschland mehrere Millionen Euro ausgegeben, ist auf die Refinanzierung angewiesen. Kuscher verweist darauf, dass Luftbilder von manchen Unternehmen "im Web, in Prospekten und Broschüren" verwendet werden. Kuscher: "Ohne zu zahlen, ohne zu fragen. Das geht so nicht."
Luftbildfirma: "Kein Abmahnwelle"
Geocontent hat Mitte 2007 die Berliner "Gesellschaft für kartographische Abdruck- und elektronische Vervielfältigungsrechte" (GEKA) beauftragt, unerlaubte Verwendungen der Lufbilder und Karten zu verfolgen. Kuscher: "Da sind inzwischen einige Hundert Fälle zusammengekommen, im Januar waren es circa 80 Fälle."
80 Fälle bedeuten aber nicht 80 Abmahnungen, erklärt GEKA-Geschäftsführer Hans Biermann. Bei Luftbilder sei der Nachweis der Copyright-Inhaber nur sehr aufwendig zu führen. Die GEKA suche nach Screenshots von Luftbildern, die anscheinend rechtswidrig genutzt werden. Biermann: "Wir leiten wir solche Fälle an die Rechteinhaber weiter, die im Zweifelsfall genau nachweisen müssen, dass dieses Bild von ihren Flügen stammt, wann und wo es aufgenommen wurde." Weil das so aufwendig ist, komme es nur in verhältnismäßig "wenigen, drastischen Fällen" zu einer Abmahnung.
Biermann räumt ein: "Sicher kann es manchen Internetanwendern verwirren, wenn er in den Nutzungsbedingungen bei Google Earth liest, er dürfe als Privatmensch Bilder aus dem Programm verwenden, wenn er die Copyright-Hinweis beibehält." Diese Formulierung klingt womöglich mehrdeutig. Aber, so Biermann: "Nach zehn Jahren Internethype in Deutschland müsste schon klar sein, dass man im Zweifelsfall Rechte beim Rechteinhaber prüfen muss, statt einfach Screenshots zu veröffentlichen."
Az. 310 O 64/08