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Handy-Chaostage: Wie Apple den iPhone-Start vergeigte (Spiegel Online, 14.7.08, mit Matthias Kremp)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
4 minuten gelesen

Handy-Chaostage

Wie Apple den iPhone-Start vergeigte

Fehlstart für das neue Apple-Handy: Kunden warten Tage bis zur Aktivierung, holprige Updates schicken Alt-iPhones ins Koma, der 80-Euro-Dienst MobileMe macht Ärger. SPIEGEL ONLINE dokumentiert die Pannen.

Spiegel Online, 14.7.2008, mit Matthias Kremp

Zum Start des neuen iPhones versprach Apple "doppelte
Geschwindigkeit zum halben Preis". Soweit die Werbung – die
Wirklichkeit: Bei Apple lahmt seit vergangenem Freitag die Aktivierung
der neuen Telefone und die Aktualisierung der Software von Alt-iPhones.
Apples neuer, kostenpflichtiger Online-Dienst MobileMe ist sogar seit
fünf Tagen überfällig.

Apple spricht von Serverproblemen. Die Kunden sind enttäuscht – schließlich war der massive Andrang auf die Server abzusehen.

Spät, lahm, schlampig: SPIEGEL ONLINE dokumentiert, was beim Start des neuen iPhone schief läuft.

Update – enttäusche Apple-Kunden warten zwei Tage

Die Besitzer eines alten Apple-Handys sollten ihre Geräte mit dem
neuen iPhone-Betriebssystem in ein völlig neues Gerät verwandeln können
– und zwar schon seit dem vergangenen Freitag, versprach Apple. Das hat
nicht geklappt: Die iPhone-Software 2.0 war bei vielen Anwendern auch
am Freitagabend noch nicht über iTunes verfügbar.

Nur über einen Umweg ließ sich die Software zum versprochenen
Zeitpunkt einspielen: Das Update musste man über einen direkten Link
von einem Apple-Server laden und dann von Hand installieren (Anleitung bei iPhoneatlas).

In den USA konnten einige Kunden die neue Software erst am Samstag installieren. So
berichtet
der IT-Reporter Declan McCullagh, dass für sein Alt-iPhone die neue
Software erst nach knapp 36 Stunden verfügbar war. McCullagh vermutete,
dass Apple den Zugriff beschränkte, um einen Zusammenbruch der Server
zu verhindern. Sein Kommentar: "Das ist vielleicht verständlich, aber
enttäuschend. Vor allem weil diese Probleme mit einem Minimum an
Planung hätten verhindert werden können." 

Aktivierung – Telefonieren unmöglich wegen schwacher Server

Apples Serverprobleme trafen auch die Käufer der neuen iPhones. Wer
am Freitag in den USA sein Neu-iPhone noch im Laden aktivieren wollte,
wurde nach Hause geschickt. Ein Sprecher bestätigte dem US-Technik-Blog Engadget diese Probleme.

Engadget wunderte sich auch über den Rat, dass Kunden ihre neuen
Telefone nun "zu Hause über iTunes aktivieren sollen. Wir wissen nicht,
was das bringen soll – die Server sind offline, egal wo man sich
befindet". Nicht einmal in Apples eigenen Ladengeschäften funktionierte
die Aktivierung, berichtete das Mobilfunk-Blog Moconews.


Aktualisierung – neue Software schickt iPhones ins Koma

Peinlich: Manche der ausgesuchten Kunden, die wie von Apple
versprochen schon am Freitag ihre iPhone-Software aktualisieren
konnten, konnten nach dem Update nicht mehr telefonieren. Blogger-Promi
und Programmiererlegende Dave Winer klagte: "Ich hatte ein Telefon. Jetzt habe ich einen Ziegelstein."

Der US-Fachdienst Cnet berichtet, dass viele Leser über vergleichbare
Probleme klagten. Cnet zitiert aus E-Mails des Apple-Kundendienstes an
Kunden, die sich beschwert hatten: "Wegen der Überlastung der
iTunes-Server kann es sein, dass sie ihre iPhone-Software nicht
aktualisieren oder wiederherstellen können."

Der Rat der US-Kundenberater von Apple laut
Cnet:
"Sie werden Ihr iPhone nicht benutzen können, bis die Software
aktualisiert oder wiederhergestellt ist. Sie können ihre SIM-Karte in
einem anderen AT&T-Telefon verwenden oder ihre Anrufe an ein
anderes Telefon weiterleiten."


24 Stunden Wartezeit auf MobileMe

Der Umbau von Apples altem
Internet-Speicher-Angebot .mac zum neuen
MobileMe (mehr auf SPIEGEL WISSEN…)
war schon lange angekündigt – und auch eine begrenzte Auszeit. Sechs
Stunden werde man wohl brauchen, um umzuschalten, teilte Apple seinen
zahlenden Kunden mit: Von drei bis neun Uhr am Donnerstagmorgen seien
die Dienste wohl nicht erreichbar – möglicherweise etwas kürzer. Das
Gegenteil war der Fall.

Statt der versprochenen neuen Internetseite MobileMe war unter der Adresse
www.me.com nach Ablauf
der selbstgesetzten Frist nur eine Meldung zu sehen, die darauf
hinwies, dass der Umzug wohl länger als gedacht dauern werde und man
sich noch ein wenig gedulden sollte. Zwar war die Seite am
Donnerstagvormittag tatsächlich kurzzeitig erreichbar – verschwand dann
aber gegen Mittag plötzlich wieder.

Tatsächlich mussten sich die meisten Anwender daraufhin noch fast 24
Stunden gedulden, bis der Zugang endlich klappte. In der Zwischenzeit
informierte Apple seine Kunden mit der Meldung: "Der Übergang zu
MobileMe dauert länger als erwartet." Einziger Lichtblick war die
E-Mail-Zustellung. Schon Tage vor dem eigentlichen Umstieg
funktionierte die Mailabfrage mit den neuen Adressen, die auf me.com
statt auf mac.com enden


Das MobileMe-Update des Updates – nicht für alle

Schwierigkeiten
gab es auch bei der Bereitstellung eines Updates für Mac OS X, mit dem
die MobileMe-Dienste in das Betriebssystem integriert werden. Diese
Aktualisierung sollte eigentlich über die automatische
Aktualisierungsfunktion auf den Rechner geschoben werden – was bei
einigen Anwendern aber nicht funktionierte.

Abhilfe brachte, wenn einmal das Kontrollfeld für den
MobileMe-Vorgänger .mac aufgerufen wurde. Anscheinend wurde dadurch der
Updateprozess freigeschaltet.

Offenbar gab es trotzdem immer noch Probleme mit dem Update – so dass
Apple schon am Freitag ein Update für das Update nachschob. Dieses
erschien offenbar ohne tieferen Sinn auf manchen Rechnern und auf
anderen nicht.

Welcher Art die Änderungen zwischen dem ersten und dem zweiten Update sind, hat Apple nicht erklärt.


Keine Push-Dienste vom Mac auf MobileMe

Gelöst
sind die Probleme noch nicht. Auch an diesem Montag hakte es noch an
etlichen Stellen von Apples neuem Online-Dienst. Einige Funktionen sind
immer noch nicht erreichbar, manche sehr langsam.

Vor allem beklagen einige Anwender, dass die von Apple als
wichtigster Vorteil von MobileMe gepriesenen Push-Dienste noch nicht
rund laufen. Eigentlich sollen sie Nachrichten, Termine und Ähnliches
sofort nach Erstellung an alle mit dem jeweiligen MobileMe-Account
verknüpften Geräte schicken.

Das ist aber bisher eine Einbahnstraße. Änderungen, die man am iPhone
oder auf der MobileMe-Website vornimmt, werden tatsächlich sofort
übertragen. Änderungen, die man auf seinem Mac erstellt, werden dagegen
erst mit bis zu 15 Minuten Verzögerung übertragen – was in Webforen schon
reichlich Unmut erregte.

Angekündigt war schließlich etwas anderes. Und immerhin kostet MobileMe 79 Euro im Jahr.

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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