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Kinderporno-Löschzentrale: 6,3 Stellen gegen das Grauen (Spiegel Online, 27.10.2010)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
3 minuten gelesen

Kinderporno-Löschzentrale

6,3 Stellen gegen das Grauen

Wie ernst nimmt das BKA die Löschung von Kinderporno-Seiten im Ausland? 6,3 Stellen sind bei der Polizeibehörde eingerichtet, um die Alternative zu den geplanten Netzsperren zu testen – das ergab eine Anfrage der Linken. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger ist empört.

Spiegel Online, 27.10.2010

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Berlin – Ein optimistischer Polizeichef klingt anders. “Man sagt der Öffentlichkeit im Grunde etwas Falsches, wenn man sagt, wir löschen das Ganze”, verkündete Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), vor kurzem bei einer Bundestagsanhörung (siehe Video unten). “Das Ganze” – gemeint sind Kinderpornos auf Internetseiten. Es ist das Eingeständnis eines Problems. Die Löschaktionen der obersten deutschen Polizeibehörde funktionieren nicht wie gedacht.

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Eigentlich soll das BKA gerade ein Jahr lang versuchen, Internetprovider in aller Welt zum Löschen von Kinderpornografie zu bringen – anstatt in Deutschland Internetsperren zu errichten, wie es die Große Koalition einst auf Druck der Union beschlossen hat. Löschen statt sperren: Das ist der Kompromiss, auf den sich CDU, CSU und FDP vor einem Jahr eingelassen haben. Aber nun wackelt er.

Vor allem Unionspolitiker gehen auf Distanz zu den Löschversuchen – ähnlich wie Ziercke, der die Lösung schon immer mit Skepsis verfolgte. Dem BKA-Chef zufolge bemühten sich seine Mitarbeiter von Januar bis September insgesamt 1407-mal darum, dass Seiten gelöscht wurden. In 44 Prozent der Fälle seien die Inhalte auch nach einer Woche noch online gewesen, trotz enormer Anstrengungen über Interpol und Behörden im Ausland, sagte der BKA-Chef.

Die 44 Prozent sind ein Argument, das den Befürwortern von Netzsperren entgegenkommt. Kritiker dagegen werfen die Frage auf, wie enorm die Anstrengungen des BKA wirklich sind.

Justizministerin: “Wer sechs Personen einsetzt, darf sich nicht wundern”

Denn für den BKA-Arbeitsschwerpunkt “Löschen statt Sperren” wird “ein Personalbestand von 6,3 Vollzeitäquivalenten eingesetzt”. Soll heißen: 6,3 von Tausenden Stellen beim BKA. So steht es jetzt in einem Antwortschreiben des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linken – und die Zahl empört Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). “Wer nur sechs Personen für den Schwerpunktbereich ‘Löschen statt Sperren’ einsetzt, darf sich nicht über schlechte Löschergebnisse wundern”, sagt sie SPIEGEL ONLINE.

In der Antwort des Bundesinnenministeriums steht außerdem mehrmals, man könne noch nicht sagen, woran es bei der Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden tatsächlich hakt:

 

  • “Die Evaluierung ist noch nicht abgeschlossen. Erst nach Abschluss der Evaluierung können die Ergebnisse im Hinblick auf spezifische Probleme in einzelnen Staaten ausgewertet werden.”
  • “Das BKA plant – soweit noch nicht geschehen – Dienstreisen bzw. Kontaktaufnahmen mit den ausländischen Partnern. Bei diesen Maßnahmen soll für eine noch intensivere Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet geworben werden.”

Ähnlich äußerte sich Ziercke. Einerseits sagte er, man setze genug Mitarbeiter ein, und jeder Hinweis auf Kinderpornos “geht sofort raus bei uns”, so Ziercke laut dem Fachdienst ” Heise” bei der Bundestagsanhörung. Andererseits fügte er später hinzu, man könne die Kooperation mit ausländischen Behörden intensivieren und “mehr Personal hineinstecken”.

Auch diese Aussagen alarmieren Leutheusser-Schnarrenberger: “Dass der Leiter des BKA selbst Zweifel über die bisherige Personalplanung zum Ausdruck bringt und weiterhin Spielraum für eine Verbesserung der Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden sieht, ist äußerst beunruhigend.” Sie verweist darauf, dass das BKA insgesamt nur 23,3 Beamte einsetzt, die sich um Sexualdelikte gegen Kinder und Jugendliche kümmern: Da gebe es “selbstverständlich Vollzugsdefizite”, die “dringend behoben werden müssen”.

Unabhängig von der Personalfrage kann es andere Gründe geben, wieso die Löschaktionen nicht klappen wie gedacht. Die von Ziercke genannten 44 Prozent beziehen sich auf Seiten, die nach einer Woche noch online sind – ob die Provider die Seiten einfach ein paar Tage später gelöscht haben, ist damit nicht geklärt. Das Bundesinnenministerium zu dieser Frage: “Die Verfügbarkeit der Webseiten mit kinderpornografischen Inhalten über den Zeitraum einer Woche hinaus wird durch das BKA im Rahmen der Evaluierung nicht erhoben.”

Es könnte auch sein, dass viele Fälle, in denen die Wochenfrist überschritten wird, aus einem bestimmten Land stammen – was die Statistik verzerrt. Oder dass die Behörden im Ausland die Server eine Zeitlang weiterlaufen lassen, um an Hintermänner zu kommen.

Die Zwischenbilanz des BKA gibt dazu nichts her, und das Innenministerium teilt mit: “Eine weitergehende Aufschlüsselung nach Serverstandorten und Verfügbarkeiten ist bei den vorliegenden Angaben noch nicht verlässlich und belastbar möglich, da diese Parameter stark variieren. Diese erfolgt zum Abschluss des Evaluierungszeitraums.” Also Ende Dezember. Auch Informationen zur Zusammenarbeit mit einzelnen Staaten gibt es erst dann. Über Erfolgsquoten und Probleme lässt sich auf dieser Basis jetzt sehr wenig sagen.

Fest steht nur: Selbst wenn jetzt noch mehr als 6,3 Stellen beim BKA eingerichtet würden – in den letzten zwei Monaten dieses Lösch-Testjahres würde das die Statistik wohl auch nicht entscheidend verändern.

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Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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