Ifa-Fototrends: Weniger Megapixel, mehr Bildqualität (Spiegel Online, 7.9.2009)
Ifa-Fototrends
Weniger Megapixel, mehr Bildqualität
Grinsende Kameras, Superzoomer, neue Bildsensoren und weniger Megapixel: Die Kamerahersteller bemühen sich bei neuen Kompaktmodellen um mehr Bildqualität, mehr Brennweite und merkwürdige Gimmicks wie 3D-Fotos und lächelnde Fotoapparate. SPIEGEL ONLINE analysiert die Ifa-Trends.
Spiegel Online, 7.9.2009
Nur zehn Megapixel! Ein Viertel Megapixel weniger als das Vorgängermodell! Nachdem die Kamerahersteller Kunden jahrelang den Irrtum eingetrichtert haben, mehr Megapixel würden mehr Bildqualität bedeuten, drehen sie die alte Verkaufstaktik nun einfach um: Auf der Ifa zeigt Canon zum Beispiel etliche Kompaktkameras, die weniger Auflösung bieten als ihre Vorgängermodelle, aber dafür weniger Verzerrungen und Artefakte in die Bilddateien schreiben sollen.
Höhere Bildqualität, Kompakt-Knipsen mit Wechselobjektive und die grinsende Kamera – SPIEGEL ONLINE stellt die Foto-Neuheiten der Ifa vor.
Kleine Kameras mit Wechselobjektiven – Panasonic Lumix GF1
Noch ein Fotozwerg: Im Sommer verblüffte Olympus Hobbyfotografen mit einer gerade mal 330 Gramm schweren, recht kompakten Kamera, bei der man die Objektive wie bei Spiegelreflex-Knipsen wechseln kann. Die Olympus EP-1 bekommt nun Konkurrenz: Panasonic bietet eine ganz ähnlich konzipierte Kamera zwischen Kompaktknipse und Spiegelreflex. Die Lumix GF-1 hat wie auch die EP-1 einen Four-Thirds-Fotosensor, der erheblich größer (2,24 Quadratzentimeter) ist als die aller Kompaktknipsen (mit Ausnahme der Sigma DP-1 und DP-2), was weniger Bildrauschen bedeutet.
Der Funktionsumfang der GF-1 ähnelt dem der EP-1: HD-Video (720p), aber kein Eingang für ein externes Mikro, Ultraschallreinigung des Bildsensors, 12 Megapixel. Unterschiede: Das Display der Panasonic hat eine doppelt so hohe Auflösung wie das der Olympus, außerdem ist ein (nicht allzu starker) Blitz im Gehäuse integriert, dafür fehlt der bei der EP-1 integrierte Bildstabilisator.
Ob der ebenfalls kontrastbasierte Autofokus der GF-1 bei schlechten Lichtverhältnissen ähnlich langsam arbeitet wie der der Olympus-Kamera, müssen Tests zeigen. Die Preisempfehlungen der Zwitterkameras von Olympus- und Panasonic liegen auf ähnlichem Niveau: Im Paket mit einem MicroFourThirds-Standardzoom-Objektiv (14-45 mm) soll die EP-1 799,- Euro, die GF-1 849,- Euro kosten.
Interessant ist die Auswahl an Objektiven für die neue Zwitterkamera: Zum Start der GF-1 stellte Panasonic ein von Leica entworfenes Makro-Objektiv (90 mm Kleinbild-äquivalente Brennweite) und ein eigenes, lichtstarkes Pancake-Objektiv (2,25 Zentimeter dick, 40 mm Kleinbild-äquivalente Brennweite, f/1,7).
Kompakt-Knipsen mit extremer Optik
Eine neuer Marketingliebling der Kamerahersteller ist der Brennweitenbereich bei kompakten Knipskameras: Der Bildsensor ist klein, das Objektiv verzeichnet vielleicht stark – aber hey: Wer kann schon eine Spiegelreflex mit 24-fach Zoom bezahlen und länger als eine halbes Stunde tragen? Der Vorteil der Kompaktkameras: Weil der Bildsensor so klein ist, müssen die Objektive nicht so riesig sein wie bei Spiegelreflexkameras. Nach Pentax (X70), Nikon (P90) Kodak (Z980) und Olympus (SP-590UZ) verkauft nun auch Samsung eine Ultra-Zoomkamera.
Die Samsung WB5000 ähnelt den Feldstecher-Knipsen der anderen Hersteller sehr: 26 bis 624 mm kleinbildäquivalente Brennweite (also vom leichten Weitwinkel bis in den extremen Telebereich), kleiner Bildsensor (0,28 cm²), 12 Megapixel Auslösung. Nennenswerte Unterschiede: Die Samsung-Kamera fotografiert auch im Rohdatenformat RAW, was bei der Bildbearbeitung etwas mehr Spielraum gibt als JPG-Aufnahmen und der Bildqualität ein wenig helfen könnte. RAW-Aufnahmen schafft von den Superzoomern nur die Kodak Z980, und die speichert die Daten in einem exotischen Kodak-Format ab, das sich nur mit Kodak-eigener Software entwickeln lässt. Samsung nutzt Adobes DNG-Format, das viele Bildbearbeitungsprogramme lesen können.
Außerdem filmt Samsungs Superzoomer HD-Videos (1280 x 720 Pixel, 30 Bilder je Sekunde), was nur die Feldstecher-Knipsen von Kodak und Pentax können. 450 Euro soll die Samsung-Kamera kosten – die Preise dürften mangels signifikanter Unterschiede zur Konkurrenz bald fallen.
Bildqualität wichtiger als Auflösung
Nur zehn Megapixel! Es gibt eine Klasse von Kompaktkameras, da ziehen solche Marketingsideen vielleicht: Bei den teuren, edlen Gernegroß-Knipsen, die höhere Bildqualität in kleinem Gehäuse versprechen, übertrumpfen sich die Hersteller gerade mit neuen Modellen. Nachdem Panasonic mit der sehr kleinen Lumix LX3 erfolgreich ist, hat Canon nur eine ähnlich kleine Edel-Knipse im Angebot: Die Powershot S90 hat einen Bildsensor mit derselben Fläche wie die LX3 (0,43 cm²) und die deutlich klobigere Canon G11. Das ist kein Vergleich zu Spiegelreflexkameras, aber immerhin etwas mehr.
Was die S90 von anderen Kompaktknipsen unterscheidet, ist nicht mit einem Zahlenwert auszudrücken. Das Objektiv soll recht lichtstark sein (Blendenöffnung f/2,0 bis 4,9), die Kamera löst mit zehn Megapixeln niedriger auf, der Bildprozessor Digic 4 soll Bildrauschen besser filtern und der optische Bildstabilisator gute Ergebnisse liefern. So weit die Versprechen Canons.
Wie gut die Fotos sind, die diese Technikmischung liefert, müssen Tests zeigen. Fest steht, dass die Brennweite der S90 (28 bis 105 mm Kleinbild-äquivalent) zwar mehr Gestaltungsspielraum als die der LX3 (24 bis 60 mm) bietet. Aber so ein Objektiv könnte auch stärker verzeichnen. Die PowerShot S90 soll 470 Euro kosten. Überraschend: Die S90 filmt Videos nur in VGA-Auflösung – aber das ist vielleicht eine Abgrenzung zu den Alleskönner-Kameras, bei denen möglichst viele Funktionen wichtiger sind als hohe Bildqualität.
Canon G11: Zehn statt 14 Megapixel
Die Canon G11 ist deutlich dicker und schwerer als die S90. Sie hat einen etwas stärkeren Zoom (28 bis 140 mm äquivalent zum Kleinbildformat), aber denselben Bildprozessor und Sensor wie die S90. Statt mit 14 Megapixeln wie die G10 fotografiert der Nachfolger G11 nur mit zehn Megapixeln Auflösung. Laut Canon soll das bessere Bilder bei Schummerlicht bringen: Die G11 soll bei einer Lichtempfindlichkeit von ISO 400 ein so starkes Bildrauschen liefern wie die G10 bei ISO 100. Ob die Technik das Versprechen in der Praxis erfüllt, müssen Tests zeigen. Interessante Neuerung der G11: Das Display an der Rückseite kann man wie bei der Nikon D5000 und Panasonics Lumix G1 herausklappen, drehen und schwenken, um zum Beispiel die Kamera über den Kopf zu halten und dabei einen Bildausschnitt bestimmen zu können. Canon empfiehlt als Preis für die G11 590 Euro
Ricoh GR Digital III: 28 mm Festbrennweite
Ricoh verspricht ähnliche Bildqualitäts-Sprünge bei der dritten Version seiner Edel-Kompaktkamera, der Ricoh GR Digital III: Das lichtstärkere Objektiv (f/1,9 statt zuvor f/2,4) und der neue Bildverarbeitungsprozessor sollen das Bildrauschen mindern. Anders als die Edel-Kompakten von Canon und Panasonic hat Ricohs Bildqualitäts-Zwerg eine Festbrennweite – man kann nur Fotos mit dem Weitwinkel (28 mm äquivalent zu Kleinbild aufnehmen), was bei Porträts nicht vorteilhaft ist. 649 Euro empfiehlt Ricoh als Verkaufspreis.
Neue Bildsensoren von Sony und Fuji sollen weniger rauschen
Sony präsentiert zur Ifa zwei kleine Kameras mit festverbautem Objektiv und dem neuen “Exmor R” getauften Bildsensor. Dieser Chip soll das spärlich einfallende Licht bei Dämmerung und in der Nacht verlust- und störungsfreier zu Digitalbildern umrechnen. Theoretisch zumindest – was die Technik in der Praxis taugt, wurde bislang nicht getestet.
Sony baut diese Technik in die Kompaktkamera TX1 und die WX1 ein. Die Kompaktknipsen sind sich recht ähnlich: Beide haben einen neue Panorama-Funktion namens “Sweep Panorama”. Dabei drückt man einmal den Auslöser und zieht die Kamera horizontal oder vertikal weiter, die Software errechnet dann aus den schnell hintereinander aufgenommenen Einzelbildern ein Panaromabild. Der Unterschied: Die WX1 deckt dabei horizontal einen Blickwinkel von 256 Grad ab, die TX1 185 Grad – also in etwa einen Halbkreis um den Fotografen.
HD-Videos nehmen beide Kompaktknipsen auf, die verbauten Objektive unterscheiden sich leicht: Die TX1 hat einen stärkeren Telebereich (35 – 140 mm Brennweite äquivalent zu Kleinbild), die WX1 mehr Weitwinkel (24 bis 120 mm). 380 Euro empfiehlt Sony als Verkaufspreis für die TX1, 350 Euro für die WX1.
Neue Fuji-Chips: S200EXR und F200EXR
Auch Fuji bewirbt eine neue Bildsensortechnik. Der Super-CCD-EXR-Sensor soll “extrem rauscharme” Bilder erzeugen, verspricht Fuji. Die neuen Bridgekamera S200fs ist der Nachfolger der für ihre überdurchschnittliche Bildqualität gelobten Superzoom-Kamera S100fs. Leider ist der Sensor des Nachfolgers kleiner. Die neue Bridgekamera hat ebenfalls ein 14-faches Zoomobjektiv, rückt aber aus dem Weitwinkelbereich heraus (Brennweite: 30,5 bis 436 mm kb-äquivalent, die S00fs begann bei 28 mm).
Die S200EXR bietet ein Objektiv mit 14,3-fach-Zoom (30,5-436 mm) und 12-Megapixel-Auflösung. Interessant: Die S200EXR wird auch im Rohdatenformat RAW aufnehmen – womöglich können dank des neuen Bildsensors Bilder in besserer Qualität aus den Rohdaten errechnet werden. Die Kamera soll laut Fujifilm 500 Euro kosten. Die Kompaktknipse F70EXR arbeitet mit demselben EXR-Bildsensor, hat einen kleineren Brennweitenbereich (27 bis 270 mm kb-äquivalent) und unterstützt nicht das RAW-Format. Sie soll für 280 Euro verkauft werden.
Wie gut die RAW-Aufnahmen des neuen Fuji-Sensors werden, müssen Tests zeigen. Der Chip wurde schon in der vom Frühjahr an erhältlichen Kompaktkamera F200EXR verbaut, die in Test ordentlich, aber nicht atemberaubend gute Bildqualität lieferte. Das Fachmagazin “Colorfoto” lobte Farbwiedergabe, Dynamik und Rauschverhalten, wobei die Aufnahmefunktion für “minimales Rauschen” keineswegs das Rauschen reduzierte, sondern eine “sichtbar bessere Textur” lieferte. Sprich: Die Rauschunterdrückung musste nicht ganz so brutal weichzeichnen.
Gimmicks: Lächelnde Kameras und integrierte Projektoren
Abgesehen von Sensoren und Festbrennweiten gibt es auch eine Menge Kompaktkameras mit mehr oder minder sinnvollen Gimmicks: Nikons Kompaktknipse Coolpix S1000pj ist die erste Kamera mit integriertem Projektor. 155 Gramm soll die Kamera wiegen und 429 Euro kosten. Das projizierte Bild soll je nach Umgebungshelligkeit 13 bis 100 Zentimeter Bildschirmdiagonale haben.
Fuji verspricht eine 3D-Kompaktknipse: Die FinePix Real 3D W1 hat zwei Objektive, die zwei Bildsensoren belichten. Die Kamera errechnet die gleichzeitig entstandenen Aufnahmen zu einem Foto. Was der Effekt taugt, müssen Tests zeigen – 500 Euro soll die 260 Gramm schwere Kamera kosten.
Das Konzept von Samsungs Kompaktknipse ST550 klingt kurios: Ein zweites Display auf der Kamera-Vorderseite soll bei Selbstporträts helfen, ein “Kinder-Modus” soll laut Samsung ein “ein Lächeln auf jeden Kindermund” zaubern. Und zwar so: “Es erscheint auf dem Vorderseiten-Display eine lustige Animation, deutlich sichtbar für das porträtierte Kind. Dessen Aufmerksamkeit wird gefesselt, gute Laune ist garantiert, und der Schnappschuss gelingt garantiert.” 350 Euro soll die Grinse-Kamera kosten.