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iPad 2 im Geschwindigkeitstest: Tschüss, Sofa! (Spiegel Online, 14.3.2011)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
4 minuten gelesen

iPad 2 im Geschwindigkeitstest

Tschüss, Sofa!

Schneller, dünner und genauso teuer: Das iPad2 baut Websites fixer auf als der Vorgänger, viele Anwendungen laufen flüssiger. Aber noch fehlt ein umwerfendes 3-D-Spiel, das die Grafikleistung des neuen Apple-Tablets wirklich ausreizt.

Spiegel Online, 14.3.2011

{jumi [*3]}

Ja, es liegt viel angenehmer in der Hand. Das fällt am iPad2 als erstes auf und das macht nach einem halben Tag Lesen, Spielen und Fotografieren auch den größten Eindruck: Das iPad-Nachfolgemodell ist schon etwas mobiler als der Vorgänger, der bei vielen Nutzern wohl die meiste Zeit als Sofa-Computer im Einsatz ist.

An den Rändern ist die Rückseite des iPad2 abgerundet, sie wird zur Mitte hin dicker, insgesamt ist das neue Apple-Tablet um ein gutes Drittel dünner als das vorherige Modell. Dass es leichter ist (80 Gramm, weniger als eine Tafel-Schokolade), fällt unterwegs nicht so sehr auf. Dass es abgenommen hat, hingegen sehr. Zudem trägt die neue Schutzhülle kaum auf. Statt das ganze Tablet zu umhüllen, legt man beim iPad2 nur eine Hülle auf den Bildschirm, Magneten bringen den dünnen Schmutzschutz sofort in Position und halten ihn fest. So ein schmales Lesebrettchen packt man morgens lieber in die Tasche als das alte Pummelchen.

Die Schlankheitskur ist technisch beachtlich, weil im iPad2 ein neuer, laut Apple bis zu doppelt so schneller Prozessor rechnet, der Akku aber weiterhin zehn Stunden halten soll. Das alles in einem kleineren Gehäuse unterzubringen, ist ein Meisterstück der Ingenieure.

Schneller Prozessor hilft Murdoch träger iPad-Zeitung

Beim direkten Vergleich mit dem alten iPad macht sich der schnelleren Prozessor bei einigen Anwendungen bemerkbar. Ruft man zum Beispiel ein zehn Seiten umfassendes PDF-Dokument auf, zeigt das iPad2 es etwas schneller an, zoomt und scrollt ohne Verzögerung. Beim Blättern in demselben Dokument ruckelt die Anzeige beim Alt-iPad immer wieder.

Spürbar ist der Tempozuwachs auch bei Rupert Murdochs iPad-Tageszeitung ” The Daily“: Auf dem alten iPad lädt die Anwendung spürbar langsamer, man muss länger warten, bis Videos starten und auch das aufwendig animierte Artikel-Karussell läuft auf dem iPad2 im Gegensatz zum Vorgängermodell flüssig.

Denselben Eindruck hatten wir auch bei anderen Anwendungen: Ruft man die iPad-Ausgabe der “Financial Times” auf, ist die Titelseite beim iPad2 schneller aufgebaut, ebenso die Karte mit den aktuellen Börsenkursen. Spielt man in der iPad-Anwendung des SPIEGEL ein Video ab und blättert danach weiter, kommt es beim Alt-iPad manchmal für einen kurzen Moment zu einer Überlagerung. Diese minimale Verzögerung beim Seitenaufbau tritt beim iPad2 nicht auf.

Spiele reizen die Geschwindigkeit des iPad2 noch nicht aus

Aus solchen Details setzt sich der Gesamteindruck zusammen: Das iPad2 reagiert bei vielen Anwendungen schneller: Tippt man eine Schaltfläche an, passiert sofort etwas, man muss seltener warten. Allerdings stößt das iPad2 auch an Grenzen: In der PDF-Ausgabe der “Technology Review” mit 98 Seiten und einigen Fotos und Grafiken kann man auch mit dem neuen iPad nicht ohne Ruckeln blättern.

Bei Spielen haben wir die angeblich so überragende Rechen- und Grafikleistung des iPad2 nicht erlebt. Wir haben das Spiel “Rage HD” auf dem neuen und dem alten iPad angespielt. Doch obwohl der Hersteller eine verbesserte Grafik speziell fürs iPad2 verspricht, wirkte das Spiel auf beiden Modellen gleich gut – es lief auf dem iPad2 unserem Eindruck nach nicht wesentlich schneller und sah auch nicht augenfällig besser aus. Die Tester beim Spieleblog Toucharcade haben mehrere Titel mit Zusatzmaterial fürs iPad2 verglichen und sind bei Titel wie “Infinity Blade” beeindruckt von der verbesserten Grafik.

Aber es ist wohl zu früh, von den heute verfügbaren Anwendungen auf die Möglichkeiten des iPad2 zu schließen – die Entwickler werden wohl erst noch mit der neuen Technik experimentieren. Erst wenn es 3-D-Spiele gibt, die ausschließlich für das iPad2 entwickelt worden sind und die Grafikleistung ausreizen, kann man beurteilen, was damit möglich ist.

Dass das iPad2 nicht nur theoretisch wesentlich schneller arbeiten kann als das Alt-iPad, belegen Benchmarks. Wir haben mit dem Programm “Geekbench 2” beide Geräten getestet. Ergebnis (je höher, desto schneller):

  • iPad 2 (mit iOS 4.3): 752
  • iPad (mit iOS 4.3): 434
  • iPhone 3GS (mit iOS 4.3): 278

Diese Werte zeigen, dass die Kombination aus neuem Prozessor und doppelt so viel Arbeitsspeicher (512 Megabyte statt 256 beim Vorgänger) beim iPad2 erheblich mehr Rechenreserven bietet.

iPad2 zeigt Websites fixer an als der Vorgänger

Das merkt man auch beim Aufrufen von Web-Seiten: Die Startseiten von Web-Angeboten wie SPIEGEL ONLINE oder der “New York Times” baut das iPad2 erheblich schneller auf als der Vorgänger. Der Gesamteindruck: Alles läuft fixer, der Browser reagiert gleich auf Gesten und angetippte Links. Das liegt auch an der neuen Javascript-Engine im neuen Betriebssystem iOS 4.3. Mit dieser neuen Version baut auch ein altes iPad Websites schneller auf als mit der vorigen iOS-Version.

Aber dank der neuen Hardware surft das iPad2 schneller durchs Netz als ein altes Modell mit demselben Betriebssystem. Hier unsere Testergebnisse beim Aufrufen der Javascript-Benchmarkseite Sunspider (kleinere Zahlen bedeuten hier höhere Leistung, da die benötigte Zeit gemessen wird):

  • iPad 2 (mit iOS 4.3): 2189 ms
  • iPad (mit iOS 4.3): 3365 ms
  • iPhone 3GS (mit iOS 4.3): 5481 ms

Zum Vergleich: Die Kollegen des US-Technik-Blogs Engadget haben denselben Test mit einem Motorola Xoom gemacht. Ergebnis: 2141 ms braucht das Android-Tablet für einen Sunspider-Durchlauf und ist damit einen Hauch schneller als das iPad2.

Die Kameras liefern miese Fotos

Die im Gehäuse des iPad2 verbauten Kameras (eine vorne, eine hinten) kann man getrost ignorieren. Mit ihnen gelingen allenfalls matschige Aufnahmen mit flauen Farben und Bildrauschen. Schuld daran sind die nur Stecknadel-großen Objektive und winzige Sensoren. Das taugt nur für die Apple-Version der Videotelefonie (Facetime). Es ist ganz nett, seine Gesprächspartner zu sehen – allerdings wirken die Bewegtbilder wie die der ISDN-Videotelefonie aus dem vorigen Jahrtausend. Man erkennt, mit wem man spricht – mehr nicht.

Als Kamera kann man das iPad2 wohl nur bei strahlendem Sonnenschein benutzen. Wenn man denn will: Es sieht lächerlich aus, wenn man mit einem Tablet vorm Gesicht durch die Gegend läuft und fotografiert oder filmt. Außerdem ist die Qualität dieser Aufnahmen nur erträglich, wenn man sie mit einem der von Apple im Programm Photobooth installierten Farbfilter verfremdet: Erst wenn man einen Röntgen-Effekt oder einen Wärmebild-Filter über ein iPad2-Foto bügelt, sieht es interessant aus.

Fazit: Das bisher beste Tablet

Für die Kameras lohnt sich der Kauf eines iPad2 nicht. Wer sein Alt-iPad mag, dem wird auch das iPad2 gefallen, mehr sogar als der Vorgänger. Aber ein Umstieg lohnt nicht, solange es keine bahnbrechenden Anwendungen gibt, die man unbedingt haben will und die nur mit dem fixen Prozessor des iPad2 zusammenarbeiten. Es könnte gut sein, dass Spiele – wie einst auf dem PC-Markt – zum wichtigsten Grund für den Kauf einer neuen Prozessorgeneration werden. Nur das man beim iPad auch das ganze Drumherum um den neuen Prozessor dazukaufen muss.

Wer schon seit einem Jahr darüber nachdenkt, ob so ein Tablet nicht vielleicht doch etwas wäre, hat mit dem iPad2 das bisher überzeugendste Argument. So leicht, schnell und vielfältig bei der Softwareauswahl sind weder Samsungs Galaxy Tab noch dasMotorola Xoom.

Das Beste am iPad2 ist aber: Es fühlt sich wie ein guter Reisebegleiter an. Sein pummeliger Kollege kann ruhig weiter auf oder unter dem Sofa liegen.

{jumi [*5]}

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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