Googles Eric Schmidt vor US-Senat: Wir sind die Guten, manchmal die Besten (Spiegel Online, 22.9.2011)
Googles Eric Schmidt vor US-Senat
Wir sind die Guten, manchmal die Besten
Wissens- statt Suchmaschine: Google-Repräsentant Eric Schmidt erklärte vor dem US-Senat , dass seine Firma die besten Antworten auf manche Suchanfragen eben selbst berechnet. Fluginfos, Börsenkurse, Nachrichten – Google macht Inhalteanbietern Konkurrenz. Zu viel?
Spiegel Online, 22.9.2011
{jumi [*3]}
Googles Verwaltungsratschef Eric Schmidt hätte dem Wettbewerbsausschuss des US-Senats gerne vorgeschwärmt, wie sehr seine Firma dem Guten verpflichtet ist. In seiner ersten Antwort legte Schmidt dem Vorsitzenden tatsächlich dar: “Ich bin mir nicht sicher, ob Google ein rationales Unternehmen ist, das versucht, seine Profite zu maximieren.”
So wolkig ging es dann zum Glück nicht weiter. Statt Google gute oder böse Absichten zu unterstellen, wie es Google-Kritiker und Fanboys so gerne tun (es gibt erstaunlich wenig Kommentare, die man nicht einem dieser Lager zuschlagen kann), fragten viele Senatorennüchtern nach, wie Google mit den Interessenkonflikten umgeht, die entstehen, wenn ein Unternehmen in einem Markt mit weitem Abstand der erfolgreichste Anbieter ist und in angrenzende Märkte expandiert.
Begonnen hat Google als Suchmaschine, als Vermittler zwischen Suchenden und Inhalten. Doch seit Jahren entfernt sich das Unternehmen mehr und mehr von diesem klaren Modell und tritt in immer mehr Bereichen selbst als Anbieter von Inhalten auf. Videos gibt es bei YouTube, Nachrichtentexte in bestimmten Staaten direkt bei Google News, digitalisierte Bücher bei Google Books.
Auch im Kerngeschäft, der Suchmaschine, müssen Kunden schon lange nicht mehr bei jeder Anfrage auf einen Link klicken, denn manchmal gibt Google selbst die Antwort. Sucht man zum Beispiel auf google.com nach dem Apple-Aktienkurs, führt der erste Treffer zu Googles eigenem Dienst Google Finance, dann folgen Links zu einigen Konkurrenten; ein Kursdiagramm und Kennzahlen blendet Google auch gleich ein.
Die besten Antworten berechnet Google manchmal selbst
Solche Suchergebnisse sind die Zukunft, sagte Eric Schmidt unumwunden den US-Senatoren: “Vor zehn Jahren mag die beste Antwort eine Liste mit zehn Links gewesen sein, aber heute kann die beste Antwort eine sein, die wir berechnen.”
Schmidt argumentiert, dass es im Interesse der Nutzer sei, die beste Antwort auf eine Suchanfrage schnell von Google zu erhalten. Das mag stimmen. Es kann auch sein, dass es langfristig nicht im Interesse der Nutzer ist, die Antworten auf alle Fragen von einem Anbieter errechnen zu lassen. Darüber kann man heute nur streiten.
Etwas klarer ist, wie dieser Ansatz das Verhältnis der Suchmaschine Google und all der Menschen, die das Internet vollschreiben, verändert. Den Deal zwischen Suchmaschinen, Nutzern und Autoren kann man so skizzieren: Google saugt sich kostenlos alle freien Inhalte aus dem Netz, macht sie auf eine neue Art zugänglich und verteilt so Aufmerksamkeit an die Autoren.
“Das ist doch fair”
Je mehr Antworten Google selbst gibt – um in Schmidts Terminologie zu bleiben -, desto weniger Aufmerksamkeit verteilt der Vermittler an die anderen Angebote im Netz. Hier zeichnet sich in zwei Bereichen ein verschärfter Wettbewerb ab: der um die Aufmerksamkeit der Nutzer und der um die Werbebudgets für die Anzeigen, die Inhalte umgeben.
Auch wenn Google das Quasi-Monopol seiner Suchmaschine nicht missbraucht, um den eigenen Inhalten Vorteile zu verschaffen, bleibt die Frage: Ist es gut für eine Gesellschaft, wenn ein Unternehmen seinen Einfluss auf das Geschäft mit Informationen und dem Zugang zu Informationen derart ausdehnt? Um diese grundsätzliche Frage ging es bei der Senatsanhörung nicht, die Politiker beschäftigten sich mit der Frage, ob Google die Suchmaschine missbraucht, um eigenen Angeboten Vorteile zu verschaffen.
Eric Schmidt wurde mit Äußerungen der Google-Managerin Marissa Mayer aus dem Jahr 2007 konfrontiert. Sie sagte damals bei eine Google-Konferenz (Video unten), angesprochen auf den Interessenkonflikt zwischen Suche und Eigeninhalten: “Als wir Google Finance gestartet haben, haben wir den Link zuerst eingefügt, das ist doch nur fair.”
Eric Schmidt wollte sich vor dem Senatsauschuss auch auf Rückfrage nicht direkt zu diesem Zitat Meyers äußern.
Im Google-Blogeintrag zu der Anhörung gehen die Autoren auch nicht direkt darauf ein, allerdings heißt es dort ganz allgemein zum Vorwurf, Google verweise Nutzer nicht mehr vorrangig auf die besten Quellen anderswo im Netz:
“Manchmal ist die beste, die nützlichste Antwort auf eine Frage die traditionelle Linkliste. Manchmal ist es ein Nachrichtentext, ein Sportergebnis, ein Aktienkurs, eine Flugzeit, ein Video, ein Produkt oder eine Landkarte – all das können wir über oder zwischen anderen Ergebnissen aus dem Web zeigen.”
Anders ausgedrückt: Manchmal hält Google die eigenen Angebote für die besten Treffer zu einer Suchanfrage.
Wie genau Googles Suchmaschine dazu kommt, bestimmte Treffer aus Google-Diensten an prominenter Stelle zwischen Suchergebnissen zu zeigen, wollte Senator Mike Lee von Eric Schmidt wissen. Er fragte mehrmals nach, ob Googles Dienste nach denselben Kriterien bewertet werden wie alle andern Web-Angebote.
Eric Schmidt antwortete auf diese Frage: “Ja, wenn die Dienste in der eigentlichen Trefferrangfolge auftauchen.” Und dann spricht Schmidt wieder davon, dass es manchmal besser für den Kunden ist, gleich eine Antwort zu erhalten statt auf einen Link klicken zu müssen. Senator Lee fragt erneut nach: “Werden diese Dienste nach denselben Verfahren und Standards bewertet wie andere Treffer in der organischen Suche?” Darauf antwortet Schmidt: “Ich glaube schon.”
Diese Antwort Schmidt kommentiert später Senator Al Franken mit einer rhetorischen Frage: “Wenn Sie das nicht wissen, wer weiß es dann?”
Eine klare Antwort, wie Google transparent mögliche Interessenkonflikte löst, ergab die Anhörung also nicht.