Internet-Auktionen: Drei, zwei, eins, keins (Spiegel Online, 2.7.2007)
Internet-Auktionen
Drei, zwei, eins, keins
Bei eBay knirscht es. Kritik von Kunden, Konkurrenz und Verkäufern macht der Auktions-Plattform Probleme – wer wegen hoher Gebühren die Lust am Onlinehandel verliert, wird da schon mal besonders hofiert.
Spiegel Online, 2.7.2007
Zu lange Wartezeiten, mangelhafte Ware, auch Betrug: Drei Viertel der Deutschen haben nicht nur positive Erfahrungen bei Onlinegeschäften mit Privatleuten gemacht. So lautet das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK unter rund 1000 zufällig ausgewählten Online-Nutzern über 14 Jahren. In Auftrag gegeben wurde die Umfrage von markt.de, einem Kleinanzeigenportal mehrerer Tageszeitungsverlage – das in Konkurrenz zur Auktionsplattform eBay steht.
Die Ergebnisse beziehen sich zwar auf den Online-Handel zwischen Privatleuten allgemein, doch das Ziel der Kritik ist klar: Marktführer für solche Geschäfte ist in Deutschland eBay. Das bescheinigt sich der Konzern selbst – einer Auftragsstudie von TNS Infratest zufolge hat die Plattform 54 Prozent Reichweite in Deutschland, ist die bekannteste Möglichkeit für den Gebrauchtwarenverkauf unter Privatleuten. Eine dominierende Macht, die die Konkurrenz von markt.de jetzt ins Visier genommen hat.
Die Fragen in der GfK-Umfrage waren entsprechend kritisch formuliert. Die Befragten sollten sagen, ob sie beim privaten Onlinehandel ausschließlich positive Erfahrungen gemacht hätten oder auch negative. Ersteres sagten 21,5 Prozent – Letzteres 78,5 Prozent, also gut drei Viertel.
Was Online-Käufer stört: Betrug, Wartezeiten, Mängel
Abgesehen vom Konkurrenzkampf zwischen eBay und seinen Rivalen, der im Hintergrund der Umfragen steht – die Zahlen sind trotzdem nicht uninteressant. Denn die Befragten machten auch eine interessante Rangliste ihrer Kritikpunkte auf:
- 45,5 Prozent mussten zu lange auf die Lieferung warten.
- 31,7 Prozent bekamen keine Ware – trotz Bezahlung.
- 29,1 Prozent haben fehlerhafte Ware erhalten.
- 29,0 Prozent waren enttäuscht, weil die Beschreibung nicht dem Produkt entsprach.
- 24,9 Prozent ärgern sich über zu viele professionelle Verkäufer.
- 23,0 Prozent nennen die Einstellgebühren für Verkäufer zu hoch.
Diese Antworten entsprechen im wesentlichen den Kritikpunkten, die schon SPIEGEL-ONLINE-Leser gegen eBay vorgebracht haben. Neu ist letzterer Punkt, dem zufolge scheinbar auch Verkäufer unzufrieden sind.
Die Kritik an den Einstellkosten trifft besonders eBay. Diese Gebühren fallen auf der Auktionsplattform immer an, auch wenn sich kein Käufer für ein Produkt findet. Ein ehemaliger Power-Seller (professioneller Verkäufer mit hohen Umsätzen), der auf eBay lange Zeit mit Computerteilen gehandelt hat, sagt SPIEGEL ONLINE: "Ich hatte Monate, in denen ich fast so hohe eBay-Kosten hatte wie eBay-Umsatz."
Händler kritisieren hohe Einstellgebühren
Der Verkäufer, der seinen Namen nicht veröffentlicht sehen will, hat dieselben Artikel bei eBay in Italien und Belgien angeboten – und große Unterschiede festgestellt. In Deutschland fielen "bis zu 24 Euro bei einem Artikel mit 10 Angeboten an, in Italien nur etwa 12, in Belgien weniger als 7 Euro".
Das rentiert sich nicht, wenn man Artikel anbietet, an denen nur wenige Spezialisten interessiert sind – und von denen man wie der Computerteile-Händler nur 20 bis 30 Prozent verkauft. Seine Folgerung: "Ich habe wie viele Händler mein Angebot ausgedünnt. Ich stelle nur noch ein paar Sachen ein, bei denen ich eine Gewinnmarge habe."
Es gibt noch mehr Hinweise darauf, dass eBay-Verkäufer unzufrieden sind. Die "International Herald Tribune" zitiert aus einem Analysten-Bericht der Citigroup, die Zahl der Angebote bei eBay Deutschland sei in der ersten Junihälfte im Jahresvergleich um 16,5 Prozent gesunken. Ähnliches in den USA: Das Wirtschaftmagazin "Red Herring" zitiert eine Studie des Analysten Aaron Kessler, der zufolge es im ersten Quartal dieses Jahres drei Prozent weniger eBay-Angebote gab als im Vorjahr. "Einige Verkäufer denken, dass eBay Innovationen zu langsam vorantreibt", sagte Kessler laut "Red Herring".
Im Detail will eBay-Sprecher Nerses Chopurian diese Zahlen gegenüber SPIEGEL ONLINE nicht kommentieren. Allgemein gilt laut Chopurian für eBay in Deutschland: "Wir verzeichnen nach wie vor kontinuierliches Mitgliederwachstum und ein stetig wachsendes Angebot an Produkten." Er verweist darauf, dass eBay Marktführer in Deutschland ist: "Mit mehr als 20 Millionen Menschen in Deutschland sind hierzulande über die Hälfte der Internetnutzer Mitglied bei eBay." Außerdem sei eBay die am meisten besuchte eCommerce-Seite in Deutschland. Chopurian: "Das bestätigt einmal mehr die aktuelle Nielsen Reichweitenanalyse, bei der wir seit Monaten konstant über 50 Prozent liegen."
Wenn aber das Angebot tatsächlich schrumpft wie von den unabhängigen Analysten beschrieben, könnte eBay Kunden verlieren: Denn je weniger Angebote eBay hat, desto weniger attraktiv ist der Marktplatz für Käufer – und desto interessanter werden Online-Shops, die mit einem größeren Angebot und mehr Sicherheit locken. Und je weniger Käufer sich bei eBay tummeln, desto weniger reizvoll ist die Plattform wiederum für Verkäufer. Ein Kreislauf, der sich selbst beschleunigt.
eBay reagiert mit Gutschriften für Verkäufer
Inzwischen scheint eBay auf die Gefahr zu reagieren. Der frühere Computerteile-Powerseller sagt SPIEGEL ONLINE, eBay-Mitarbeiter hätten ihn mehrmals angerufen. Anfang Juni habe sich einer erkundigt, warum er nur noch so wenige Artikel bei eBay einstelle. Antwort: Wegen der Gebühren. Zehn Tage später habe eBay eine Gutschrift von 60 Euro angeboten – am Schluss habe man sich auf 90 Euro geeinigt. Fazit des Händlers: "Das Ganze hört sich für mich nach schlimmer eBay-Panik an."
EBay bestätigt die Angebote nicht direkt. Sprecher Alexander Witt sagt SPIEGEL ONLINE, eBay führe in "regelmäßigen Abständen Sonderaktionen" für Mitglieder durch.
Die Aktionen reichen ihm zufolge "von einmaligen Vergünstigungen beim Handel auf dem weltweiten Online-Marktplatz bis hin zum Angebot, an eBay-spezifischen Schulungsveranstaltungen teilzunehmen". Man richte sich dabei sowohl an "private als auch an gewerbliche Verkäufer".
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