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Internet-Sprache: Download mal das Proggi zum Foten, das funzt! (Spiegel Online, 28.6.2007)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
3 minuten gelesen

Internet-Sprache

Download mal das Proggi zum Foten, das funzt!

Upspeeden, google earthen, wongen: Das ist für Sie nur Kauderwelsch? Dabei sind das nicht mal die schlimmsten Web-Vokabeln. SPIEGEL-ONLINE-Leser haben die nervigsten Sprachmonster aus der Internet-Welt gewählt – und neue bizarre Wörter eingeschickt.

Spiegel Online, 28.6.2007

Flickr, Joinr, Tumblr – es gibt zwei einfache Regeln für die Namen von Web-2.0-Diensten: Rechtschreibung ignorieren und möglichst viele Vokale weglassen. Die eigenwillige Sprachgestaltung hat Tradition im Netz. Da schreiben Menschen schon mal Sätze wie "Das Hijacking-Problem könnte man mit dem header-redirect 301 leicht vermeiden." Diese Sprache nervt Web-Nutzer. Das hat eine Umfrage in Großbritannien ergeben (mehr…). Das meistgehasste Web-Wort in Großbritannien: Folksonomy – ein Ausdruck für die gemeinschaftliche Verschlagwortung von Webinhalten.

Aber auch in Deutschland sind einige besonders widerwärtige Wortungetüme entstanden. SPIEGEL-ONLINE-Leser haben abgestimmt (siehe unten) und drastische Negativ-Beispiele eingeschickt – aber sehen Sie selbst:

SPIEGEL-ONLINE-Leser haben gewählt. Das sind für sie die fünf grässlichsten Web-Wörter:

  • Web 2.0. Den Ausdruck hat der IT-Buchverlag von Tim O’Reilly 2003 populär gemacht. Eine Reihe von Konferenzen wurde so benannt. Meinte damals eine neue Reihe von Web-Gemeinschaften, im Netz abgebildeten sozialen Netzwerken, Bewertungs-Portalen und Web-Portalen, die lediglich die Software zum Verwalten von Nutzerbeiträgen anbieten – von Flickr bis Wikipedia.
  • Voipen. Meint das Telefonieren über das Internet, Abkürzung für "Voice-over-IP", wobei IP für "Internet Protocol" steht.
  • Blogosphäre. Übersetzung von Blogosphere. Meint die Gesamtheit aller Weblogs.
  • Netiquette. Benimmregeln für den Umgang miteinander im Netz. Es gibt keine einheitliche Liste, sondern viele, zum Teil schriftliche Vorschläge – und den gesunden Menschenverstand.
  • Triple-Play. Ein älterer Werbe-Ausdruck aus der Telekommunikationsbranche. Gemeint sind Firmen, die ihren Kunden aus einer Hand Fernsehen, einen Telefon- und Internetanschluss bieten.

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Die von den SPIEGEL-ONLINE-Lesern meistgenannten Stör-Wörter aus dem Internet:

Downloaden. Denglischer Ausdruck für das Übertragen von Daten aus dem Netz auf die eigene Festplatte. Den Ausdruck hat, wie viele Leser bemerken, Microsoft benutzt. Den Ausdruck "downloaden" findet Google heute noch immerhin 45 Mal auf der deutschen Microsoft-Seite. Schlimmer als Downloaden ist: gedownloadet – laut Google immerhin 164.000 Mal im deutschsprachigen Netz zu finden. "Gedownloadet und installiert" ist auch ein offizieller Ausdruck des "Windows XP Update".

Googeln: "Mit Google im Internet suchen", definiert der Duden, in dem dieser Ausdruck für das Recherchieren im Web inzwischen auch zu finden ist. "Google Earthen" kann man beim Googlen schon 384 Mal finden!
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Gedankenlose Verniedlichungen, die man am liebsten nie mehr lesen oder hören will:

  • Funzen. Für funktionieren.
  • Foten. Abkürzung für Fotografieren. Nicht zu verwechseln mit Voten – einem Netz-Ersatz fürs Abstimmen.
  • Proggi. Meint das Computerprogramm oder Software. Besonders gern in Verbindung mit Downloaden benutzt: Ich downloade mal das Proggi zum Foten, mein aktuelles funzt nicht.

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Jeder anständige Web-2.0-Dienst hat nicht nur einen vokalarmen Namen, sondern auch ein entsprechendes Verb. Zum Beispiel:

  • Yiggen. Bezeichnet das Empfehlen von Links zu Nachrichten und Artikeln auf dem Web-Portal Yigg.
  • Wongen. Das Speichern und Empfehlen von Web-Adresse mit dem Dienst Mr. Wong.
  • Qypen. Sammelbegriff fürs Rezensieren und Bewerten von der Mitmach-Ratgeberseite Qype.
  • Wikifizieren. Das Überarbeiten eines Artikel für die Mitmach-Enzyklopädie Wikipedia gemäß den internen Vorgaben zu Inhalt und Format.

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In der deutschen Sprache haben sie eigentlich nichts verloren – im Internet-Deutsch sind sie trotzdem Alltag. Und stören:

  • Pollen. Das Abstimmen. Äquivalent zu voten.
  • Hijacken. Gemeint ist das Kapern einer Internet-Seite. Ergibt im Partizip Perfekt ein besonders holpriges Wort mit uncharmantem Schriftbild: gehijackt.
  • Posten. Das Veröffentlichen von Beiträgen oder Kommentaren in Web-Foren. Die deutsche Übersetzung "einstellen" klingt allerdings nicht viel besser.
  • Geupspeedet. Selten benutzt, aber wunderbar widerwärtig. Gemeint ist "beschleunigt".

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Derart verunglückte Web-Wörter sind für manche SPIEGEL-ONLINE-Leser ein netter Zeitvertreib. Ein Spiel mit der semantischen Müllhalde scheint besonders beliebt zu sein: Bullshit-Bingo. Das geht so: Vor einer Besprechung oder Konferenz erhält jeder Teilnehmer eine Karte mit 25 (5 mal 5) Schlagwörtern. Fällt einer der Ausdrücke, wird er angekreuzt. Wer als erster eine komplette Fünferreihe mit Kreuzchen gefüllt hat, gewinnt. Und muss dann aufstehen und "Bullshit!" rufen.

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Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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