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IT-Giganten: So führen Microsoft und Google ihren Lobbykrieg (Spiegel Online, 2.10.2011)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
4 minuten gelesen

IT-Giganten

So führen Microsoft und Google ihren Lobbykrieg

Es geht um Einfluss, Geld – und die Zukunft des Web: Microsoft und Google geben Millionen für Lobbyarbeit in den USA und Europa aus. Microsoft-Leute werfen Google vor, das Quasi-Monopol zu missbrauchen – und der Suchgigant wehrt sich mit einem kräftig aufgestockten Lobbyapparat.

Spiegel Online, 2.10.2011

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Hamburg – Der Wettbewerb der Internet-Riesen funktioniert bestens, beteuerte Googles Verwaltungsratschef Eric Schmidt vor dem Wettbewerbsausschuss des US-Senats: “Amazon, Apple, Facebook und Google – wir machen uns harte Konkurrenz, und wir begrüßen diesen Wettkampf.” Microsoft erwähnte Eric Schmidt in diesem Zusammenhang nicht, doch der Windows-Konzern fordert Google auf einem wichtigen Spielfeld heraus – dem der Politik.

Schmidts Anhörung am 21. September vor dem Senatsausschuss war Teil des Wettstreits, den Microsoft und Google derzeit vor allem in Washington und Brüssel ausfechten. Es geht um die alte Frage, ob die Politik den Digital-Giganten Google stärker regulieren soll. Microsoft argumentiert, Google würde sein Quasi-Monopol missbrauchen – deswegen müsse der Staat eingreifen, um den Wettbewerb zu garantieren.
Die Lobbyschlacht kostet: In den ersten neun Monaten dieses Jahres haben Google und Microsoft mehr Geld für Lobbyarbeit auf US-Bundesebene ausgegeben als andere IT-Riesen wie IBM, Intel, und Hewlett-Packard. Hier die Rangliste im Lobbyfeld Computer/Internet:

  1. Microsoft: 3,57 Millionen Dollar,
  2. Google: 3,54 Millionen Dollar,
  3. Hewlett-Packard: 3,1 Millionen Dollar,
  4. Oracle: 2,92 Millionen Dollar,
  5. Entertainment Software Association 2,22 Millionen Dollar,
  6. IBM: 2,14 Millionen Dollar,
  7. Intel: 1,99 Millionen Dollar.

Google baut die US-Lobbyarbeit aus

Diese Rangliste geht aus Daten hervor, welche die unabhängige US-Organisation Center for Responsive Politics veröffentlicht hat. Basis der Auswertung sind die verpflichtenden Angaben der Konzerne zu Lobbyausgaben gegenüber dem US-Senat.

Google hat sich in den vergangenen Jahren auf dieser Rangliste hochgearbeitet – im Jahr 2010 war der Konzern auf dem dritten, 2009 auf dem fünften, 2008 auf dem achten Platz der Lobbyliste. Microsoft war in jedem dieser Jahre der IT-Riese mit den höchsten Lobbyausgaben auf US-Bundesebene.

Für Google arbeiten in Washington laut Center for Responsive Politics 17 Lobbyfirmen (2010 waren es sechs) und 78 Lobbyisten, davon sind elf direkt bei Google angestellt. Damit ist der Online-Werberiese inzwischen fast gleichauf mit Microsoft: Für den Windows-Riesen arbeiten derzeit 23 Lobbyfirmen und 76 Lobbyisten in Washington, davon sind 16 direkt bei Microsoft angestellt. Informationen der “Huffington Post” zufolge unterstützt Google seit kurzem auch verstärkt konservative, den US-Republikanern nahestehende Organisationen wie die Heritage Foundation.

Für EU-Lobbyarbeit ist die Veröffentlichungspflicht nicht so streng wie in den Vereinigten Staaten. Dem EU-Transparenzregister zufolge hat Google für direkte Lobbyarbeit bei EU-Organen im Geschäftsjahr 2010 zwischen 450.000 und 500.000 Euro ausgegeben. Microsoft hat im Mitte 2010 endenden Geschäftsjahr 982.000 Euro für direkte Lobbyarbeit bei EU-Organen investiert.

Microsoft fördert Google-Gegner

Für die Lobbyausgaben in Deutschland fehlen solche Zahlen – Unternehmen sind nicht verpflichtet, sie offenzulegen. Ein Microsoft-Sprecher erklärt auf Anfrage: “In unserem Berliner Büro sind drei Personen mit Government Affairs beschäftigt. Angesichts der kleinen Personenzahl verbietet sich die Offenlegung der Gehaltssumme.” Ein Google-Sprecher verweist auf die Seite der US-Mutterfirma zu Lobbyausgaben – das Unternehmen veröffentlicht die Ausgaben nicht aufgeschlüsselt nach einzelnen Staaten.

Abgesehen von direkten Ausgaben für Lobbyarbeit investieren Microsoft und Google aber auch Geld bei Organisationen, die ihre Vorstellungen über die Zukunft des Web teilen und diese der Öffentlichkeit und Politik nahe bringen. In Europa ist zum Beispiel die Initiative für einen wettbewerbsfähigen Online-Markt (Icomp) aktiv, laut Selbstdarstellung eine “branchenübergreifende Initiative für Unternehmen und Organisationen, die sich mit Internethandel befassen”.

Zu den Mitgliedern gehört zum Beispiel das britische Preisvergleichsportal Foundem, das mit einer Beschwerde EU-Kartellermittlungen gegen Google angestoßen hat. Die Überschriften der zuletzt erschienen Artikel im deutschen Icomp-Blog verdeutlichen, in welche Richtung diese Initiative wirkt:

  • “Google Plus: Ein Minusgeschäft für die deutsche Wirtschaft”.
  • “Studie zeigt Risiken der Googlisation”.
  • “Microsoft schließt sich wachsendem Protest gegen die Dominanz von Google an”.

Die Initiative weist am unteren Ende jeder Seite auf ein wichtiges Detail hin: “Icomp finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge und wird durch Microsoft gefördert. Burson-Marsteller fungiert als Sekretariat der Initiative.” Burson-Marsteller ist eine internationale PR-Agentur, die auch schon für Facebook tätig war.

“Kann man Google vertrauen?”

In den Vereinigten Staaten engagiert sich eine Initiative namens Fairsearch für eine “gesunde Internetzukunft”, in der “Wirtschaftswachstum durch Wettbewerb, Transparenz und Innovation” getrieben wird – so die Selbstdarstellung. Gegründet wurde die Initiative von mehreren Unternehmen aus dem Reisesektor, die eine Übernahme des Flugdaten-Spezialisten Ita durch Google verhindern wollten.

Microsoft schloss sich der Initiative im Dezember an. In den vergangenen Monaten stellen die Veröffentlichungen von Fairsearch Googles Geschäftsgebahren grundsätzlich in Frage – es geht nicht um die Reise-Software. Einige Überschriften von Fairsearch-Veröffentlichungen: “Kann man Google vertrauen?”, “Wie Google Wettbewerb und Wahlfreiheit bedroht.”

Seit einiger Zeit ist auf der Website von Fairsearch als Ansprechpartner für die Presse Ben Hammer von der PR-Agentur Glover Park Group aufgeführt – das Unternehmen war in der Vergangenheit für Microsoft tätig. Ben Hammer erklärt auf Anfrage zur Struktur der Initiative, alle Mitglieder würden gemeinsam über das Vorgehen entscheiden, die Initiative habe kein eigenes Büro, die Recherchearbeit für die Stellungnahmen von Fairsearch würde bei den Mitgliedern geleistet. Hammer betont, Microsoft habe erst Einfluss auf die Entscheidungen der Initiative gehabt, nachdem der Konzern Mitglied wurde.

Google unterstützt in Deutschland die Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht (Igel) finanziell, wie Firmensprecher Kay Oberbeck bestätigt. Große Medienhäuser, darunter auch der SPIEGEL-Verlag, fordern ein sogenanntes Leistungsschutzrecht, damit künftig auch Textanrisse einen rechtlichen Schutz genießen – für deren Verwendung Geld gefordert werden kann.
Der Google-Sprecher erklärt die Unterstützung für die Initiative so: “Ein Leistungsschutzrecht behindert den freien Zugang zu Informationen und entbehrt sachlich, juristisch und wirtschaftlich jeglicher Grundlage.” Google habe daher nie “einen Hehl daraus gemacht”, dass man “die Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht finanziell unterstützt”. Man habe von Beginn an auf der Website der Initiative transparent seine Unterstützung durch das Unternehmenslogo dokumentiert.

Igel-Gründer Till Kreutzer beziffert den Anteil der Unterstützung durch Google am Gesamtbudget der Initiative auf Anfrage nicht, er erklärte: “Der finanzielle Beitrag von Google ist wichtig, weil wir hierdurch einen Teil der Kosten decken können.” Wie wichtig die Summe im Verhältnis zu den Leistungen der anderen etwa 40 Unterstützer sei, darunter auch die unentgeltlich arbeitende Redaktion, könne er nicht beantworten.

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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