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Image-Pflege: Datenkrake Google fordert globalen Datenschutz-Standard (Spiegel Online, 14.9.2007)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
4 minuten gelesen

Image-Pflege

Datenkrake Google fordert globalen Datenschutz-Standard

Google kündigt eine weltweite Kampagne für den Schutz der Privatsphäre an. Der Web-Riese will wieder als Saubermann gelten. Seit Monaten kritisieren EU-Behören, Datenschutz-Beauftragte und Bürgerrechts-Organisationen den Datenhunger des US-Konzerns.

Spiegel Online, 14.9.2007

Microsoft leistet beim Datenschutz mehr als Google – zu diesem Urteil kommt die britische Bürgerrechtsorganisation Privacy International in ihrem aktuellen Datenschutz-Bericht. Von 23 untersuchten Unternehmen belegt Google den letzten Platz. Eine Katastrophe für das Unternehmen, das als Firmenmotto den Satz "Don’t be evil!" (Seid nicht böse) kultiviert hat und lange Zeit vom Saubermann-Image profitierte. Die Stimmung kippt. Jetzt reagiert Google mit einer PR-Offensive.

Bei einer Unesco-Konferenz zur "Internet-Ethik" in Straßburg spricht heute Googles oberster Datenschützer Peter Fleischer bei einer Diskussionsrunde mit EU-Vertretern und Bürgerrechtlern. Laut einem Vorab-Bericht der britischen "Financial Times" will Fleischer dort für einheitliche internationale Normen zum Datenschutz plädieren. Google schlägt als Grundlage für eine internationale Vereinbarung die vom Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsforum (Apec) 2004 beschlossenen Datenschutz-Richtlinien vor.
Google-Boss Eric Schmidt soll in den nächsten Wochen die Datenschutz-Kampagne vorantreiben. Die Kritiker des Konzerns sprechen von einem sichtbaren Wandel bei Google. Simon Davies, Geschäftsführer von Privacy International sagte der Financial Times, offenbar hätte das obere Management bei Google verstanden, dass Datenschutz-Fragen den Wert der Firma beeinflussen könnten. Allerdings schränkt Davies ein, dass die angekündigte Initiative zwar "symbolisch bedeutsam" sei, aber jetzt noch niemand sagen könne, ob "sie darüber hinausgehende Bedeutung" hat.

Ob die PR-Kampagne Googles ramponiertes Image verbessern wird, ist völlig offen. Ebenso fraglich bleibt, ob der Konzern nun auch seine Datenschutz-Politik ändern wird.

Hier Googles Datenschutz-Probleme im Überblick

Spanner-Atlas Street View

Ende Mai schaltete Google ein neues Angebot für die Nutzer seiner Landkarten-Suchmaschine "Google Maps" frei: dreidimensionale Ansichten von Straßenzügen in US-Städten. Mit auf Autos montierten Rundum-Kameras hat der Konzern Straßen in neun US-Metropolen abgefilmt. Bei der Foto-Aktion wurden auch Passanten – allesamt ahnungslos – in manchmal unvorteilhaften Situationen fotografiert: Männer, die gerade aus dem Pornokino kommen, Fußgänger, die sich in der Nase bohren, halbnackte Sonnenanbeter.

Diese Aufnahmen halten Datenschützer für bedenklich. Kanadas oberste Datenschutzbeauftragte Jennifer Stoddart ließ vorgestern von ihrem Pressesprecher erklären, dass "Street View" in der bisherigen Form wahrscheinlich gegen kanadische Gesetze verstößt. Es genüge nicht, dass Betroffene im Nachhinein eine Löschung der Bilder beantragen können. Stoddarts Sprecher Colin McKay erklärte gegenüber dem Nachrichtenportal MSNBC: "Aus unserer Sicht ist das Gesetz schon gebrochen, wenn sich jemand auf einem dieser öffentlich Fotos entdeckt und seine Rechte verletzt sieht."

Die Datenschützer rechnen damit, dass Google sein Angebot auf Kanada ausdehnen könnte. Hintergrund: Google nutzt für die US-Variante von Street Maps Bildmaterial des kanadischen Unternehmens "Immersive Media". Die Firma hat bereits kanadische Metropolen abfotografiert. Deshalb drängt die Datenschutzbeauftragte mit einer Anfrage Google vorab zu einer Klärung der datenschutzrechtlichen Bedenken.

Langzeit-Speicherung von Suchanfragen 

31 Jahre lang wollte Google sogenannte Cookies auf den Computern seiner Kunden speichern. Die kleinen Dateien dienen zum Wiedererkennen eines Nutzers – enthalten eine eindeutige Identifikationsnummer und Details zu Benutzereinstellungen, Erstellungs- und Ablaufdaten. Erst im Juli ruderte der Konzern zurück, verkürzte die Lebenszeit der Dateien drastisch auf nur noch zwei Jahre. Wobei diese Frist nur gilt, wenn man sich zwei Jahre lang nicht beim entsprechenden Google-Dienst einloggt. Denn die Dateien werden bei jedem Google-Aufruf erneuert.

Nach wie vor speichert Google bei jeder Suchanfrage auf seinen Servern die IP-Adresse des Computers, von dem die Anfrage kommt. Auch aus diesen Daten kann man Rückschlüsse auf die Interessen eines Nutzers ziehen: Nach was sucht er, welche Ergebnisse klickt er an, wann nutzt er die Suchmaschine und wie oft? Googles eigener Dienst "Web History" veranschaulicht jedermann die so geschaffene Informationsfülle: Hier protokolliert Google für jeden registrierten Nutzer, wann er welche Straßen auf Googles Landkarten gesucht, welche Nachrichten er im Google Reader markiert und welche Webseiten er von Google aus angesteuert hat.

Mittels der Server-Aufzeichnungen hat Google einen vergleichbaren Datenbestand auch für nicht-registrierte Nutzer. Bis April dieses Jahres speicherte Google die entsprechenden Daten unbefristet. Seitdem anonymisiert Google die Logs nach 18 bis 24 Monaten.

Langzeit-Speicherung von Suchanfragen

Im April hatte Google den Online-Anzeigenriesen DoubleClick gekauft. Nun untersuchen die EU-Kommission und die US-Wettbewerbsbehörde FTC die Übernahme. In den Vereingten Staaten hatten die drei Bürgerrechts-Organisationen EPIC, CDD und US PIRG bei der Wettbewerbsbehörde eine Beschwerde gegen die Übernahme eingereicht: Sie argumentieren in ihrer Begründung, dass der Google-Konzern nach dem Kauf dank der DoubleClick-Daten mehr Detailwissen über die Internetnutzung von Verbrauchern besitzen wird als jedes andere Unternehmen weltweit.

Verknüpfung der vielen Google-Dienste

Die britische Bürgerrechtsorganisation Privacy International weist in ihrem aktuellen Datenschutz-Bericht (Google belegt den letzten Rang von 23 untersuchten Firmen) auf ein besonderes Problem des Web-Konzerns hin: Abgesehen von den Suchanfragen bietet Google zahlreiche andere, kostenlose Dienste.

Hier aber bleiben die Nutzer laut Privacy International oft im Unklaren darüber, welche Informationen über ihn gesammelt werden. Im Datenschutzbericht der Organisation heißt es: "Google gibt den Nutzern keinen Zugang zu einem Überblick über die Informationen, die aus ihren Interaktionen mit Google Maps, Google Video, Google Talk, Google Reader, Blogger und anderen Diensten entstehen."

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Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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