Zum Inhalt springen

Jobs meets Gates: Plauderstündchen der Milliardäre (Spiegel Online, 31.5.2007)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
4 minuten gelesen

Jobs meets Gates

Plauderstündchen der Milliardäre

Es war ein geradezu historisches Treffen: Zum ersten Mal seit 24 Jahren diskutierten Apple-Chef Jobs und Microsoft-Chef Gates vor Zuschauern miteinander. Erwartet hatten viele ein Treffen alter Rivalen, doch die beiden Milliardäre schwelgten in Erinnerungen – nostalgisch wie Ruheständler.

Spiegel Online, 31.5.2007

Manchmal stimmen Klischees eben doch. Die zwei Milliardäre auf der Bühne sehen aus wie die überzeichneten Figuren des PC- und Mac-Nutzers aus der bekannten Apple-Werbekampagne: Apple-Boss Steve Jobs trägt lässig Jeans, Turnschuhe, einen schwarzen Rollkragenpullover. Microsoft-Chef Bill Gates hat sein weißes Hemd ordentlich in die Anzugshose gesteckt, seine schwarzen Lackschuhe glänzen wie die des PC-Nutzers in der Apple-Werbung. Zum ersten Mal seit 24 Jahren sprechen die beiden vor Publikum miteinander, gestern Abend auf der Konferenz "All things Digital" im kalifornischen Carlsbad.

Doch was die beiden Rivalen während ihres gut 90-minütigen Plauderstündchens sagen – im Web als Video für jedermann zu sehen (siehe oben, weitere Videos im Linkkasten) -, entspricht so gar nicht dem Klischee der Mac-Microsoft-Rivalität: keine Diskussionen über die vergangenen Jahre, keine Debatte über Marktanteile, Produkt-Design und Software-Fehler. Stattdessen: ein manchmal wehmütiges, hier und da neckisches, oft nostalgisches und sehr, sehr freundliches Schwelgen in Erinnerungen.

Nostalgischer Auftakt

Der Abend beginnt mit einem Video von 1983: Bill Gates stellt Software für den Mac vor, steht schlaksig da, im blauen Polo-Shirt und prophezeit: "1984 erwartet Microsoft, die Hälfte seines Umsatzes mit Macintosh-Software zu machen." Nach dieser Einstimmung kommen Jobs und Gates mit den beiden Moderatoren auf die Bühne und machen weiter, wo das Video aufgehört hat: Sie loben einander.

GATES UND JOBS, EINE GEMEINSAME GESCHICHTE

1975: Bill Gates und Paul Allen gründen Microsoft
1976: Steve Jobs und Steve Wozniak gründen Apple
1983: Jobs und Gates treten zusammen bei einer Apple-Veranstaltung auf
1984: Microsoft veröffentlicht das erste Word für denn Apple Macintosh
1985: Jobs verlässt Apple
1988: Apple klagt wegen Patentverletzung gegen Microsoft
Vorwurf: Die Windows-Oberfläche sei eine Kopie des MacOS
1997: Jobs übernimmt kommissarisch die Geschäftsführung bei Apple. Microsoft sagt zu, weiter Office für den Mac zu entwickelt, beide Unternehmen legen den Patentstreit bei
2000: Steve Ballmer löst Bill Gates als Microsoft-Geschäftsführer ab. Jobs wird offiziell Apple-Geschäftsführer

Auf die Frage nach dem größten Verdienst um die IT-Industrie sagt Jobs über Gates: "Bill hat die erste Software-Firma der Branche aufgebaut, bevor jemand ahnte, was eine Software-Firma ist. Das war groß." Wie Gates bei diesen Worten seitlich zu Jobs herüberlinst, sieht man im Video-Mitschnitt der Veranstalter. Später revanchiert sich Gates, schwärmt von Jobs "unglaublichem Geschmack" und seiner "Eleganz".

Einmal unterbricht Jobs Gates, der gerade erzählen will, wie Microsoft eine Variante der Programmier-Software Basic für den Mac produzierte. "Lass mich die Geschichte erzählen", fährt Jobs dazwischen. Aber es geht nur darum, dass er lebendiger erzählen will, wie sein Partner Steve Wozniak sich weigerte, ein Fließkomma-Basic zu programmieren. Kein Streit, nur Nostalgie. Gates wirft noch ein, wie er mit einer Kassette zu Apple nach Kalifornien flog, um das fertige Programm abzuliefern. 31.000 Dollar kassierte Microsoft dafür.

Apple braucht Microsoft

Nach einer halben Stunde sprechen die beiden dann doch ein wenig übers Geschäft. Jobs lobt die gute Zusammenarbeit mit Microsofts Apple-Software-Team – "eine der besten Beziehungen zu Entwicklern, die wir haben". Und eine der wichtigsten. Denn ohne eine Mac-Version von Microsofts marktbeherrschender Office-Software würde Apple ein für viele Anwender entscheidendes Detail fehlen: Kompatibilität.

Es geht dabei nicht nur um Datei-Formate. Es geht vor allem um die Erwartungen der Durchschnittsnutzer, der vielen Büroarbeiter, die sich während der seit Jahren währenden Office-Monokultur an Microsofts Software gewöhnt haben. Apple braucht Microsoft. Jobs kann also gar nicht anders, als die Zusammenarbeit mit Microsoft zu loben.

Beide glauben an den PC

Jobs und Gates glauben beide an eine Zukunft der leistungsfähigen Heimcomputer. So sicher scheint das nicht angesichts des Booms webbasierter Anwendungen: Inzwischen kann man im Internet-Browser mit Googles Office-Version Tabellen und Textdokumente bearbeiten, Software zur grundlegenden Fotobearbeitung ist inzwischen auch online verfügbar und Web-2.0-Dienste verlangen ohnehin keine auf dem Heimrechner installierte Software. Dass es all dies werbefinanziert im Internet gibt, kann schon Zweifel an Microsofts Geschäftsmodell wecken, Nutzer Programme alle Jahre wieder in Pappschachteln kaufen lassen.

Gates glaubt, dass es so weitergeht. Steve Jobs sagt: "Der PC bleibt." Aber der Apple-Chef ergänzt, dass inzwischen viele neue Geräte als Software-Plattform hinzukommen: "Die Google-Maps-Anwendung, die wir für das iPhone programmiert haben, ist weit besser als Google Maps. Warum? Weil die Anwendung lokal läuft."

Noch harmonischer, noch nostalgischer als der Anfang ist das Ende dieses gemeinsamen Auftritts nach einer Stunde. Bill Gates sagt, dass er viele Leute vermisse, die die Branche verlassen hätten. Und fügt hinzu: "Es ist schön, jemanden wie Steve dabei zu haben." Jobs ergänzt: "Als Bill und ich in der Branche angefangen haben, waren wir beide die Jüngsten im Raum und jetzt sind wir die Ältesten."

Und dann zitiert der Apple-Boss das Beatles-Lied "Two of us": "You and I have memories longer than the road that stretches out ahead."

Erinnerungen, die länger sind als die Straße vor den beiden? Steve Jobs ist 52 Jahre alt, Bill Gates wird es im Oktober. In diesem Moment wirken sie wie Ruheständler.
 

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
Immer gut: Newsletter abonnieren


auch interessant

Wer investiert in die Zukunft, wenn alle sparen?

Der common senf aktueller Debatten um Staatsausgaben, Tarifverhandlungen und Zinspolitik scheint mir gerade ein gefährlicher: Alle sollen sparen. Der Staat soll weniger ausgeben und damit der Gesamtwirtschaft Geld entziehen. Arbeitnehmer sollen Reallohnverluste akzeptieren, sparen und damit der Gesamtwirtschaft Geld entziehen. Und Unternehmen sollen sparen, bloß keine Kredite aufnehmen für Investitionen

Wer investiert in die Zukunft, wenn alle sparen?

Paradox der Gegenwart

Einerseits sehen so viele Menschen ihre individuellen (Konsum)Bedürfnisse als das wichtigste Gut, als absolut schützenswert. Überspitzte Maxime: Was ich will, ist heilig – alles geht vom Individuum aus. Andererseits erscheint genauso viele Menschen das Individuum ganz klein, wenn es darum geht, etwas zu verändern in der Welt. Überspitzte Maxime: Ich

Paradox der Gegenwart

Wie Schmecken funktioniert

Gelernt: Geschmack und Aroma sind zwei ganz unterschiedliche Wahrnehmungen. Für jede ist ein anderer Teil im Gehirn verantwortlich. Und jede basiert auf unterschiedlichen Daten: Für den Geschmack kommen Eindrücke von der Zunge, fürs Aroma von Rezeptoren in der Nase. Beides vermischt das Gehirn zum Gesamteindruck Schmecken. Sehr lesenswerter Aufsatz darüber

Wie Schmecken funktioniert