Gott ist gut für die Konjunktur (Bücher Magazin, Juli 2004)
Gott ist gut für die Konjunktur
Wie Wirtschaftswissenschaftler die fünf wichtigsten Fragen der Menschheit beantworten.
Bücher Magazin, Juli 2004
Macht Geld glücklich?
Im Prinzip schon. Richtig glücklich aber nur Menschen, die nicht nur genug, sondern vor allem mehr als die meisten anderen haben. So erklärt Wirtschaftsprofessor Richard Layard von der London School of Economics einen erstaunlichen Widerspruch in der Forschung zu Glück und Wirtschaft („Happiness economics“): Einerseits sind laut Umfragen die Menschen in Nordamerika, Europa und Japan heute in etwa so glücklich und unglücklich wie in den 50er Jahren – trotz des immensen Wirtschaftswachstums. Doch andererseits fühlen sich 37 Prozent des reichsten Viertels aller Amerikaner „sehr glücklich“, aber nur 16 Prozent des ärmsten Bevölkerungsviertels. Das heißt: Wenn ein Mensch mehr Geld hat, ist er auch glücklicher. Aber eine Gesellschaft kann insgesamt reicher werden und doch unglücklich bleiben. Wie das zusammenpasst, erklärt Professor Layard so: Menschen schätzen ihr Glück immer im Vergleich zu anderen ein. Das belegen die Ergebnisse vieler Experimente. Ein besonders deutliches: An der Universität Harvard erklärte die Mehrheit befragter Studenten, lieber 50000 Dollar anzunehmen, wenn andere halb so viel bekommen. Sie entschieden sich dabei gegen ein eigentlich verlockende Alternativangebot: 100000 Dollar – aber nur, wenn jeder andere Teilnehmer doppelt so viel bekommt.
Warum gibt es reiche und arme Staaten?
Ein Grund, den kaum jemand kennt, fasziniert Wirtschaftswissenschaftler umso mehr: Staaten sind manchmal einfach zu groß. So das Fazit von Alberto Alesina (Wirtschaftsprofessor in Harvard) und Enrico Spolaore (von der ebenfalls renommierten Brown University). Grundlage ihrer These: Von den zehn reichsten Staaten der Welt – gemessen am Bruttoinlandsprodukt je Kopf – haben acht weniger als fünf Millionen Einwohner. Norwegen etwa, oder Singapur. Fünf der zehn superreichen Staaten haben sogar weniger als eine Million Einwohner. Zum Beispiel Island vor hundert Jahren Westeuropas ärmstes Land, heute weltweit Nummer fünf. Island ist ein Paradebeispiel für die Mischung aus richtiger Größe (270000 Einwohner), liberaler Wirtschaftspolitik, offenen Grenzen (Freihandelsabkommen mit der EU) und garantierter Sicherheit (Nato-Mitgründer). Wenn all das zusammenkommt, werden kleine Staaten wie Island auch zu reichen. Ihr großer Vorteil ist die recht einheitliche Bevölkerung: Deshalb können sie politische Entscheidungen schnell und zügig umsetzen. Große Staaten wie Brasilien oder Indien verbringen viel Zeit mit der Suche nach einem Konsens oder speziellen Lösungen für alle Bevölkerungsgruppen. Island hingegen konnte sehr zügig eine effektive Fischereipolitik einführen, als in den 60er Jahren die Bestände schrumpften. Heute handeln die Isländer ihre Fangquoten wie Währungen (eine Einheit Schellfisch entspricht derzeit 1,2 Einheiten Dorsch). Folge des modernen Systems: Anders als die EU-Fischerei bringt die isländische Geld.
Wo lohnt sich der Urlaub?
Wenn es nur darum geht, am Urlaubsort möglichst viel fürs Geld zu bekommen, können Ihnen Ökonomen helfen. Denn sie versuchen ständig, die reale Kaufkraft ohne den Umweg über Wechselkurse zu vergleichen. Der Hintergrund: Eine Währung kann ja zu hoch oder zu niedrig bewertet sein. Hinweise darauf – und auf günstige Urlaubsorte – liefert zum Beispiel der Big-Mäc-Index. Den hat 1986 das britische Wirtschaftsmagazin „Economist“ entwickelt. Basis des Index sind die Preise für McDonalds Big Mäcs weltweit. Burger, weil McDonalds sie in 118 Staaten nach recht ähnlichem Rezept vor Ort herstellt. Den wissenschaftlichen Anforderung genügt der Index nicht ganz (denn Burger werden nicht international gehandelt), aber er hat immerhin den sinkenden Euro-Kurs 1999 vorausgesagt. Li Lian Ong vom Internationalen Währungsfonds hat sogar in einem Buch belegt, dass der Big Mäc-Index Wechselkurse erstaunlich genau vorhersagt. Deutschen Urlaubern rät der Index nichts überragend neues: Bloß nicht in die Schweiz (umgerechnet gut 4 Euro kostet der Mäc da, 43 Prozent mehr als im Euroraum). Günstig: Türkei (die Lira 15 Prozent unterbewertet). Günstiger: Polen (doppelt so viel Mäc fürs Geld). Am günstigsten: Philippinen (0,972 Euro kostet ein Mäc).
Was soll ich meiner Nichte schenken?
Am besten nichts. Beschenken sollten Sie nur gute Freunde oder nahe Verwandte. Ansonsten ist Schenken ineffizient. Das glaubt Joel Waldfogel, Professor an der Wharton Business School. Er verglich den geschätzten Kaufpreis von Geschenken mit dem Betrag, den die Beschenkten laut eigener Aussage dafür selbst bezahlen würden. Ergebnis: Den meisten Empfänger war ihr Geschenk weniger wert als die Schenker tatsächlich ausgegeben hatten. Der Abstand lag bei mindestens zehn Prozent. Am besten schnitten beim Vergleich Geschenke von nahen Freunden und Verwandten ab. Am schlechtesten die von Tanten (64%) und Onkeln (63%). Waldfogel hat den so entstandenen Wohlfahrtsverlust – so nennen Ökonomen das – hochgerechnet: Mindestens vier Milliarden Dollar verlieren demnach die Vereinigten Staaten jährlich durch falsche Weihnachtsgeschenke. Allerdings forschen und streiten Ökonomen noch immer über den Wert von Weihnachtsgeschenken. Und manche glauben wirklich, dass Geschenke generell mehr Gewinn als Verlust bringen. Bradley Ruffle von der Harvard Business School zum Beispiel: Er verlangt, auch den „sentimentalen Wert“ zu berücksichtigen: Manchmal sei ein Geschenk ja nur deshalb für den Beschenkten wertvoll, weil es von einem bestimmten Menschen kommt. Soso.
Soll man an Gott glauben?
Aus volkswirtschaftlicher Sicht unbedingt. Gottesglaube ist gut für die Konjunktur, sogar besser als häufiger Kirchgang. Das glauben Robert J. Barro (Harvardprofessor und einer der bekanntesten US-Wirtschaftswissenschaftler) und Rachel McCleary nicht nur, sondern liefern statistische Belege. Basis sind Daten zu individueller religiöser Überzeugung Gottesdienstbesuch und Wirtschaftsentwicklung aus 59 Staaten zwischen 1981 und 1999. Die Wirkungsrichtung (beeinflusst die Konjunktur den Glauben oder umgekehrt?) ist aus diesem Material nicht ohne weiteres abzuleiten. Barro und McCleary haben sich auf Basis theoretischer Annahmen sehr aufwendig berechnet. Die Methode werden Wissenschaftler noch einige Zeit diskuticren. Akzeptiert man sie, lassen häufige Kirchenbesuche bis zu einer gewissen Schwelle die Wirtschaft schneller wachsen. Barro und MeCleary zufolge funktioniert das so: Kirchgänger werden religöser, glauben an Himmel und Hölle und sind deshalb ehrlicher arbeitsamer und aufgescolossener gegenüber der Globalislerung. Haben aber die Kirchen Glauben und Moral gefestigt, hemmt häufiger Kirchenbesuch ab einem bestimmten Punkt das Wachstum. Barro und McCleary empfehlen allerdings keineswegs Kuschelkirche mit Akustikgitarren: In den analysierten Staaten mit einem starken Glauben an die Hölle wuchs das Bruttoinlandsprodukt in der Regel 0,5 Prozentpunkte stärker als im Durchschnitt.
Literatur
Hanno Beck: Der Alltagsökonom. Frankfurter Allgemeine Buch, Seiten, 17,50 Euro. Diane Coyle: Sex, Drugs & Economics. Campus, 284 Seiten, 19,90 Euro. Georg Franck: Ökonomie der Aufmerksamkeit. Hanser, 251 Seiten, 14,90 Euro.