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iPhone-Entwicklerkit: Apple motzt iPhone für Manager auf (Spiegel Online, 7.3.2008)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
4 minuten gelesen

iPhone-Entwicklerkit

Apple motzt iPhone für Manager auf

Videospiele, Push-Mail und perfekter Abgleich mit Outlook – das iPhone soll bald alles leisten, was mobile Spiekonsolen und Blackberry-Telefone können. Apple will so vor allem bei Geschäftskunden Marktanteile gewinnen. Branchenkenner sind beeindruckt von den neuen Möglichkeiten.

Spiegel Online, 7.3.2008

Zehn Millionen iPhones will Apple-Boss Steve Jobs in diesem Jahr verkaufen. Ein mutiges Ziel, denn laut dem "Wall Street Journal" hat Apple in den ersten sechs Monaten iPhone-Hype nur vier Millionen Geräte verkauft. Wie Jobs das steigern will, erklärte er gestern in der Apple-Zentrale im kalifornischen Cupertino: Apple motzt im Sommer per Software-Update das iPhone zum Geschäftshandy auf – und zur mobilen Spielkonsole gleich auch noch.

Große Spieleentwickler wie Electronic Arts und Sega entwickeln iPhone-Titel. Die sollen die iPhone-Bedienung per Berührung und Bewegung für neue Spielansätze nutzen. Den Rest will Apple von unabhängigen Programmierern erledigen lassen: Sie sollen Nischen- und Mainstreamsoftware für das iPhone entwickeln, die Nutzer anlockt. Apple buhlt um die Bastler mit einem Entwicklerkit und der Möglichkeit, die iPhone-Software über den iTunes-Downloadshop zu verkaufen.

Blackberry-Fähigkeiten, Millionen für Programmierer, die iPhone-Spielkonsole – SPIEGEL ONLINE beschreibt, wie Apple den Mobilmarkt aufrollen will.

Viele Extras für Geschäftskunden

Apple verspricht für den Juni ein neues iPhone-Betriebssystem (2.0.). Wichtiges Detail: Push-Mail, die Eigenart der Blackberry-Smartphones, die Manager süchtig nach dem Gerät macht. Laut Apple soll das iPhone demnächst alle auf dem Server eintreffende E-Mails sofort abrufen – ohne merkliche Verzögerung.

Richtig interessant soll das iPhone für Firmenkunden durch die Anbindung an Microsoft-Exchange-Server werden. Apple hat dafür die Microsoft-Software ActiveSync lizenziert. Die Folge: Die Kalendereinträge, E-Mails und Kontakte auf dem Bürorechner (eine Exchange-Umgebung vorausgesetzt) und auf dem iPhone sind jederzeit auf demselben Stand. E-Mails, die man auf dem iPhone schreibt, kann man dann auch in Outlook am Arbeitsplatz nachlesen oder weitertippen.

Weitere Apple-Versprechen für Geschäftskunden:

Bessere Unterstützung für das iPhone als Teil virtueller privater Netzwerke (VPN), wie sie Firmen oft nutzen, um Mitarbeiter unterwegs einzubinden
Unterstützung für Sicherheitsanforderungen in Firmennetzen etwa bei Einwahl über gesicherte, interne W-Lan-Funknetze
Datenverschlüsselung und Fernwartung des iPhones
Mit diesen iPhone-Erweiterungen attackiert Apple den Blackberry-Hersteller RIM. Im vorigen Quartal verkaufte RIM in den Vereinigten Staaten noch doppelt so viele Smartphones wie die Nummer zwei Apple. In ersten Kommentaren schätzen Analysten gegenüber dem US-Branchendienst Infoworld die Apples Chancen, eine vollwertige Alternative zu RIM zu werden, als gut ein.

iPhone-Software für alle

Seit gestern können Programmierer die selben Werkzeuge wie Apple-Angestellte nutzen, um Software für das iPhone und den iPod Touch zu entwickeln. Den Entwickler-Werkzeugkasten (SDK, für Software Developer Kit) kann man kostenlos bei Apple herunterladen. Um Mitglied in Apple-Entwicklerclub zu werden, sind 99 Dollar für Einzelentwickler und 299 Dollar für Firmen fällig.

Entwickler können ihre Programme nur über Apples Download-Shop iTunes anbieten. Von Juni an soll es bei iTunes Software von Drittanbietern für das iPhone und den iPod Touch geben. Wenn die Entwickler Geld verlangen, behält Apple etwa 30 Prozent der Einnahmen. Apple prüft jede Anwendung vorab. Verboten sind Pornografie und übermäßig bandbreitenhungrige Anwendungen (Tauschbörsen-Clients womöglich?). Software für internetbasierte Sprachtelefonie (VoIP) soll auf dem iPhone nur bei einer W-Lan-Verbindung laufen – ein Gefallen an die Adresse von Apples Mobilfunkpartnern, die natürlich kein Interesse daran haben, dass man ihre kostenpflichtigen Angebote per Internet umgeht.

Die Öffnung für Software von unabhängigen Entwicklern dürfte alle iPhone-Besitzern auf mittlere Sicht eine große Vielfalt an Programmen bescheren – auch für Nischenanwendungen. Einen Vorgeschmack gaben bei der iPhone-Veranstaltung einige Software-Firmen:

AOL zeigte eine iPhone-Version des Chatprogramms AIM – mit einer Fingerbewegung springt man zwischen den Dialogfenstern hin und her.
Ein Programm für Ärzte zeigte Epocrates: Mit der iPhone-Anwendung der Firma lassen sich zum Beispiel Medikamenten-Informationen aus einer Datenbank abrufen.
Salesforce.com ermöglicht den Zugriff auf seine Websoftware zur Kundenkontaktpflege über das iPhone.
Millionen für Programmierer

Silicon-Valley-Geldgeber Kleiner Perkins, einer der ersten Finanziers von Netscape, Amazon und Google, legt einen iPhone-Fonds (den sogenannten " iFund") auf. Volumen: 100 Millionen Dollar. Das Geld kann in Unternehmen angelegt werden, die Software für das iPhone schreiben. Diese Summe dürfte die Entwicklungsarbeit fürs iPhone befeuern. Branchenblog Techcrunch sieht nach dieser Ankündigung das iPhone schon als "de-Facto-Plattform für mobile Web-Anwendungen".

Wie groß und wie gut das Angebot sein wird, können iPhone-Besitzer aber frühestens im Juni prüfen.

Spiele für Gadget-Fans

Neben den vielen Extras für Geschäftskunden scheint Apple Spiele als eine wichtige Ergänzung des iPhone-Angebots zu sehen. In Cupertino zeigten gestern bekannte Spielehäuser Entwicklung für das Apple-Handy. Zum Beispiel:

Sega präsentierte eine iPhone-Version des Spiels "Super Monkey Ball": Man rast auf Skiern eine Rampe hinab, steuert, indem man das iPhone dreht (es enthält standardmäßig einen internen Beschleunigungsmesser).
Electronic Arts kündigte eine iPhone-Version der Evolutionssimulation. "Spore" von "Sims"-Vater Will Wright für das iPhone an.
Apple führte die Eigenentwicklung "Touch Fighter" vor: Man fliegt hier ein Raumschiff durchs All und nutzt das iPhone als Steuerknüppel und Monitor zugleich.

Die vorgeführten Spiele hält der IT-Sachbuchautor Steven Berlin Johnson für die "bei weitem wichtigste Nachricht". Seine Einschätzung: "Die iPhone-Plattform hat das Potential, eine echte Konkurrenz für das Nintendo DS und die PSP zu werden." Die intuitive iPhone-Steuerung über Berührungen und Bewegungen mache das Gerät "zur Wii das Markts für Unterwegs-Spiele. Eine Plattform, die durch die Innovation der Steuerung alle Regeln ändert."

Das wäre ein völlig neuer Markt für Apple – Spieler hatten bislang am Mac noch nie viel Freude. Und wenn doch, dann nur mit Spielen, die vor Jahren auf dem PC liefen.

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Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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