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Gratis-Games: Bilanz-Tetris für Bürospieler (Spiegel Online, 8.11.2011)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
3 minuten gelesen

Gratis-Games

Bilanz-Tetris für Bürospieler

Excel als Spielwiese – oder ein Kurvendiagramm als Rennstrecke? Designer setzen in kostenlosen Browser-Spielen absurde Ideen um, manchmal wird daraus richtig gute Unterhaltung. Fünf Empfehlungen für viel Spaß in kurzer Zeit.

SPIEGEL ONLINE, 8.11.2011

{jumi [*3]}

Es dämmert in der Stadt, die Straßenlaternen sind schon an, die Menschen kommen nach Hause, in immer mehr Fenstern geht das Licht an. Und draußen im Schnee laufen der Held und die Heldin dieses Jump’n’Run-Spiels umher und suchen einen Weg zueinander. Das Ziel des Spiels ist es, das Paar in jedem Level zusammenzubringen – sie stehen zu Beginn immer an entgegengesetzten Enden des Stadtlabyrinths. Erschwert wird das Wiedersehen der Liebenden dadurch, dass in dieser verschneiten Stadtlandschaft erstaunlich große Höhen und viele Fallgruben zu überwinden sind. Umgehen können die Helden diese tödlichen Hindernisse, indem sie beispielsweise Kisten an die richtigen Stellen rücken, um dann darüberzuspringen.

Allerdings sind die Gassen der Stadt so verwinkelt, dass ein Partner oft für den anderen den Weg schaffen muss. Der Spieler kann jederzeit zwischen beiden Figuren wechseln. Dabei muss man gut planen, wer wohin kommt und wie der andere sich ihm dann nähern kann. Insofern sieht “One and One Story” zwar aus wie ein Jump’n’Run, ist aber viel eher ein Knobelspiel. Die Musik passt gut zu der melancholisch stimmenden leeren Winterlandschaft. Ein schönes kleines Spiel mit einem anrührenden Prinzip: Allein kommt keiner durch, es funktioniert nur, wenn beide sich entgegenkommen und einander helfen.

Mattia Traverso: One and One Story, Browserspiel, kostenlos

“Cost Cutter” – Bilanztetris für Rechenkünstler

Vier Gestalter aus Amsterdam machen sich einen Spaß daraus, mit Browserspielen die Produktivität von Büroarbeitern zu senken. Jedes ihrer Spiele sieht auf den ersten Blick nach Arbeit aus: Das Spielfeld von “Cost Cutter” zum Beispiel gleicht der Benutzeroberfläche einer Tabellenkalkulation.

Man spielt ein Balkendiagramm-Tetris: Wenn zwei oder mehr Kostenpunkte in derselben Farbe in Balken nebeneinander stehen, kann man sie wegrationalisieren. Das Ziel ist es, die einzelnen Balken so weit es geht abzutragen (Kosten senken!). Das Ganze ist wie bei Tetris in Bewegung: Von links schieben sich immer neue Kostenblöcke aufs Spielfeld – sind alle Spalten mit Balken belegt, ist die Runde vorbei.

Die Spielmechanik ist einfach, die einzelnen Runden sind schnell vorbei und wenn man die Leertaste drückt, verschwinden alle Hinweise darauf, was hier gespielt wird.

Maarten Vrouwes, Friso Ludenhoff, Eric Holm, Vincent Ludenhoff: ” Cost Cutter“, Browserspiel, kostenlos

“Fisher-Diver” – nach Fischen tauchen

Warum? Das darf man nicht fragen bei “Fisher-Diver”. Aus irgendeinem Grund angelt die Spielfigur in diesem Browser-Titel, indem sie mit einem Kutter aufs Meer hinausfährt, ins Wasser springt und immer tiefer taucht, weil die besten Fische da unten zu finden sind.

Das ist zumindest als Spielprinzip unterhaltsamer als die antiquierte Angeltechnik: Man hat nur eine begrenzt Zeit für die Fischjagd, da der Sauerstoff knapp wird. “Fisher-Diver” behält seinen Reiz – wenn man sich denn aufs Tauchangeln einlässt – über längere Zeit: Man kann die Ausrüstung und somit auch die Ausbeute verbessern. Dazu muss man natürlich erst genug verdient haben. Abgesehen von diesen Aufstiegsmöglichkeiten spinnt “Fisher-Diver” nebenbei eine Geschichte fort, der Fischer ist mit Alpträumen und merkwürdigen Botschaften konfrontiert.

Ein schönes Werk für mehrere Spielpausen zwischendurch, geschaffen von Eli Piilonen, der schon ” The Company of Myself” entwickelt hat.

Eli Piilonen: ” Fisher-Diver“, kostenloses Browserspiel

“Hanger 2” – Gliedmaßen-Poker

Dieses Spiel ist makaber. Wer Zombiefilme nicht ausstehen kann, sollte “Hanger 2” ignorieren, wer nichts gegen Kunstblut hat, könnte ganz gut unterhalten werden: Bei “Hanger 2” bewegt sich die Spielfigur durch die Welt wie Spiderman: Am Faden hängend und von Hindernis zu Hindernis schwingend.

Problematisch in der Spielwelt von “Hanger 2” sind all die Vorsprünge und Mauern, gegen die der Held prallen kann. Bei so einem Zusammenstoß verliert er je nach Geschwindigkeit einen Arm, ein Bein oder gleich mehrere Gliedmaßen. Solange mehr als der Torso übrig ist, kann sich Herr Hanger blutend weiterschwingen.

Christian Östman, Richard Åström: ” Hanger 2“, kostenloses Browserspiel

“Sin Car” – ein Kurvendiagramm als Rennstrecke

Kenta Cho hat das Prinzip Rennspiel dekonstruiert und neu zusammengesetzt: Der Spieler steuert nicht den Wagen, sondern den Kurvenverlauf, dem sein Fahrzeug folgt. Zieht man die Kurven enger, wird der Wagen schneller – dehnt man sie, bremst der Wagen etwas ab. Chos Spiel ist minimalistisch: Man muss Punkte sammeln, die auf der Strecke liegen und darf nicht gegen Wände fahren, die vom Rand in die Fahrbahn hineinragen.

Entsprechend oft und schnell muss man den Kurvenverlauf auseinander und wieder zusammenziehen, um Hindernissen auszuweichen. So einfach das ist – das Spiel fasziniert, man fängt immer wieder an, um seinen Highscore zu übertreffen. Eine brillante, schön umgesetzte Idee.

Kenta Cho: ” Sin Car“, kostenlose Browserversion

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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